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# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Im Osten viel Neues
> Mobiles Zahlen, Shared Mobility, Videochats beim Dinner und
> Roboterkellner: In Peking kann man jetzt schon die Zukunft sehen.
Bild: In diesem Café bezahlt man, indem man einen QR-Code von einer Katze absc…
Der kleine Roboter fährt zielstrebig die Tischreihen entlang. Er ist
beladen mit Hotpot-Zutaten, hat große Digitalaugen, und steht ihm was im
Weg, dann hält er an und bittet mit einer herzzerreißend putzigen Stimme,
weiterfahren zu dürfen. Er würde sonst seinen Job verlieren.
Im Juni war ich einen Monat in Peking, und ich habe die Zukunft gesehen.
Die Kellnerroboter waren dabei eher ein Marketinggag. Aber ich war in einer
Stadt, die Deutschland in der Durchdringung des Alltags mit mobiler
Technologie um Jahre voraus ist.
Permanent videochatten die Leute oder schauen sich Filme an – in Parks, in
der U-Bahn (klar, auch da funktioniert das 4G-Netz, wie überall), beim
Gehen, selbst wenn sie sich beim Essen gegenübersitzen. Die
romantisch-europäische „Der Mensch im Real Life ist aber
wichtiger“-Etikette gilt nicht.
Und natürlich wird in Peking [1][mit dem Handy auch bezahlt], fast
ausschließlich. Überall – und mit überall meine ich überall, auch an mein…
Lieblings-Streetfoodstand – finden sich die markanten kleinen Karten in
Hellgrün (WeChat Pay) und Himmelblau (Alipay), darauf ein QR-Code. Einmal
kurz abscannen, die Geldsumme eingeben, dem Verkäufer zeigen. Fertig.
## Wie so ein Tier
Nur ich hatte noch meine abgegrabbelten Geldscheine und Münzen dabei, wie
so ein Tier. Denn ohne chinesisches Bankkonto ist es schwierig bis
unmöglich, in das System reinzukommen. Machte nix, für einen Monat
Aufenthalt ging es gut bargeldloslos – noch. In zwei, drei Jahren wird es
problematisch, vermute ich. Bei Taxis ist es das schon jetzt: Es gibt in
Peking so gut wie keine frei fahrenden Wagen zum Ranwinken mehr, weil die
gesamte Ruf-und-Abhol-Infrastruktur über Apps läuft. Pech für
Nichtchinesen.
Auch an den Einlassportalen der U-Bahnhöfe halten mehr Leute ihr Handy als
eine der ÖPNV-Trägerkarten an den Scanner. Und überirdisch steht ganz
Peking voller Leihräder – voll dieser playmobilhaften Modelle in Gelb,
Orange-Grau, Blau nämlich, die 2017/18 auch kurz in deutschen Städten (und
Mediendebatten) massenhaft auftauchten und zum größten Teil genauso
schnell wieder verschwanden.
Doch während in Deutschland bisher nur eine experimentierfreudige
Minderheit shared vehicles nutzt, sieht man in Peking permanent Menschen
auf Leihrädern umherfahren, junge, alte, alle möglichen. Man mietet die
Räder natürlich mit einer App und per Scan des QR-Codes. Geht in Sekunden
und gibt es auch für Minimofas, die elektrisch betrieben lautlos über
Pekings breite Straßen rollen.
Ja, China ist ein mobiles Wunderland, und es fühlt sich alles verdammt
praktisch an. Die dunkle Seite davon: Alle Daten können gesammelt und – wer
weiß, wie – vom Staat ausgewertet und gespeichert werden. Das scheint kaum
jemanden davon abzuhalten, die Dienste zu nutzen. Vielleicht weil man
sowieso in einer Diktatur lebt. Denn wenn man schon überwacht wird, dann
doch bitte maximal bequem.
10 Jul 2019
## LINKS
[1] /Digitalisierung-in-China/!5591283
## AUTOREN
Michael Brake
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