| # taz.de -- Reisen in Schottland: Matt in den Highlands | |
| > Schottland: Fish and Chips, Whisky und ein einsamer Hof mit wortkargem | |
| > Gastgeber. Schachspielen konnte der allerdings. | |
| Bild: Schachmatt: Es ist bitter, wenn man immer nur verliert | |
| Sie macht es jetzt arg spannend, die nicht mehr ganz junge Deutsche, mit | |
| der ich vor der Kathedrale von Edinburgh ins Reden gekommen bin. Über das | |
| Reisen in Schottland haben wir geplaudert, haben uns Plätze mit explizit | |
| schönen Sonnenuntergängen empfohlen und Tipps ausgetauscht, wo man die | |
| besten Fish and Chips bekommt. Nun schiebt sie mir ein kleines Kärtchen zu, | |
| mit einer von Hand gezeichneten Wegbeschreibung darauf. „Eine Herberge bei | |
| einem Dorf hinter Inverness“, sagt sie. „Falls du Lust hast … – aber der | |
| nimmt nicht jeden.“ Und sie lächelt ein wenig geheimnisvoll und | |
| herablassend. | |
| Von der Bushaltestelle in dem Dorf hinter Inverness sind es gute zwanzig | |
| Minuten Fußmarsch. Dann stehen da zwei Häuser ganz allein, 300 Meter | |
| voneinander entfernt. „Der“ ist ein alter Mann mit wässrigen blauen Augen | |
| und struppigem weißem Haar. Seine ausgebeulten Breitcordhosen und der | |
| verfilzte, graue Pullover haben lange keine Waschmaschine mehr gesehen. Er | |
| lächelt nicht zur Begrüßung, sieht mich nur prüfend von oben bis unten an. | |
| Als ich nach einer Unterkunft frage, sagt er nur „over there“ und zeigt | |
| hinüber zum Nachbarhaus. Redet wohl nicht so gern, der Mann. | |
| Ich habe das kleine Bauernhaus mit der niedrigen, verräucherten Küche ganz | |
| für mich allein. Und ich beschließe, einen schottischen Abend zu feiern, | |
| auch ganz allein für mich. Als es dunkel wird und der Nebel grau ums Haus | |
| steigt, zünde ich im Ofen ein Feuer aus getrockneten Torfsoden an. Ich | |
| mache mir eine Dose Haggis warm, jene Art Eintopf aus Schafsleber und | |
| Schafsherz, über den man durchaus getrennter Meinung sein kann, der aber | |
| hier und jetzt einfach dazugehört. Genauso wie der Whisky, [1][weicher | |
| schottischer Whisky], mit einem Schneehuhn auf dem Etikett. | |
| Ich sitze am Feuer, nippe am Glas und lausche auf das Heulen des Windes. | |
| Plötzlich klopft es. Der Alte. Er hängt einen speckigen Dufflecoat an den | |
| Haken und stellt ein Holzkästchen auf den Tisch. „Play Chess?“ Mehr nicht. | |
| Die Antwort wartet er nicht ab, holt ein Schachbrett aus der Tischschublade | |
| und baut schon die Figuren auf. Den angebotenen Whisky nimmt er an. | |
| [2][Dann spielen wir Schach]. Trinken dabei. Reden nur das Allernötigste. | |
| Der Mann, so viel weiß ich ja nun schon, redet nicht gern. | |
| Ich verliere, der Mann gewinnt mühelos. Viermal hintereinander. Fast | |
| schweigend. Es ist halb zwölf Uhr nachts, als er die Figuren wieder | |
| einpackt, mir zunickt und geht. „Night“. Ich bleibe vier Tage. Ich sehe ihn | |
| nicht mehr bis zur Abreise. Als ich zahlen will, schüttelt er den Kopf. „No | |
| money, Sir.“ Dann gibt er mir ein kleines handgeschriebenes Kärtchen, eines | |
| von der Sorte, wie ich sie schon kenne. „If you should ever meet someone | |
| …“, sagt er. „Für den Fall, Sir, dass Sie einmal auf jemanden treffen | |
| sollten, der tatsächlich Schach spielen kann.“ | |
| 13 Oct 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franz Lerchenmüller | |
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