# taz.de -- Fahrradwirtschaft gründet Lobbyverband: Dem Radel verpflichtet | |
> Der Bundesverband Zukunft Fahrrad will eine Gegenstimme zur Autoindustrie | |
> werden – und so die Mobilitätswende voranbringen. | |
Bild: Die Fahrradfahrer bekommen eine neue Lobbyorganisation | |
BERLIN taz | Er will die Machtverhältnisse in Deutschland, in der, wie er | |
sagt, „Autorepublik“ verschieben. Ulrich Prediger hat den Bundesverband | |
Zukunft Fahrrad initiiert, den BVZF. Gegründet wird er an diesem Mittwoch. | |
Der neue Verband versteht sich als Gegenstimme zum mächtigen VDA, dem | |
Verband der deutschen Automobilindustrie. Er will eine „zukunftsfähige | |
Mobilitätswende voranbringen“. | |
Prediger hat mit seiner Freiburger Firma Jobrad als Erster dem Dienstwagen | |
das Dienstrad entgegengesetzt. „Das Fahrrad wird von der Regierung | |
unterschätzt“, sagt der 47-Jährige. 20 Unternehmen der Fahrradwirtschaft | |
haben sich dem Verband bislang angeschlossen. Darunter sind vor allem junge | |
Start-ups, Verleihfirmen, aber auch etablierte Versicherer, | |
Leasinggesellschaften und Radhersteller. | |
Dieselaffäre und Mautpleite, Staus und dicke Luft in Städten, überfüllte | |
Bahnen und schmale Radwege – die deutsche Verkehrspolitik ist nicht | |
zeitgemäß. Nur: Schon heute sind in der Verbändeliste des Bundestags 2.320 | |
Organisationen eingetragen, tummeln sich schätzungsweise bis zu 6.000 | |
Lobbyisten in Berlin. Braucht es noch mehr? | |
Es gibt längst jene, die sich für das Rad starkmachen. Den | |
Zweirad-Industrie-Verband, ZIV, zum Beispiel. Allerdings gilt er als | |
politisch wenig schlagkräftig. Der ökologische Verkehrsclub VCD macht aber | |
durchaus von sich reden. Wassilis von Rauch, der jetzt bei Prediger | |
arbeitet und den neuen Verband mit voranbringt, war dort bis vor Kurzem | |
selbst Bundesvorsitzender. René Fillippek, er spricht für den Allgemeinen | |
Deutschen Fahrradclub, ADFC, fürchtet aber keine neue Konkurrenz. Er freut | |
sich über Mitstreiter: „Der Druck auf die Politik steigt.“ | |
Briefe schreiben, Politikerinnen auf Empfängen ansprechen, Verbände mit | |
Informationen versorgen, das ist für Prediger nicht ganz neu. Es ist mehr | |
als sieben Jahre her, da hat er, wenn nicht alles, dann doch viel getan, | |
damit das Dienstwagenprivileg auch für Fahrräder, E-Bikes und Pedelecs | |
gilt. 2012 bewegte sich dann was: Fortan behandelten die Finanzbehörden | |
Diensträder bei der Steuer ähnlich wie Dienstwagen. | |
## Ein Steuersparmodell | |
„Es war ein Durchbruch“, sagt Prediger – auch für seine Firma. Denn meist | |
kaufen Unternehmen die Räder nicht, sie schließen einen Rahmenvertrag mit | |
einer Leasingfirma ab. Die Mitarbeiter suchen sich ein Rad aus, die | |
Leasingraten werden über eine Gehaltsumwandlung vom Bruttolohn abgezogen. | |
Mitarbeiter sparen Steuern und Sozialabgaben. Predigers Unternehmen ist | |
Deutschlands größter Rad-Leasing-Anbieter. | |
Vor gut einem Jahr sah er das Firmenrad wieder im Nachteil. Die Große | |
Koalition, die den Verkauf von Stromern ankurbeln will, plante neue | |
Steuervergünstigungen. Genauer: Wer seinen Firmenwagen privat nutzt, muss | |
monatlich eigentlich ein Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil | |
versteuern, für Elektro- und Hybridfahrzeuge gilt nun aber der halbierte | |
Satz: 0,5 Prozent. Das Dienstrad blieb dabei außen vor. Prediger hat wieder | |
Politiker angerufen, auch Regierungsvertreter. Mitte März dieses Jahres kam | |
die 0,5-Prozent-Regel auch für Diensträder. | |
„Das hat gezeigt, wie erfolgreich man sein kann“, sagt Prediger, „aber | |
besser macht man das im Verbund.“ Das sieht Timo Lange von Lobbycontrol aus | |
grundsätzlichen Überlegungen genauso. „Interessenvertretung ist nicht per | |
se böse, aber es ist besser, wenn nicht jede Firma ihre eigenen Lobbyisten | |
für ihr eigenes Problem losschickt“, sagt er, „als Verband hat man eine | |
größere Legitimation, die sollen ruhig machen.“ Allein, ob Prediger und | |
seine Leute die Macht der Autolobby wirklich angreifen können, „sei | |
fraglich“. | |
Immer wieder engagiert die Autolobby Politiker und Regierungsbeamte. | |
Berühmtes Beispiel ist Matthias Wissmann, der als einstiger | |
Verkehrsminister VDA-Präsident wurde. Lange: „Es wäre nicht gut, wenn der | |
BVZF auf dieselben Methoden wie der VDA setzt.“ | |
Der neue Verband will 40 Mitglieder haben bis zum Jahr 2021. | |
17 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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