# taz.de -- Film-Initiative über Video-on-Demand: „Europäischer Film hat ke… | |
> Nur ein Drittel der europäischen Filme wird außerhalb ihres | |
> Herkunftslandes gezeigt. Die Initiative „Walk this way“ will das ändern. | |
Bild: Soll einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden: europäischer … | |
taz: Frau Joly, Sie versuchen mit „Walk this way“ den europäischen Film | |
überall auf der Welt zu vermarkten – ist der europäische Film zu schlecht, | |
um das ohne ihre Hilfe auf die Reihe zu kriegen? | |
Muriel Joly: Nein, die Filme sind nicht schlecht, nur die aktuellen | |
Verbreitungsmodelle machen es [1][den europäischen Filmen] sehr schwer, | |
verbreitet zu werden. In Europa werden ungefähr 2.000 Filme pro Jahr | |
produziert, aber nur ein Drittel bekommt die Möglichkeit, außerhalb des | |
Herkunftslandes gesehen zu werden. Und „Walk this way“ bietet mithilfe der | |
digitalen Verbreitungswege eine Lösung für dieses Problem. | |
Was ist denn das Problem mit den aktuellen Verbreitungsmodellen? | |
Heute werden die Filme von Rechtehändlern Land für Land im Paket verkauft: | |
also für Kino, DVD, und Online. Und wenn die Rechte für einen Film in einem | |
Land keinen Abnehmer finden, ist es höchstwahrscheinlich, dass dieser Film | |
dort überhaupt nicht zu sehen sein wird – weder im Kino, noch auf DVD oder | |
[2][auf Video-on-Demand-Plattformen]. Niemand übernimmt nur die | |
Onlinerechte, denn es würde erst einmal Geld kosten, die Filme zu | |
untertiteln. Dabei bieten sich digital so viele Möglichkeiten: Ein Film | |
müsste nur untertitelt werden und könnte auf vielen Märkten laufen. Ein | |
günstiger und flexibler Weg der Verbreitung. Aber im Moment verhindert das | |
eben noch sehr oft der Verkauf der Rechte im Paket. | |
Und was machen Sie dann genau, wenn Sie einen Film verbreiten möchten? Wie | |
wählen Sie beispielsweise aus? | |
Ein Film, der von uns unterstützt wird, muss erst mal ein paar Kriterien | |
erfüllen: Die Filme müssen schon in mehrere Länder verkauft worden sein, um | |
sicherzustellen, dass sie ein Vermarktungspotenzial haben. Und die Rechte | |
müssen noch für mindestens fünf weitere europäischen Territorien verfügbar | |
sein. Dann sammeln wir die Filme, die diese Kriterien erfüllen – von den | |
Agenturen oder Produzenten. Wir schauen, ob die Märkte, für die diese Filme | |
noch zu haben sind, überhaupt eine relevante Masse an Nutzerinnen und | |
Nutzern von VoD-Plattformen haben. Wenn ein Film all das erfüllt, dann | |
nehmen wir ihn entweder in eine unserer Kollektionen auf – zum Beispiel in | |
eine Thriller-Sammlung oder eine Comedy-Kollektion – oder wir verbreiten | |
einen Film, von dem wir denken, dass er das Potenzial dazu hat, auch als | |
Premiumfilm ganz für sich allein. Am Ende dieses Prozesses haben wir ein | |
Line-up an Filmen – in diesem Jahr sind es 46 – und jeder dieser Filme wird | |
im Schnitt in zwölf Territorien dieser Welt veröffentlicht. | |
Wie helfen Sie konkret bei der Verbreitung? | |
Wir investieren in die Untertitel. Dieses Jahr haben wir 900 produziert. | |
Und für jeden Premiumfilm und jede Kollektion stecken wir noch Geld in eine | |
Marketingkampagne. Wir treten dann an die VoD-Plattformen mit unserem | |
Line-up heran. Denn sie sind die entscheidende Stufe in unserem | |
Vermarktungskonzept. Wir brauchen nämlich eine gute Sichtbarkeit in den | |
VoD-Stores. Diese Plattformen sind die globalen Anbieter wie Apples iTunes, | |
Google Play, Sony oder Microsoft oder die lokalen wie Sky in Großbritannien | |
oder Orange in Frankreich. Insgesamt präsentieren wir unsere Filme 20 | |
Plattformen. | |
Wie viel kosten denn die Filme dort? | |
Die Filme kosten zwischen 2,99 Euro, wenn man einen Film leiht, und können | |
bis 10,99 Euro kosten, wenn man einen Film kauft und herunterlädt. | |
Und was passiert mit den Gewinnen? Wer bekommt die? | |
Der Erlösanteil, der nicht bei den Plattformen bleibt, geht erst einmal an | |
uns. Wir behalten davon 25 Prozent und den Rest reichen wir an die | |
