# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Die längsten acht Sekunden | |
> Anfang Juli ist es wieder soweit: Im kanadischen Calgary findet die | |
> diesjährige Stampede statt, eine gigantische Show mit Zirkus, Rummel und | |
> Rodeo. | |
Bild: Das Ziel ist, möglichst lange im Sattel zu bleiben – in der Regel gewi… | |
Die große Parade eröffnet die zehn tollen Tage. Vorneweg reitet der | |
Bürgermeister von Calgary, gefolgt von einem bunten Zug aus 4.000 Menschen, | |
700 Pferden und diversen Fahrzeugen. Christliche Schulen, Cheerleader, | |
Freimaurer haben ihre eigenen Wagen, zu Dudelsackklängen marschieren die | |
Veteranen der Mounted Police auf. Besonders gefeiert von den 350.000 | |
Zuschauern am Straßenrand werden die Abgeordneten der First Nations in | |
ihrem Federschmuck. Immer wieder Märsche, Pfeifen, Trommelwirbel – und um | |
die Ecke biegt schon der Musikchor der Marine. Der Jubel steigert sich | |
ohrenbetäubend. Die Botschaft ist klar: „Calgary first! Canada on top!“ | |
Im September 1912 lud der Lassokünstler Guy Weadick zum ersten Mal Cowboys | |
in die aufstrebende Viehzüchterstadt Calgary ein. Für 20.000 Dollar | |
Preisgeld maßen sie ihre Kräfte beim Rodeo, dazu zogen farbenprächtige | |
Gruppen der First Nations durch die Straßen. Dass daraus einmal ein | |
Großereignis werden würde – Rummel und Sportveranstaltung zugleich, | |
Industrieschau und Showzirkus –, das hätte sich Weadick nicht träumen | |
lassen. | |
Am heftigsten schlägt das Herz der Calgary Stampede in der Arena: Tag für | |
Tag treten hier Planwagenfahrer, Stierringer und Reiter gegeneinander an. | |
Letztere müssen sich mindestens acht Sekunden auf einem wild bockenden | |
Pferd oder Bullen halten – die längsten acht Sekunden der Welt. Sie sind | |
Stars, ein großer von Rodeo zu Rodeo reisender Zirkus, an den während der | |
zehn Tage 2 Millionen Dollar an Preisgeldern ausgeschüttet werden. | |
Und sie verkörpern in den Augen der Kanadier die Eigenschaften, die den | |
weißen Siedlern das Überleben ermöglichten: Mut, Kraft, Zähigkeit, ein | |
gutes Auge und Entscheidungsfreude. Die berühmten rauen Kerle mit den | |
legendären goldenen Herzen riskieren hier ihre Knochen: „Es gibt eine Regel | |
hier“, sagt der Stadionsprecher, als wieder einmal einer der Jungs nach | |
knapp drei Sekunden vom Bullen gefallen ist. „Keiner geht hier raus mit | |
einem schlechten Gefühl. Beifall für den Mann!“ | |
Abends startet die große Show. Sie wird gigantisch – wie nicht anders zu | |
erwarten in der Stadt der Ölmilliarden. Flammen züngeln, Lassowerfer aus | |
China zeigen den Profis, was Sache ist, Motorradfahrer schlagen Saltos über | |
die Bühne. Immer wieder werden die großen Stars abgelöst von jungen Tänzern | |
und Sängern der „Young Canadians“ aus Calgary, die seit fast fünfzig Jahr… | |
fest zur Stampede gehören. Endlich gleitet ein goldener Adler über den | |
Nachthimmel, auf einem silbernen Truck schwebt ein Countrystar ein, und der | |
Himmel explodiert in einem exquisiten Feuerwerk. Wenn das Guy Weadick noch | |
erlebt hätte – er wäre glücklich gewesen, sagt man in Calgary. | |
[1][Calgary Stampede] 5. bis 14. Juli 2019 | |
30 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.calgarystampede.com/ | |
## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
## TAGS | |
Reiseland Kanada | |
Calgary | |
Stampede | |
Rodeo | |
First Nations | |
Ich meld mich | |
Kolumne Erste Frauen | |
Ich meld mich | |
Ich meld mich | |
Ich meld mich | |
Ich meld mich | |
Gabriel García Márquez | |
Tradition | |
Reiseland Mexiko | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Cowgirls im Rodeo: Der Sturz der Bonnie McCarroll | |
Das US-Cowgirl Bonnie McCarroll war eine Rodeo-Koryphäe. Nach ihrem Tod | |
waren Frauen in den 30er Jahren als Teilnehmerinnen fast überall | |
unerwünscht. | |
Waldbrände im Pantanal in Brasilien: Plaudernde Brüllaffen | |
Es lohnt sich in diesen Corona-Zeiten, seine Reisenotizen zu durchstöbern. | |
Dabei wird klar, dass so manch ein Naturparadies vermutlich keins mehr ist. | |
Reisen mit den Sinnen: Hefezopf und Frangipani | |
Gerüche sind die Schlüssel zu den Kästchen im Gehirn. Auf Reisen in ein | |
unbekanntes Land schnüffelt man deshalb am besten viel herum. | |
Reisen mit allen Sinnen: Dieses kehlige Glucksen! | |
Alphörner, Zikaden, murmelnde Mönche: Die Fremde verwöhnt uns Reisende mit | |
Geräuschen. Doch es gibt auch Misstöne auf Reisen. | |
Reisen in Schottland: Matt in den Highlands | |
Schottland: Fish and Chips, Whisky und ein einsamer Hof mit wortkargem | |
Gastgeber. Schachspielen konnte der allerdings. | |
Kolumne Ich meld mich: Wo Gabo seine Goldfische fand | |
In Kolumbien verstecken sich magische Orte, wie Aracataca und Mompox. Eine | |
Reise durch die Fantasie von Gabriel García Márquez. | |
Kolumne Ich meld mich: Ein Herz für Seelen | |
Echte Seelen gibt es nicht mehr nur im Allgäu und in Schwaben. Aber die | |
Seele hält sich gut gegen die industrielle Gleichmacherei. | |
Kolumne Ich meld mich: His Bobness auf Abwegen | |
Bob begleitet uns durch den Dschungel in Mexiko, zu überwucherten | |
Maya-Ruinen, die nur er kennt. Ein geführtes Abenteuer. |