# taz.de -- Kommentar SPD-Vorsitz und Kühnert: Größtes Risiko: kein Risiko | |
> Die SPD sucht mit Hilfe der Basis eine Doppelspitze. Gute Idee. Noch | |
> wichtiger ist aber, dass sie die GroKo verlässt, dafür sollte Kühnert | |
> sorgen. | |
Bild: Kein Freund der Großen Koalition: Juso-Chef Kevin Kühnert | |
Dass die SPD zu ihrer neuen Führung die Basis befragen möchte, ist nicht | |
dumm. Denn die Gründe, dieser Partei anzugehören, haben in der jüngsten | |
Zeit eher abgenommen. | |
Es ist auch in Ordnung, dass es künftig eine Doppelspitze sein darf, | |
vielleicht halten zwei Leute die Funktionärsintrigen dieser Partei besser | |
aus – und schließlich zeigen die Grünen gerade, wie viel Kraft zwei | |
Vorsitzende entfalten können. Entscheidend ist aber etwas ganz anderes: | |
dass nun jemand Vorsitzender wird, der die SPD aus der Großen Koalition | |
herausführt. Dieser jemand heißt [1][Kevin Kühnert.] | |
Heute erreichen Union und SPD zusammengerechnet in manchen Umfragen nicht | |
mal mehr 40 Prozent. Einigungen werden ihnen nicht mehr als Erfolge | |
gutgeschrieben, sie gelten mal als schwarze, mal als rote Niederlage im | |
Gewurschtel der Groko. Das wichtige Ergebnis etwa, dass Arbeitgeber und | |
Arbeitnehmer wieder gleich viel in die Krankenkassen einzahlen müssen, | |
rechnet niemand der SPD an. | |
Kevin Kühnert hat 2018 den drohenden Verfall der SPD vorausgesehen. Er | |
wollte das Regierungsbündnis schon damals verhindern, unterlag aber. | |
Trotzdem hat die Kampagne den Juso-Chef bekannt gemacht. Nach den | |
Niederlagen in Bayern und Hessen sowie in Bremen und bei der Europawahl | |
trumpfte er nicht rechthaberisch auf, sondern hielt die Klappe. Nun könnte | |
Kühnert in einer Vorsitzendenkampagne mit dem Ziel Groko-Ausstieg nicht nur | |
sich selber helfen, sondern dem Land. | |
## Das Regierungsbündnis ist wie ein Schwelbrand | |
Denn das Berliner Regierungsbündnis ist inzwischen wie ein Schwelbrand, der | |
der Demokratie allmählich den Sauerstoff entzieht. Auf ihre beiden alten | |
Parteien kann die Republik nicht verzichten, sie braucht sie, bei aller | |
berechtigten Kritik. Trudeln Union und SPD, ist das System instabil. Man | |
kann das gerade daran sehen, dass ein abgehalfterter Geheimdienstchef mehr | |
Blicke auf sich zu ziehen vermag als gewählte Abgeordnete mit ihren | |
politischen Projekten. | |
Trotzdem wagt die SPD den Ausstieg nicht. Genauer: Die Mitglieder der | |
Bundesregierung möchten Mitglieder der Bundesregierung bleiben. Auch die | |
SPD-Abgeordneten im Bundestag fürchten Neuwahlen, weil sie viele das Mandat | |
kosten dürften. Anderen in der Partei der Büroleiter, wie sie der Forscher | |
Franz Walter mal nannte, ist diese Sicht vertraut. Sie sehen in dem 29 | |
Jahre alten Parteilinken Kühnert den Risikokandidaten. | |
Allerdings ist es das größte Risiko für die SPD, kein Risiko einzugehen. | |
Sondern dem freien Fall Richtung 10-Prozent-Marke weiter zuzuschauen. | |
Vielleicht verstehen das wenigstens die Amtsträger außerhalb der Berliner | |
Käseglocke. Der Anti-Establishment-Kandidat ist in Wirklichkeit der | |
Kandidat, der das Establishment retten kann. | |
## Freund des Konflikts | |
Aber die SPD muss erst lernen, Risiken einzugehen. Das zeigt Kühnerts | |
Äußerung zu Enteignungen. Sie hat viele erschreckt, aber eben auch viele | |
fasziniert. Dass er noch nicht voll zum Mobiliar der Hauptstadt gezählt | |
wird, ist auch gut. Und ein nicht abgeschlossenes Studium muss nicht | |
schlecht sein, besser jedenfalls als Debatten über Doktortitel. | |
Die Jusos, die Kühnert führt, haben rund 80.000 Mitglieder, er denkt | |
schnell und spricht klar. Vor allem geht er gern Konflikte ein. Das müsste | |
er nun wieder tun. Die Demokratie braucht keine SPD-Spitze, die das | |
Siechtum betreut. Sondern eine, die etwas wagt. | |
25 Jun 2019 | |
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[1] /Debatte-Kevin-Kuehnert-zu-Enteignung/!5590059 | |
## AUTOREN | |
Georg Löwisch | |
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