# taz.de -- Zehn Jahre Weltnaturerbe Wattenmeer: Serengeti mit Seehunden | |
> Die drei Wattenmeer-Nationalparks in der Nordsee sind Naturreichtümer von | |
> Weltrang. Probleme gibt es dennoch zuhauf. | |
Bild: Hat sehr vom Weltnaturerbe-Status profitiert: Das Wattenmeer, hier bei Sy… | |
HAMBURG taz | Von einer „Weltkarte der Naturreichtümer“ schwärmt | |
Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Ein Teil | |
des nördlichsten Bundeslandes wird jetzt in einem Atemzug genannt mit dem | |
Grand Canyon, der Serengeti oder dem Great Barrier Reef – das | |
[1][Wattenmeer an der Nordseeküste]. Die Auszeichnung mit dem Status eines | |
Weltnaturerbes durch die Unesco vor zehn Jahren habe eine neue Welle des | |
Interesses in der Welt ausgelöst. So hätten der Tourismus an der Westküste | |
und damit die ganze Region einen richtigen Schub bekommen, sagte Albrecht. | |
In der Region seien auch viele, die zunächst mit dem Nationalpark gehadert | |
hätten, mittlerweile überzeugte Anhänger dieses Projekts geworden. Die | |
Bewahrung der Artenvielfalt und der touristische Nutzen für die Region | |
würden dort eng miteinander verknüpft. „Dies geschieht dort vorbildlich in | |
einer seltenen Symbiose zwischen Tourismus und Naturschutz.“ | |
Auch Peter Südbeck spricht von einem „Glücksfall“. Dem Wattenmeer hätte | |
nichts Besseres passieren können als der Status des Weltnaturerbes, findet | |
der Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Das sei „etwas | |
ganz Besonderes“ gewesen, sagte er der Oldenburger Nordwest-Zeitung: „Es | |
war der Anstoß für ganz viele Maßnahmen in Naturschutz, Umweltbildung und | |
nachhaltigem Tourismus.“ | |
Etwa 500 Kilometer lang ist die Küste zwischen der dänischen Stadt Esbjerg | |
und Den Helder in den Niederlanden, knapp 12.000 Quadratmeter groß ist die | |
Fläche, die seit den 1980er-Jahren in mehreren Schritten unter Naturschutz | |
gestellt worden war; vor zehn Jahren wurden die ersten Areale als Naturerbe | |
der Menschheit ausgezeichnet, seit 2014 trägt das gesamte Wattenmeer diesen | |
Titel. | |
Und seit der Unterschutzstellung ist der Naturreichtum in der Tat | |
gewachsen. Rund zehn Millionen Wat- und Wasservögel rasten hier zwei Mal | |
jährlich auf ihren Zügen in und von den Brutgebieten, etwa eine Million von | |
ihnen ist an der Nordseeküste heimisch. Der Bestand an Seehunden stieg von | |
etwa 5.000 Mitte der 1970er-Jahre auf nunmehr etwa 40.000 Seehunde, aus | |
wenigen hundert Kegelrobben wurden rund 5.000, vor den nordfriesischen | |
Inseln Sylt und Amrum liegt in der Kinderstube der Schweinswale das einzige | |
heimische Walschutzgebiet. Es ist „einer der größten natürlichen | |
Lebensräume Westeuropas“, heißt es bei der Umweltstiftung WWF, aus deren | |
[2][Wattenmeerbüro] in Husum der schleswig-holsteinische Teil des Welterbes | |
gepflegt wird. | |
Auch die [3][Schutzstation Wattenmeer] ebenfalls in Husum weist auf vor | |
gravierende Probleme in dem Ökosystem hin. „Dieser einmalige Naturraum ist | |
in seiner Existenz gefährdet“, sagt Geschäftsführer Harald Förster. Durch | |
den Klimawandel drohen große Wattgebiete schon in wenigen Jahrzehnten | |
[4][mitsamt ihrer Tier- und Pflanzenwelt] für immer verschwunden zu sein, | |
wenn keine Trendwende erreicht wird. | |
Förster fordert schärfere Einschränkungen und Verbote für schädliche | |
Eingriffe in das Wattenmeer. Vor allem die Erdölförderung auf der | |
Bohrplattform Mittelplate nördlich der Elbmündung habe in einem | |
Welterbegebiet nichts zu suchen. Auch müsse die Einleitung von Pestiziden | |
aus der Landwirtschaft ins Wattenmeer gestoppt werden. | |
Und Manfred Knake vom [5][Ostfriesischen Wattenrat] kritisiert, dass der | |
Weltnaturerbestatus „als Werbe- und Vermarktungslabel der | |
Tourismuswirtschaft an der Küste missbraucht wird“. Millionenfache | |
Übernachtungszahlen in den Küstenbadeorten und auf den Inseln sei | |
nachteilig für Küstenvögel und andere Lebewesen. Ebenso würden die | |
Windparks an Land und auf dem Meer vor allem die Vögel gefährden, so der | |
Wattenrat. | |
Weitere Gefahren kämen aus Naturschutzsicht hinzu durch Ausbaggerungen, | |
Schifffahrt, Fischerei, Müll und Industrieanlagen. „Bei diesen Themen muss | |
immer wieder für die Erhaltung von Arten und Lebensräumen gestritten | |
werden“, betont der WWF. | |
Ende Mai warnten Umweltorganisationen das Unesco-Welterbekomitee, die | |
geplante Elbvertiefung könnte das Weltnarurerbe gefährden. Der grüne | |
Minister Albrecht sieht dafür jedoch bisher keine Anzeichen: „Wir haben | |
jedenfalls keine Erkenntnisse, dass dies so wäre.“ Niemand sei daran | |
interessiert, den Welterbe-Status infrage zu stellen. | |
24 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nationalpark-wattenmeer.de/sh/weltnaturerbe | |
[2] https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/wattenmeer/ | |
[3] https://www.schutzstation-wattenmeer.de/ | |
[4] https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/panorama/das-verschwinden-… | |
[5] https://www.wattenrat.de/ | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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