| # taz.de -- Demeter-Sprecher über die Biobranche: „Die große Sorge ist der … | |
| > Anhand von Teigware aus Weizengrieß erklärt Alexander Gerber die | |
| > Biobranche: Preise, Vermarktung und die Rolle der Discounter. | |
| Bild: Bio-Nudeln gibt es heute im Discounter – oder als Luxusvariante | |
| taz am wochenende: Herr Gerber, Teil Ihrer Arbeit beim Bioverband Demeter | |
| ist es, die Produkte der Biobauern zu vermarkten oder sie dabei zu | |
| unterstützen. Was ist dabei wichtiger: der ökologische oder der ökonomische | |
| Aspekt? | |
| Alexander Gerber: Wenn man’s richtig macht, geht das Hand in Hand. Ein | |
| Beispiel ist die Vermarktung männlicher Tiere, also von Hähnen oder | |
| Bullenkälbern. Der zentrale ökologische Aspekt dabei ist, im Kreislauf zu | |
| wirtschaften und alle Tiere, die auf einem Biohof geboren werden, dann auch | |
| wie in unserem Fall in Demeter-Qualität zu vermarkten. Das funktioniert | |
| natürlich nur, wenn man Strukturen aufbaut, in denen die Erzeuger auch | |
| Preise erzielen können, die sich lohnen. | |
| Wie entwickeln sich die Preise in der Biobranche? | |
| Gerade weiten die Discounter ihr Bioangebot massiv aus. Unsere große Sorge | |
| ist tatsächlich der erhebliche Preisdruck, der leider auch an den Erzeuger | |
| weitergegeben wird, das schwächste Glied der Vermarktungskette. So sägt man | |
| aber am Ast, auf dem man sitzt. | |
| Ist Demeter daran nicht auch selbst schuld? Immerhin gibt es seit Anfang | |
| des Jahres eine Kooperation mit Kaufland. | |
| Nicht wir kooperieren mit Kaufland, sondern etwa 20 Demeter-Hersteller. Sie | |
| müssen auch sicherstellen, dass Kaufland die Kriterien für den Verkauf von | |
| Demeter-Produkten einhält. Etwa dass ein Händler mindestens 1.200 | |
| Bioprodukte im Sortiment haben muss. Kaufland erfüllt das, anders als die | |
| klassischen Discounter wie Aldi oder Norma. | |
| Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit den Discountern von der mit | |
| dem Biofachhandel? | |
| Man merkt, dass die Discounter mit uns genauso agieren, wie sie es eben | |
| gewohnt sind: Sie bestellen bei ihrem Lieferanten und sagen, ab morgen soll | |
| alles in Demeter-Qualität geliefert werden. So funktioniert das im | |
| Biobereich aber nicht. Man braucht erst die Landwirte, dann müssen | |
| bestimmte Mengen zusammenkommen, Lieferketten müssen aufgebaut werden. Im | |
| Naturkostbereich konnten sich die Wertschöpfungsketten über Jahre hinweg | |
| gut entwickeln. Bioprodukte brauchen langfristige Geschäftsbeziehungen, | |
| Transparenz, und die Geschichten hinter den Produkten sollten sichtbar | |
| werden. Diesen Lernschritt müssen die konventionellen Händler noch gehen. | |
| Sind die Produkte im Supermarkt günstiger als im Biofachhandel? | |
| Insgesamt ja. Demeter kann aber auch in diesen Läden das Preisniveau hoch | |
| halten. Unsere Milch gibt es bei Kaufland für 1,59 Euro, das ist ein | |
| angemessener Preis. Bananen können im Discounter auch mal günstiger sein | |
| als im Naturkostfachhandel. Das hängt mit größeren Mengen und anderen | |
| Logistikstrukturen zusammen. | |
| Wie wird das Eintreten der Discounter in den Markt die Branche | |
| beeinflussen? | |
| Wir werden eine noch stärkere Differenzierung am Biomarkt erleben. Auf der | |
| einen Seite das Bio-Einstiegssegment in EU-Bioqualität zu niedrigen | |
| Preisen. Daneben ein großes Sortiment im mittleren Preissegment. Und | |
| schließlich die Premiumprodukte der Anbauverbände wie Demeter mit hohen | |
| Anforderungen. Interessanterweise gibt es die Produkte der Anbauverbände | |
| heute schon in allen drei Segmenten. | |
| Haben Sie ein konkretes Beispiel für diese Entwicklung? | |
| Nehmen wir die Nudel. Schon heute werden Bionudeln für unter einem Euro | |
| verkauft, manchmal sogar für nur 79 Cent. Es gibt aber auch welche für 2,80 | |
| Euro. Das zeigt diese Qualitätsspreizung auf dem Biomarkt ganz deutlich. | |
| Vor zehn Jahren war die bei Weitem nicht so groß, und der niedrigste Preis | |
| war bei Weitem nicht so niedrig. | |
| Wie viel Prozent des Umsatzes der Biobranche entfällt denn heute auf die | |
| unterschiedlichen Vermarktungszweige? | |
| Auf Supermärkte und Discount entfallen knapp 60 Prozent, auf den | |
