# taz.de -- Episodenfilm „The Love Europe Project“: Von Helmut Kohl und Bie… | |
> Berichte über die Europawahl füllen zurzeit die Medien. Neun | |
> Regisseur*innen präsentieren im ZDF nun ihren fiktiven Beitrag über die | |
> EU. | |
Bild: In Kroatien genießt Anja (Zrinka Cvitješić) Zeit mit Tochter Mila (L… | |
„Gemeinsam erfolgreich in Europa“ – das war [1][der CDU-Slogan zur | |
Europawahl 2014]. Aber vermutlich verhält es sich damit wie mit Helmut | |
Kohls Weihnachtsansprache 1986/87: Man könnte einfach die vom letzten Mal | |
nochmal verwenden, und keiner würde es merken. Was der junge Alex (Gustav | |
Schmidt), ein offenbar typischer Vertreter seiner Generation, der den | |
ganzen Tag nur auf sein Smartphone starrt, von dem Slogan und der auf dem | |
Wahlplakat porträtierten Kanzlerin hält, macht er – eigentlich | |
unmissverständlich – deutlich: Er tritt im Vorbeigehen dagegen. | |
Sein Großväterchen (Alexander Kovalev), gerade erst aus Kasachstan | |
angekommen, braucht trotzdem eine Erklärung: „Alex, wozu hast du das | |
gemacht?“ Alex: „Weil das alles Vollidioten sind. Ich arbeite – und die | |
nehmen mein Geld für die ganzen Kanaken und Flüchtlinge, die | |
hierherkommen!“ | |
Das Großväterchen rückt das Plakat wieder gerade, dann gehen sie zusammen | |
in den Baumarkt. Zuvor, am Anfang hatte man gesehen, wie das Großväterchen | |
auf einer kasachischen Müllhalde Schrauben zusammensucht, um damit Dinge | |
wie ein uraltes Bügeleisen zu reparieren und damit seinen Lebensunterhalt | |
zu bestreiten. Nun steht der alte Mann also erstmals in seinem Leben in | |
einem deutschen Baumarkt, und im Angesicht der Fülle, des Überflusses: der | |
unzähligen Klodeckel, Kunststoff-Spreizdübel und der nagelneuen Schrauben | |
im Glanze ihrer Verzinkung – kommen ihm die Tränen. | |
Der wohlstandsverwahrloste Millenial-Enkel sieht die Tränen, und mit einem | |
Mal hat er verstanden – was der Regisseur des Zehnminüters, Alex Schaad, so | |
formuliert: „Der europäische Gedanke – das war einmal der Wunsch nach etwas | |
Notwendigem. Später wurde er zu etwas Nützlichem. Dann hat uns unser Luxus | |
verdorben, und jetzt sind wir so wahnsinnig, unser Erbe zu zerstören. | |
Vielleicht helfen uns die Blicke von außen, uns unserer Blindheit bewusst | |
zu werden.“ | |
## Zwei Filme: pro und contra Europa | |
„Part of the World“ ist die zweite Episode des Omnibusfilms „The Love | |
Europe Project“ (nicht zu verwechseln mit: „Europe, She Loves“ – den Fi… | |
gibt es auch). Es geht um: „Europas Vielfalt von neun jungen | |
Regisseur*innen.“ Ihre Filme lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen. Da | |
gibt es die arg didaktischen Plädoyers, die (wie „Part of the World“) von | |
so, nun ja, ergreifender Schlichtheit sind wie … Wahlkampfslogans | |
politischer Parteien. Auch der andere deutsche Beitrag, die Auftaktepisode | |
„Babylon“ (von Sebastian Stern) fällt in diese Kategorie. | |
Der „Eiserne Vorhang“ ist gerade erst gefallen, der Vater erzählt noch vom | |
„Ostblock“, und ein alter Griesgram – wie er auch in der fünften, | |
polnischen Episode noch auftauchen wird – warnt die dreiköpfige Familie vor | |
dem Sonntagsausflug in „die Tschechai“: „Passt bloß auf, dass euch nix | |
passiert!“ Aber der deutsche Junge und das tschechische Mädchen, das er | |
trifft, kennen keine Vorurteile und keine Ängste, sie verstehen sich, | |
beinahe wortlos. Sie: „Helmut Kohl. Matthäus. Klinsmann. Boris Becker. | |
Hitler.“ Er: „Martina Navratilova. Karel Gott.“ Dann singt sie „Biene | |
Maja“. | |
Interessant sind im Vergleich der beiden ersten Kurzfilme vor allem die | |
umgekehrten Rollen in Sachen „pro“ und „contra“ (Europa), wie sie Jung … | |
Alt jeweils zugedacht sind. „The Love Europe Project“ hat aber auch weniger | |
lehrfilmhaft-erbauliches im Sortiment. Ein norwegisches Ehepaar meint es | |
(in „Fun Factory“ von Lisa Brooke Hansen und Even Hafnor) nur gut, als es | |
sich in eine Diskussion zweier muslimischer Mütter mit einer – aus Litauen | |
stammenden – Kassiererin über den tatsächlichen Bacon-Gehalt von | |
Bacon-Chips einmischt. | |
Am Ende sieht es sich in eine Diskussion über die Rollenverteilung in der | |
eigenen Paarbeziehung verwickelt. Das ist so erhellend wie lustig – wie es | |
tragisch ist, wenn sich im kroatischen Beitrag („Like a Bird“ von Michaela | |
Kezele) eine junge Näherin in einer Fabrik aufopfert, sich entscheidet, dem | |
despotischen Chef Widerstand zu leisten: [2][Lars von Triers „Dancer in the | |
Dark“] als auf die Essenz reduzierter Kurzfilm. Zehn Minuten voller Kraft | |
und Poesie. | |
„Eine fiktionale Bereicherung neben der aktuellen Berichterstattung zur | |
Europawahl,“ sollte es laut Frank Zervos, Leiter der Hauptredaktion | |
Fernsehfilm/Serie I beim ZDF, werden. Einige, nicht alle Episoden in „The | |
Love Europe Project“ erweisen sich als weit besser – abstrakter als so ein | |
Versprechen erwarten lässt. | |
10 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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