# taz.de -- Mieter-Initiativen vernetzen sich: Die Globalisierung lokaler Kämp… | |
> Mietaktivisten aus 20 europäischen Ländern treffen sich zum Austausch in | |
> Berlin. Ihre Forderung: Wohnen darf keine Ware sein. | |
Bild: Mieterhöhungen und Zwangsräumungen sind in vielen europäischen Städte… | |
BERLIN taz | Menschen aus Lissabon, Groningen, Cluj, Athen und London | |
stehen am Donnerstagmorgen auf einer Wiese vor dem Bethanien und | |
frühstücken. Sie sind gekommen, weil sie ein gemeinsames Problem haben: den | |
Mietenwahnsinn. | |
Sie sind Delegierte stadtpolitischer Gruppen und Teil des Netzwerks | |
„European Action Coalition for the Right of Housing and to the City“, das | |
sich am Wochenende in Berlin trifft. Der Grund für die internationale | |
Vernetzung ist simpel, gerät aber wegen des lokalen Charakters von | |
Mietprotesten oft in Vergessenheit: Die Probleme, mit denen sich viele | |
Mieter in Europa konfrontiert sehen – seien es Mieterhöhungen oder | |
Zwangsräumungen –, manifestieren sich zwar lokal. Viele Verursacher aber | |
agieren längst schon global: Finanzakteure, die Wohnungsmärkte als | |
profitables Anlagefeld entdeckt haben. | |
Weil die Aktivisten dieser Herausforderung ebenso international begegnen | |
wollten, gründeten sie 2013 die European Action Coalition beim Athener | |
Alternativgipfel „Alter Summit“ – also mitten in Krisenzeiten in der | |
Hauptstadt Griechenlands, die besonders unter europäischen Sparzwängen | |
leiden musste. | |
Im Netzwerk sind mittlerweile Gruppen aus 30 Städten und 20 europäischen | |
Ländern organisiert. Sie treffen sich halbjährlich, um über Erfahrungen und | |
Aktionsformen zu sprechen sowie kritische Forschung zu organisieren. | |
Jüngstes Resultat ist eine [1][Broschüre über die Finanzialisierung des | |
Wohnungsmarkts]. Darin findet man einfach aufbereitete wissenschaftliche | |
Inhalte über Investoren und deren Praktiken auf dem Wohnungsmarkt. Auch die | |
Forderungen des Netzwerks finden sich in der Schrift: Dekommodifizierung | |
von Wohnraum – konkret heißt das, dem Markt die Wohnungen zu entziehen. | |
Trotz dieser globalen Dimension der Wohnungsnot kämpfen die Aktivisten mit | |
unterschiedlichen lokalen und nationalen Problemen: Rita Silva, 43, von der | |
Lissaboner Initiative „Habita!“ sagt: „Dieses Netzwerk ist dafür da, um | |
einander zu stärken.“ Sie berichtet über Verdrängung in ärmeren | |
Randbezirken Lissabons und Steuervergünstigungen für ausländische | |
Immobilienkäufer. Tonia Katerini, 61, von „Stop Auctions“ aus Athen | |
erzählt, dass Griechenland Staatsbürgerschaften an Menschen vergebe, die zu | |
Spottpreisen Häuser kaufen. Aber nicht um dort zu wohnen, sondern zum | |
Vermieten – 2017 habe es 500 Airbnb-Wohnungen in Griechenland gegeben, | |
heute seien es 8.000. | |
Das internationale Netzwerk dient den Aktivisten nicht nur zum Austausch, | |
sondern bietet auch eine europäische Infrastruktur für Aktionen. Im Oktober | |
2014 rief das Netzwerk zum Protest gegen eine der weltweit größten | |
Immobilienmessen auf – die Mipim in London. Aktivisten blockierten den | |
Zugang der Westlondoner Ausstellungshalle Olympia, auch um gegen die | |
Branchenfreundlichkeit des damaligen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson | |
zu protestieren, der auf der Messe eine Rede hielt. | |
Dass die Mietenwahnsinn-Demo am 6. April nicht nur in Berlin, sondern in | |
vielen weiteren europäischen Städten stattgefunden hat, geht auch auf die | |
Vernetzung zurück. European Action Coalition organisierte zudem [2][die | |
London-Reise des Kollektivs der Neuköllner Szenekneipe Syndikat], die dort | |
den Eigentümer Pears Global konfrontieren wollten, weil der ihren Vertrag | |
nicht verlängert. | |
„Es ist ein guter Moment für ein Treffen in Berlin“, sagt Gastgeber Stefan | |
Romvári, 35, von der Solidarischen Aktion Neukölln – vor allem im Hinblick | |
auf die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Letztere wird nächste | |
Woche die Unterschriften für die erste Phase des Volksbegehrens abgeben. Am | |
Freitag treffen sich Organisatoren des Volksbegehrens mit den | |
internationalen Aktivisten. Und zumindest symbolisch unterschreiben wollen | |
auch die Nicht-Berliner Mietaktivisten. Schließlich können auch ungültige | |
Unterschriften großen Wert haben. | |
6 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rosalux.eu/fileadmin/user_upload/RLS_BRUSSELS_HOUSING.pdf | |
[2] /Syndikat-Aktivisten-in-London/!5556826/ | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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