Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Karl Lauterbach zum SPD-Vorsitz: „Wir trauen uns das zu“
> Der Arzt und SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach bewirbt sich gemeinsam mit
> Nina Scheer um den Parteivorsitz. Können sie zusammen die SPD wieder
> aufpäppeln?
Bild: Warum kandidieren sie für den Parteivorsitz?
taz: Herr Lauterbach, Sie kandidieren zusammen mit Nina Scheer [1][für den
SPD-Parteivorsitz]. Wann genau und warum fiel diese Entscheidung?
Karl Lauterbach: Nina Scheer und ich haben das Anfang Juni, in der letzten
Sitzungswoche des Bundestages, erstmals besprochen. Wir kennen uns seit
Jahren und haben sehr häufig über die Probleme unserer Partei gesprochen.
So ist diese Idee über die Zeit entstanden.
Sie sind Mediziner. Wie geht es der Patientin SPD, und wie stehen ihre
Heilungschancen?
Sehr gut. Die SPD durchläuft eine Lebenskrise, es werden aber keine
bleibenden Traumata zurückbleiben. Der Kern der Partei ist ja gesund: Wir
haben nicht unsere Glaubwürdigkeit und unsere Ehre verloren, wir mussten
nie unseren Namen ändern. Da ist sehr viel Substanz an Grundwerten, an der
Körper und Geist der SPD wieder komplett genesen werden.
Wofür stehen Sie beide? Was bieten Sie den Mitgliedern an?
Das sind vier Punkte – drei langfristige und ein kurzfristiger. Wir wollen
das Soziale mit dem Ökologischen verbinden. Wir müssen uns bei der
Klimapolitik ehrlich machen und uns hier von parteitaktischen Ideen lösen.
Wir brauchen dringend eine Parteireform. Und kurzfristig müssen wir schnell
raus aus der Großen Koalition.
Geht das etwas konkreter?
Sozialpolitisch müssen wir im Zeitalter der Globalisierung und
Digitalisierung ganz neu über Bildung sprechen. Da sind die Unterschiede
viel größer und wichtiger geworden als in der Vergangenheit. Und beim Thema
Benachteiligung müssen wir uns fragen: Sind die Schwächsten die Menschen im
Inland oder die, die zu uns kommen? Wem schulden wir was? Wir müssen uns
auch fragen, welche sozialen Verbesserungen, die die Politik veranlassen
kann, wirklich nachhaltig sind. Wie können wir Vermögensreiche und
Großerben an der Finanzierung beteiligen?
Also Sozis for Future?
Der Slogan klingt okay. Der zweite Punkt ist die Klimapolitik, da müssen
wir uns ehrlich machen. Was wollen wir, was ist erreichbar? Die Antwort
darauf müssen wir loslösen von der taktischen Parteipolitik. Das Thema
Nachhaltigkeit, die drohende globale Erwärmung darf man nicht als Spielball
im politischen Geschäft betrachten – das ist ein Thema, das in wirklich
alle Bereiche hineinragt und zu dem alle Parteien den Konsens finden
müssen.
Was wollen Sie beide in Ihrer Partei verändern?
Wir haben in der SPD sklerotische Strukturen. Wir machen es den Leuten
total schwer, ihre Ideen so zu artikulieren, dass sie das Gefühl haben, von
uns gehört zu werden. Das beginnt bei den Ortsvereinssitzungen, die für
jüngere Mitglieder wenig attraktiv sind, und endet noch nicht bei den
komplizierten Leitanträgen für Parteitage, die meistens keinerlei Einfluss
haben. Die Parteistruktur ist in die Jahre gekommen. Wir brauchen jetzt
eine volle Demokratisierung in der Partei, auch für Leute, die nicht
Mitglieder sind, aber mit uns reden wollen.
Sie haben sich 2018 erneut für den Gang der SPD in die Groko ausgesprochen.
Jetzt sind Sie dafür, die Koalition zu verlassen. Machttaktik oder
Überzeugung?
Nina und ich kommen aus verschiedenen Positionen: Ich war für die Große
Koalition, Nina von Anfang an dagegen. Ich bin nun ebenfalls dafür, so
schnell wie möglich zu gehen. Uns fehlen mittlerweile schlicht die
ausreichenden Ziel- und Werteschnittmengen mit der Union. Aber wir greifen
da dem Votum der Mitglieder nicht vor. Die geben uns den politischen
Auftrag.
Der SPD-Vorsitz ist das schönste Amt neben dem Papst, lautet das alte
Müntefering-Diktum. Stimmt das noch?
Der Parteivorsitz ist meiner Ansicht nach nicht der schönste Job neben dem
Papst. Aber ich kann sagen, dass es für Nina Scheer und mich das Wichtigste
und Wertvollste wäre. Das mag unbescheiden klingen, aber wir trauen uns das
auch zu.
Immer weniger Stimmen, teure Mitgliederbefragungen, Parteitage, eine
riesige Parteizentrale, jetzt 30 Regionalkonferenzen, dann Abstimmung per
Briefwahl – haben Sie sich schon mal gefragt, wie Sie Ihren Parteiapparat
wieder schlanker, motivierter machen könnten?
Parteivorsitz bedeutet ja nicht nur, Reden vor laufenden Kameras zu halten.
In erster Linie heißt es, die Programmatik zu bearbeiten. Dafür habe ich
unsere Punkte genannt. Content first! Wir brauchen eine klare Sprache und
modernere Strukturen. Das jetzige Verfahren – dass wir für das Amt der
Parteivorsitzenden so etwas wie Primaries haben – ist ein Schritt in die
richtige Richtung. Ich finde auch die Mitgliederbefragungen gut. Da bewegt
sich was.
Das wird aber teuer.
