# taz.de -- Parteien in Sachsen-Anhalt: Der AfD-Fanclub in der CDU-Spitze | |
> Führende CDU-Politiker in Sachsen-Anhalt wollen eine Koalition mit der | |
> AfD vorbereiten. Sie könnten die Regierung mit SPD und Grünen sprengen. | |
Bild: Albtraum in Blau: Laterne in Ostdeutschland | |
DRESDEN taz | Plötzlich haben die bislang anonymen AfD-Freunde in der | |
CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt gleich drei Gesichter bekommen. Es | |
sind keine Hinterbänkler, sie sitzen in der ersten Reihe. Die | |
Unberechenbarkeit der CDU in der Kenia-Koalition mit SPD und Grünen – | |
insbesondere bei Personalentscheidungen – ist seit 2016 ein Thema. | |
„Spielchen“ nannte es Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), wenn ihm die | |
eigene Fraktion wieder einmal in den Rücken gefallen war. Nun bringt die | |
Mitteldeutsche Zeitung eine achtseitige Denkschrift ans Tageslicht, die | |
einer CDU-Koalition mit der AfD den Boden bereiten soll. Verfasser sind die | |
beiden Vize-Fraktionsvorsitzenden Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer. Auch | |
der parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze zählt zu den | |
Unterstützern. | |
Das Papier versteht sich als Reaktion auf die Niederlage bei der Kommunal- | |
und Europawahl vom 26.Mai. Die CDU habe Anhänger verprellt, indem sie | |
„multikulturellen Strömungen linker Parteien und Gruppen“ nicht ausreichend | |
entgegengetreten sei. Die Autoren wettern gegen „ungesteuerte Migration“, | |
die „Zunahme neuer brutaler Kriminalität“, gegen die Klimapolitik, den | |
Kohleausstieg und gegen die EU. „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit | |
dem Nationalen zu versöhnen“, zitiert die Zeitung. Folgerichtig rückt die | |
AfD als Partner ins Blickfeld, mit der man „eine Koalition jedenfalls nicht | |
ausschließen sollte“. Es gebe dort neben radikalen auch liberale Politiker. | |
Das Bündnis mit SPD und Grünen zerstöre hingegen „die Identität der | |
Partei“. | |
Schon am Donnerstagmorgen wies der [1][CDU-Landesvorsitzende und | |
Innenminister Holger Stahlknecht] das Ansinnen zurück. „Ich warne davor, | |
die CDU nach rechts zu verrücken“, trat er für verschiedene Strömungen | |
innerhalb der Union ein. Ministerpräsident Haseloff wiederholte seine | |
bekannte gleichlautende Position. Auch ein Echo aus Berlin ließ nicht lange | |
auf sich warten. Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte | |
Bündnisse mit der AfD stets abgelehnt. Der Bundesparteitag im Dezember 2018 | |
war ihr darin gefolgt. CDU-Generalsekretär Paul Zimiak bekräftige „für alle | |
noch einmal zum Mitschreiben“ ebenfalls die Ablehnung nicht nur von | |
Koalitionen, sondern von jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD. | |
Aus dem Nachbarland Sachsen, wo am 1.September gewählt wird, twitterte der | |
aus Chemnitz stammende Parlamentarische Innenstaatssekretär Marco | |
Wanderwitz (CDU): „Nicht alle Latten am Zaun!“ Hier hatte Ministerpräsident | |
Michael Kretschmer die AfD zum Hauptgegner erklärt. | |
## „Große Besorgnis“ | |
In Sachsen-Anhalt wird erst im Frühjahr 2021 ein neuer Landtag gewählt. Mit | |
Blick auf die Haltbarkeit der Kenia-Koalition in den ausstehenden knapp | |
zwei Jahren verlangten beide Partner klare Entscheidungen der Union. „Große | |
Besorgnis“ äußerte die SPD und erinnerte an Haseloffs Satz von der | |
„Koalition der Vernunft“. „Wenn es der CDU-Landesvorsitzende Holger | |
Stahlknecht nicht endlich schafft, eine Linie in seinen Laden zu bekommen | |
und alle in der CDU auf eine konstruktive Zusammenarbeit der Demokraten | |
einerseits und eine klare Abgrenzung von der AfD andererseits zu | |
verpflichten, dann wird es wirklich eng“, erklärte der Landesvorsitzende | |
Burkhard Lischka. „Wir messen die CDU an ihren Taten“, fügte die | |
Fraktionsvorsitzende Katja Pähle hinzu. | |
Fast wörtlich verlangte dieses Verhalten auch der Parlamentarische | |
Geschäftsführer der Grünen, Sebastian Striegel. „Die CDU im Landesverband | |
und in der Fraktion muss sich entscheiden, ob sie mit der AfD koalieren | |
oder mit denen weiterregieren will, mit denen sie einen Vertrag hat“, sagte | |
er der taz. Noch weiter gingen der Linken-Landesvorsitzende Andreas Höppner | |
und Fraktionschef Thomas Lippmann. Die CDU müsse für sich klären, ob sie | |
„weiter Teil des demokratischen Spektrums bleiben oder dieses durch den | |
Schulterschluss mit den Rechtsaußen verlassen will“. Die Koalition sei auch | |
als ein „Bollwerk von Demokraten gegen die AfD“ gebildet worden. Die | |
Linken-Politiker fragten auch nach der Verantwortung der CDU für das | |
Erstarken der extremen Rechten, wenn sie deren Parolen übernehme. | |
„Die CDU befindet sich im Selbstzerstörungmodus“, wird inoffiziell im | |
Magdeburger Landtag geraunt. Am selben Tag hatte sie auch den Rücktritt | |
ihres unter Druck geratenen Finanzministers André Schröder zu verkraften. | |
Noch am Donnerstagmittag tagte der Geschäftsführende Landesvorstand. Ohne | |
auf die Denkschrift einzugehen, wurde anschließend lediglich mitgeteilt, | |
dass die CDU ihr Profil schärfen wolle. „Eine institutionelle und | |
strategische Zusammenarbeit mit der AfD oder den Linken wird es nicht | |
geben“, heißt es ausweichend. Es bleibt der Umstand, dass Fraktionschef | |
Siegfried Borwardt allein neben drei AfD-Sympathisanten im | |
Fraktionsvorstand steht. | |
Ein möglicher Bruch der Kenia-Koalition zöge aber nicht automatisch | |
Neuwahlen nach sich. Die Landesverfassung hat die hohe Hürde der Zustimmung | |
von zwei Dritteln der Abgeordneten zu einer Selbstauflösung des Landtags | |
gesetzt. An Neuwahlen aber kann nicht einmal die AfD ein aktives Interesse | |
haben. In Sachsen-Anhalt ist bereits ein Entzauberungseffekt zu beobachten, | |
eine Wiederholung des Sensationserfolges von 2016 mit 24,3 Prozent der | |
Wählerstimmen erscheint derzeit unwahrscheinlich. Einziger Wahlgewinner | |
wären vermutlich die Grünen. | |
20 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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