| Naturkostfachhandel etwa 30 Prozent und der Rest auf Bäckereien, | |
| Metzgereien und Wochenmärkte. Alle drei Zweige wachsen, aber am wenigsten | |
| Illusionen mache ich mir beim letzten Bereich. Trotzdem gibt es dort | |
| durchaus schöne Ansätze wie „Zeit für Brot“ in Berlin. Was die Discounter | |
| und Bio angeht: Da wird gerade richtig Gas gegeben. Aber das verläuft immer | |
| in Wellenbewegungen, bald wird sich das wieder beruhigen. | |
| Auf dem Hoch dieser Wellenbewegung dürfte es aktuell viel Nachfrage bei den | |
| Biobauern geben. An welchen ökologischen Produkten mangelt es aktuell? | |
| Beim Fleisch ist die Situation am problematischsten. Die Nachfrage ist da | |
| und das Angebot im Prinzip auch, aber es fehlen tatsächlich die | |
| Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen. Ansonsten gilt: Obst und Gemüse | |
| sind der Renner. Da könnten wir in Deutschland viel mehr Bioanbau | |
| gebrauchen. Aber weil Demeter ein internationaler Verband ist, können wir | |
| aktuell auf Produkte etwa aus Holland oder Südeuropa zurückgreifen. | |
| Dabei beklagen Bauern und Bäuerinnen in Deutschland oft, dass ihnen | |
| Bioprodukte aus dem Ausland das Geschäft vermiesen. Meist meinen sie damit | |
| billigere Ware aus Osteuropa. | |
| Tatsächlich kommen gerade beim Futtergetreide große und günstige Mengen aus | |
| Osteuropa nach Deutschland. Die Anbauverbände haben da aber eine klare | |
| Regelung: Erst verwenden sie eigene Ware, dann die von anderen Verbänden, | |
| nur wenn es unbedingt sein muss, andere EU-Produkte und auch dann nur mit | |
| zusätzlichen Kontrollen. Aber auch Milch aus Österreich ist ein Problem, | |
| denn die wird dort deutlich höher subventioniert. Und Obst und Gemüse | |
| werden in Südeuropa unter deutlich günstigeren Bedingungen produziert. Auch | |
| das erzeugt hierzulande Preisdruck. | |
| Und was exportiert Deutschland? | |
| Vor allem verarbeitete Produkte wie Kindernahrung, Saft oder Müsli. Das | |
| liegt daran, dass wir in Deutschland nach den USA den weltweit größten | |
| Markt für Bioprodukte haben. Deshalb gibt es bei uns viele Verarbeiter, die | |
| anderswo noch fehlen. Wir exportieren die Produkte zum Beispiel nach | |
| Frankreich, Spanien oder Asien, wo es zwar lokale Märkte, aber noch nicht | |
| solche Verarbeitungsstrukturen gibt. | |
| Lange Transportwege wie diese sind nicht gerade nachhaltig. | |
| Da haben Sie grundsätzlich recht. Wir müssen nationale Märkte mit lokalen | |
| Wertschöpfungsketten und Verarbeitungsbetrieben vor Ort entwickeln. Es | |
| sollten nur noch die Produkte importiert werden, die in dem jeweiligen Land | |
| gar nicht gedeihen können. | |
| Bleiben wir in Deutschland. Gibt es bei der Vermarktung Unterschiede | |
| zwischen den einzelnen Bundesländern? | |
| Eigentlich haben wir heute einen nationalen und sogar zunehmend | |
| europäischen Markt. Aber in Bayern und Baden-Württemberg gibt es eine sehr | |
| große Dichte von Bio- und Verarbeitungsbetrieben sowie eine hohe Kaufkraft | |
| – ein gutes Potenzial also. Berlin ist wahrscheinlich der weltweit größte | |
| Biomarkt, bezogen auf die Bevölkerungszahl gibt es hier die meisten Läden | |
| und das breiteste Angebot. Das ist für die umliegenden Erzeuger in | |
| Brandenburg eine große Chance. In Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen | |
| gibt es nur schwach ausgebildete Verarbeitungsstrukturen. | |
| Ist es für Bäuerinnen und Bauern in Bayern einfacher, von konventionell auf | |
| öko umzusteigen? | |
| Ja und nein. Es ist dann leichter, wenn man in einen bestehenden | |
| Vermarktungskanal liefern kann, der noch mehr Ware braucht. Andererseits | |
| sind die Märkte dort auch eher gesättigt. Die Biomolkereien im Süden nehmen | |
| zurzeit keine neuen Umsteller auf. Aber gerade im Osten sind in den letzten | |
| Jahren viele Initiativen entstanden, zum Beispiel Schälmühlen, die vor | |
| allem Dinkel, Gerste, Hafer und Hirse schälen und im Rest der Republik nur | |
| selten sind. Wenn man Nischen besetzt, gibt es auch in strukturschwachen | |
| Gebieten Potenziale. | |
| 15 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Jana Lapper | |
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