Es gibt schlechtere Investitionen. Wenn das gut läuft, wird die SPD wieder
attraktiver werden, wieder Wahlen und damit Selbstbewusstsein und
politische Macht gewinnen.
Haben Sie beide Kontakt zur aktuellen Interimsparteiführung?
Auf jeden Fall, klar.
Mehr wollen Sie dazu nicht sagen?
Nein.
Haben Sie Kontakt zu Andrea Nahles, haben Sie sich Rat bei ihr geholt?
Das nicht, das wäre auch nicht angemessen. Ich habe mit Andrea Nahles
bekanntlich engen privaten Kontakt, aber unser Beratungsbedarf hält sich
grundsätzlich in Grenzen. Nina Scheer und ich sind ganz gut selbst
klargekommen bei den Fragen, was wir erreichen wollen.
Wie könnte der Gang aus der Groko aussehen? Mit welchem Prozedere rechnen
Sie?
Darüber spekuliere ich ungern. Nina und ich haben dazu eine klare Meinung
abgegeben, die wir in den kommenden Monaten noch gut begründen werden.
Würden Sie beide dann gern weiterregieren, etwa in einer grün-rot-roten
Koalition?
Jetzt schon wieder über die Frage zu spekulieren, mit wem wir regieren
wollen, fände ich vermessen. Unsere Mitglieder sind berechtigterweise
genervt von diesen Postendebatten. Das wirkt auch, vorsichtig formuliert,
wenig demütig. Das ist nicht der Stil, den wir pflegen wollen.
Aber Sie selbst werben doch seit Jahren für Bündnisse mit Grünen und
Linken.
Ja, das ist keine Neuigkeit. Und das trifft auch auf Nina Scheer zu. Aber
die Frage, ob wir regieren wollen oder in die Opposition gehen, ist gerade
nicht relevant. Viel wichtiger ist, dass wir uns in den eingangs genannten
Punkten wirklich erneuern. Sonst kommen wir nie aus unserer
Glaubwürdigkeitskrise. Die SPD kann dann auch in kurzer Zeit wieder sehr
viel stärker werden.
Sie sind bekannt sowohl für spitze Thesen als auch für mitunter großes
Bescheidwissertum …
… ich muss doch sehr bitten.
… und Nina Scheer wirkt zurückhaltend und ist außer in umweltpolitisch
interessierten Kreisen nicht sehr bekannt. Können Sie zwei die Herzen der
GenossInnen bewegen?
Wenn man uns zusammen sieht, wird jeder verstehen, dass wir ein Team sind.
Wir verstehen uns nicht nur gut, sondern gehen auch respektvoll miteinander
um. Ich halte nichts von Teams, die sich nur gleichen oder meilenweit
voneinander weg sind – also Konsenssoße oder Dauerkonflikt. Wir sind ein
klares linkes Angebot. Wir sind Pragmatiker, haben auch mal
unterschiedliche Meinungen, sind aber Realisten.
Letzte Frage: Wünschen Sie beide sich [2][Kevin Kühnert als Mitbewerber]?
Ich schätze Kevin Kühnert voll, aber ich möchte nicht darüber spekulieren,
ob er unser Mitbewerber sein sollte oder nicht. Ich wünsche mir für unsere
Partei ein gutes Bewerberfeld – das würde mir völlig reichen.
14 Jul 2019
## LINKS
[1] /Bewerbung-fuer-SPD-Doppelspitze/!5611826
[2] /Kommentar-SPD-Vorsitz-und-Kuehnert/!5602303
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Lesestück Interview
Nina Scheer
SPD
Parteivorsitz
Karl Lauterbach
Klara Geywitz
Lesestück Interview
Reichensteuer
SPD
SPD
Nina Scheer
SPD-Fraktion
Gesine Schwan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abstimmung über SPD-Vorsitz: Die Legende von der linken Basis
Die Groko-Frage ist für die Stichwahl zum SPD-Vorsitz im November wichtig,
aber keineswegs alles. Die SPD-Basis hat mittiger abgestimmt als vermutet.
SPD-Kandidaten Walter-Borjans & Esken: „Wir wollen eine Bewegung sein“
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans über Blind Dates, parteiinterne
Diskursfähigkeit und gute Gründe für den Verbleib in der GroKo.
Streit um Solidaritätszuschlag: Scholz bleibt bei seinem Soli-Plan
„Steuersenkung für Millionäre“ steht „nicht auf der Tagesordnung“, sa…
Finanzminister Olaf Scholz. Auch zum SPD-Vorsitz äußert er sich.
Spitzenduos für die SPD: Visionäres Allerlei
Mit den bisherigen Kandidat*innen findet die SPD ganz sicher nicht aus
ihrer inhaltlichen Leere. Warum es eine Grande Dame wie Gesine Schwan
braucht.
Sozialdemokraten suchen Vorsitzende: Weil will nicht SPD-Chef werden
Niedersachsens Ministerpräsident verzichtet auf eine Kandidatur zum
Parteivorsitz. Er unterstützt stattdessen Lars Klingbeil.
Bewerbung für SPD-Doppelspitze: Lauterbach und Scheer treten an
Die SPD hat zwei neue AspirantInnen auf den Parteivorsitz. Karl Lauterbach
und Nina Scheer möchten beide raus aus der Großen Koalition.
Kandidatur für SPD-Parteivorsitz: Linkes Duo will SPD führen
Im Rennen um den SPD-Vorsitz treten Staatsminister Roth und die frühere
NRW-Ministerin Kampmann an. Sie wollen diverser und digitaler sein.
Gesine & Kevin: Die wären's, oder?: Das ignorierte Traumduo
Die Tragik der Partei zeigt sich im Casting der SPD um den Parteivorsitz.
Das hat begonnen – und keinen kümmert's. Dabei gäbe es eine perfekte
Lösung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.