| # taz.de -- Kassenbons per App: Zettelwirtschaft digital | |
| > Ein neues Gesetz sorgt ab 2020 für noch mehr Kassenzettel. Fünf Start-ups | |
| > wollen das verhindern und digitale Bons entwickeln. | |
| Bild: Künftig Exponate fürs Konsum-Museum? Entwickler wollen Kassenbons und B… | |
| Berlin taz | Schlecht recycelbar, gesundheitsschädlich und für den Kunden | |
| oft unnötig: In Deutschland werden täglich Millionen von Kassenzetteln | |
| gedruckt. Diese Menge könnte sich ab 2020 durch eine gesetzliche | |
| Neuregelung sogar noch erhöhen. Um den Schwall an gedruckten Kassenzetteln | |
| zu reduzieren, arbeiten mehrere Start-ups an digitalen Alternativen. | |
| Das haben vor ihnen auch schon andere versucht – und scheiterten dabei. Das | |
| Karlsruher Start-up Reposito stellte den Dienst im Jahr 2014 ein, da es | |
| kein Geld verdiente. Auch die App NuBON, die zum Versandhändler Otto | |
| gehörte, gab 2018 wegen mangelnden Erfolgs auf. Große Handelsketten | |
| versuchen sich am Trend und bieten Apps für ihre eigenen Märkte an. | |
| Von solchen „Insellösungen“ hält Amir Karimi nichts. „Kein Mensch will … | |
| Apps für die gleiche Sache nutzen“, sagt der Geschäftsführer des Bremer | |
| Unternehmens A&G. Sie wollen einen Dienst zur Verfügung stellen, mit dem | |
| Nutzer*innen in jedem Geschäft Kassenzettel in einer App namens Admin | |
| empfangen können. Neben Admin sind auch andere Start-ups mit der | |
| Entwicklung einer solchen App beschäftigt, darunter Bill.less aus | |
| Böblingen, Anybill aus Regensburg, Wunderbon aus Düsseldorf und Epap aus | |
| Münster. Sie alle wollen eine App zur Verfügung stellen, in der | |
| Kassenzettel gesammelt und übersichtlich dargestellt werden. Diese können | |
| dann dem Steuerberater freigeben oder für einen Garantiefall oder Umtausch | |
| genutzt werden. | |
| Bei der Frage, wie das technisch umgesetzt werden soll, hat jedes Start-up | |
| eine eigene Antwort. Admin aus Bremen und Epap aus Münster setzen auf | |
| externe Hardware, die sie bei ihren Partnern installieren wollen. Per NFC | |
| wird der Kassenzettel kontaktlos auf das Smartphone übertragen. Die gleiche | |
| Technik kommt heute schon bei Bankkarten zum Einsatz. Bei den Apps von | |
| Anybill und Wunderbon wird ein QR-Code auf dem Bildschirm des Kunden mit | |
| dem normalen Kassenscanner erfasst. Mit Wunderbon soll es außerdem möglich | |
| sein, die Kredit- oder Girokarte mit der App zu verknüpfen, sodass bei | |
| jeder Kartenzahlung der Bon automatisch in der App erscheint. | |
| ## Einfach oder multifunktional | |
| Anybill, Epap, Wunderbon, wie auch Bill.less wollen ihre Kunden zudem mit | |
| weiteren Funktionen locken. So bieten manche ein digitales Haushaltsbuch | |
| an, um Ausgaben zu kategorisieren. In den Apps von Anybill und Epap kann | |
| der Kunde außerdem abfotografierte Kassenzettel hochladen. „Die Vision ist, | |
| dass man irgendwann auch mit der App bezahlen kann“, so Lea Frank von | |
| Anybill. | |
| Amir Karimi von Admin möchte hingegen „mit Einfachheit überzeugen“. In der | |
| App solle daher auch weder Werbung ausgespielt noch ein Bonussystem | |
| integriert werden, das Rabatte durch gesammelte Punkte verspricht. Die | |
| anderen vier Firmen sehen darin jedoch Potenzial, ihre App zu erweitern. | |
| Momentan sind alle Apps in verschiedenen Entwicklungsstadien. Anybills App | |
| ist bereits verfügbar und soll bald auch in einigen Läden nutzbar sein. | |
| Epap startet bald einen Pilotversuch mit zwei Unverpackt-Läden in Münster. | |
| Bill.less befindet sich noch in der Entwicklung, Wunderbon soll noch in der | |
| zweiten Jahreshälfte überregional getestet werden. Admin will Januar 2020 | |
| an den Start gehen. | |
| Der Moment ist für die Konkurrenten günstig. Durch die neuen gesetzlichen | |
| Richtlinien für Kassensysteme, die 2020 in Kraft treten, dürften in Zukunft | |
| noch viel mehr Kassenzettel gedruckt werden, denn Fachhändler werden | |
| verpflichtet, Bons an ihre Kunden auszugeben – egal ob diese dies wünschen. | |
| Eigentlich soll die Regelung Steuerhinterziehung vorbeugen. Damit einher | |
| geht aber auch eine Belegausgabepflicht, die auch beispielsweise den | |
| kleinen Getränkekiosk dazu zwingt, Kassenzettel auszudrucken. Viele Händler | |
| haben sich bisher darum gedrückt. Darüber hinaus haben die Entwickler den | |
| Öko-Aspekt auf ihrer Seite. Abgesehen von dem vielen Müll, den Kassenzettel | |
| verursachen, werden herkömmliche Bons auf Thermopapier gedruckt, das | |
| bislang noch schädliche Inhaltsstoffe enthält; sie können Gewässer und die | |
| menschliche Gesundheit gefährden. | |
| Ein Faktor, den manche Verbraucher bedenklich finden könnten, ist der | |
| Datenschutz. Alle Entwickler beteuern, dass sie sensibel mit den gewonnenen | |
| Daten umgehen möchten und keine personalisierte Konten angelegt werden. | |
| Trotzdem werden unpersonalisierte Daten, wie das Einkaufverhalten der | |
| Nutzer, dem Handelspartner zur Verfügung gestellt. Friedemann Ebelt vom | |
| Verein Digitalcourage, der sich für Datenschutz und Transparenz einsetzt, | |
| sieht das kritisch: „Auch mit vermeintlich unpersonalisierten Datensätzen | |
| lassen sich, wenn die Daten detailliert genug sind, Nutzende sehr gezielt | |
| analysieren und mit Werbung ansprechen.“ | |
| Mit welchen potenziellen Partnern die Start-ups im Gespräch sind, möchte | |
| keiner von ihnen preisgeben. Kein Wunder, denn der Markt um den digitalen | |
| Kassenzettel ist heftig umkämpft. Schließlich konkurrieren alle Entwickler | |
| um die gleichen Partner in Handel und Gastronomie, um zum größten Player zu | |
| werden. Und am Ende stellt sich bei allen Apps die Frage, ob sie das | |
| schaffen, an dem ihre Vorgänger bislang gescheitert sind: mit ihrer Idee | |
| auch Geld zu verdienen. | |
| 22 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Niklas Münch | |
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