| # taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Metaphern bis zum Mond | |
| > Wir tun uns so schwer damit, Datenmengen zu begreifen, dass die ewig | |
| > gleichen schiefen Bilder herhalten müssen. Wir hätten da ein paar | |
| > Alternativen. | |
| Bild: Wer weiß schon wie weit es zum Mond ist? | |
| Vor einigen Wochen las ich [1][in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung] | |
| zum neuen Mobilfunkstandard 5G einen interessanten Satz. „Würde man die bis | |
| 2025 erwarteten Daten der Welt auf DVDs speichern, reichte der Stapel gut | |
| 23 Mal zum Mond.“ | |
| Eine irritierende Aussage, auf mehreren Ebenen. Warum 2025 und nicht 2021? | |
| Oder 2027? Und: Warum denn bitte DVDs, die ihre beste Zeit als | |
| Speichermedium locker zehn Jahre hinter sich haben? Warum nicht gleich | |
| 3,5-Zoll-Disketten, da würde der Stapel bestimmt über tausend Mal zum Mond | |
| reichen. Bei Telefonbüchern wäre er noch höher und wenn man erst mal | |
| Steintafeln mit Keilschrift … | |
| Wir tun uns schwer mit dem Virtuellen, mit der Nichtgreifbarkeit der Daten. | |
| Und wir tun uns schwer mit dem Verstehen großer Zahlen. Früher, als es noch | |
| nicht so viele Daten gab, wurden die Fassungsmengen von Disketten oder | |
| CD-ROMs in DIN-A4-Seiten angegeben. Die ergaben dann, aufeinandergestapelt | |
| oder aneinandergelegt, wahlweise die Höhe des Ulmer Münsters oder die | |
| Strecke von München bis Hamburg, sie reichten soundso oft um den Äquator | |
| oder eben bis zum Mond. | |
| Der Äquator ist dabei für Entfernungen, was das Saarland bei den Flächen | |
| ist: Keiner weiß so recht, wie viel es wirklich ist, aber es klingt gut. | |
| Wie extraunsinnig nun der Vergleich aus der SZ ist, zeigt sich daran, dass | |
| vermutlich niemand die einzelnen Bestandteile dieser Gleichung im Kopf hat. | |
| Testen Sie es selbst: Welche Dicke hat eine DVD? 1,2 Millimeter. Wie viel | |
| Daten passen auf eine DVD? Ein paar Gigabyte, exakter: 4,7. Wobei das nur | |
| für Single-Layer-DVDs gilt, Dual-Layer-DVDs haben 8,5 Gigabyte, theoretisch | |
| gehen sogar 17 Gigabyte auf eine Scheibe. Schließlich der Abstand zum Mond. | |
| 384.400 Kilometer heißt es gemeinhin – das ist aber nur ein Mittelwert. | |
| Tatsächlich schwankt die Entfernung zwischen 356.400 und 406.700 Kilometern | |
| und bis 2025 kommen 25 Zentimeter hinzu. | |
| Selbst wer das alles weiß, wird kaum mal eben im Kopf ausrechnen können, | |
| wie viele Daten sich daraus ergeben. Es geht nur darum, eine total | |
| beeindruckende Mengenangabe zu vermitteln – die tatsächliche Zahl ist so | |
| egal, dass sie im SZ-Text gar nicht erst genannt wird. Man kann sie | |
| allerdings ergoogeln, es sind 175 Zettabyte. Die [2][gleiche Studie] nennt | |
| für 2017 eine Datengesamtmenge von 33 Zettabyte, es werden 2025 also nur | |
| acht Mal mehr sein – aber das klingt halt nicht so gut wie die Nummer mit | |
| dem Mond. | |
| Wenn Datenmassenmetaphern aber ohnehin total willkürlich sind, dann könnten | |
| sie doch wenigstens kreativer sein. Würde man zum Beispiel die Daten aus | |
| dem Jahr 2025 als Kekse in Form von Nullen und Einsen nachbacken, würden | |
| sie die gesamte Sonne aufwiegen. Als Buchstabennudeln würden sie für eine | |
| Suppe reichen, die am jüngsten Tag sämtliche Menschen als leichte | |
| Zwischenmahlzeit vor dem jüngsten Gericht erquicken könnte. | |
| Würde man die Daten in Form von Rauchsignalen versenden, würde das Erdklima | |
| für zehn Jahre im Mittel um drei Grad sinken. Bliebe man bei den DVDs, | |
| könnte man Brennspiegel erstellen, die innerhalb einer Atomsekunde eine | |
| Fläche in der Größe des Saarlands wegschmort. Oder einfacher: Die | |
| Datenmenge aus dem Jahr 2025 würde für so viele Datenmengenvergleiche | |
| reichen, dass ein Vortrag derselben, von einer Sprachsoftware aus 1980 | |
| verlesen, das gesamte Pleistozän andauern würden. | |
| 4 Apr 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/g-auktion-1.4372334 | |
| [2] https://www.seagate.com/de/de/our-story/data-age-2025/ | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Brake | |
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