Rechteinhaber weiter. Aber um überhaupt erst mal in Untertitel und | |
Marketing investieren zu können, bekommen wir Hilfe von der Europäischen | |
Kommission. Denn im Moment investieren wir noch recht viel im Vergleich zu | |
den Einnahmen. Der Schlüssel zum Erfolg wird sein, jetzt zu lernen, wie wir | |
die verschiedenen Publika identifizieren und erreichen. Wenn wir das nicht | |
schaffen, ist es hoffnungslos. | |
Und über wie viel Geld reden wir? | |
Mit der französischen Komödie „Ange Et Gabrielle“, die seit letztem Jahr | |
online ist, haben wir bei 15.000 Transaktionen ungefähr 35.000 Euro | |
eingenommen. | |
Warum laufen die Filme nicht im Abo-Bereich von Amazon oder Netflix, wo sie | |
doch viel mehr Menschen erreichen würden? | |
Das ist wieder ein anderes Modell: Was im Abo-Bereich von Amazon oder | |
Netflix läuft, wofür man als Kunde also keine weiteren Kosten hat, | |
entscheiden die. Sie zahlen ja auch dafür und wollen die Filme häufig | |
exklusiv. Das ist bei den offeneren Plattformen wie iTunes oder Google Play | |
anders. Da können wir den Rechteinhabern garantieren, dass – wenn wir uns | |
ihres Films annehmen – die Filme auch dort laufen und wir überprüfen | |
können, wie häufig sie abgerufen werden. Das könnten wir bei den | |
Abo-Plattformen nicht. | |
Außerdem wären wir bei den Abo-Plattformen komplett abhängig von deren | |
Algorithmen, die Filme pushen oder untergehen lassen. Unser Marketing hätte | |
kaum Einfluss und wäre auch nicht messbar. Wir würden also all unsere | |
Kontrolle abgeben. | |
Hat der europäische Film ein Imageproblem? | |
Nein, das Problem ist, dass der europäische Film sehr divers ist – und | |
deshalb überhaupt kein Image hat. Es gibt keine paneuropäische Marke. | |
Anders als beispielsweise bei US-amerikanischen Filmen: Es gibt das | |
Hollywood-Blockbuster-Kino, die häufig sogenannten Independent- oder | |
Arthouse-Filme, die Oscars gewinnen – und sofort haben Menschen ein Bild | |
vor Augen, eine Erwartung. | |
Braucht es ein europäisches Netflix? Ein Gegengewicht, beispielsweise der | |
Öffentlich-Rechtlichen in Europa, gegen die großen Anbieter aus den USA? | |
Ich glaube nicht, dass eine rein europäische Plattform Erfolg haben wird. | |
Das wird niemals groß genug, um wirklich in einen Wettbewerb mit den Großen | |
einsteigen zu können. Es bräuchte ein riesiges Marketingbudget, große | |
Überzeugungskraft – und am Ende hätte man ein Angebot, das nicht das | |
Interesse des breiten Publikums spiegelt. Wenn wir mit iTunes oder Google | |
zusammenarbeiten, merken wir, dass sie sehr gewillt sind, europäische Filme | |
zu promoten. Ich denke, dass das bisher der bessere Weg ist: eine | |
internationale Plattform mit starker Präsenz von europäischen Filmen. | |
12 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Netflix-Serie-Dogs-of-Berlin/!5553999 | |
[2] /Netflix-und-seine-deutsche-Konkurrenz/!5553774 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
## TAGS | |
Film | |
Europa | |
Video-on-demand | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Netflix | |
Social Media | |
Filmrezension | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Episodenfilm „The Love Europe Project“: Von Helmut Kohl und Biene Maja | |
Berichte über die Europawahl füllen zurzeit die Medien. Neun | |
Regisseur*innen präsentieren im ZDF nun ihren fiktiven Beitrag über die EU. | |
Netflix und seine deutsche Konkurrenz: Fremde oder Freunde? | |
Seit Netflix auch in Deutschland sendet, stehen deutsche Programmanbieter | |
unter Druck. Mal kooperieren sie, mal reagieren sie gereizt. | |
Nicht-lineare Shows für Streamingportale: Eventfernsehen auf Abruf | |
Auch auf Streamingportalen werden bald Show- und Entertainmentformate zu | |
sehen sein. Nähern sie sich immer mehr den klassischen Sendern an? | |
Coming-of-Age-Film „Mellow Mud“: Mehr Kinovielfalt für Zuhause | |
Statt im Kino läuft der außergewöhnliche Film „Mellow Mud“ bei | |
verschiedenen Streaming-Diensten. Filme wie dieser brauchen aber mehr | |
Publicity. |