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# taz.de -- Kanzlerin auf Afrika-Tour: Wüstenwächter stehen nicht im Regen
> Angela Merkel besucht neben Burkina Faso und Mali auch Niger. Das Land
> ist Deutschlands Musterpartner bei der Abschottung der Grenzen.
Bild: Kanzlerin Angela Merkel empfängt Nigers Präsidenten Mahamadon Issoufou …
Berlin taz | Als Kanzlerin Angela Merkel das letzte Mal nach Niger reiste,
blieb sie nur wenige Stunden. Doch der Besuch im Oktober 2016 hatte es in
sich. Merkel drängte damals darauf, dass das Land die Route durch die
Sahara schließt. 330.000 Menschen zogen in jenem Jahr durch die Wüstenstadt
Agadez nach Libyen, viele wollten weiter nach Europa.
Bei ihrem am Donnerstag beginnenden Besuch bleibt die deutsche Kanzlerin
immerhin eine Nacht in Niamey. Präsident Mahamadou Issoufou hat sich als
einer der verlässlichsten strategischen Partner der EU in der Region
erwiesen. Niger gilt heute in Afrika als „bon élève“ der EU, was sich
wahlweise als „guter Schüler“ oder als „Lehrers Liebling“ übersetzen …
Und Merkels Besuch soll sicherstellen, dass das so bleibt.
Issoufou forderte von Merkel bei ihrem letzten Besuch eine Milliarde Euro
für seinen „Aktionsplan gegen die illegale Migration“. Nach ihrer Visite
machte er Ernst mit dem Migrationsstop. Armee und Polizei begannen ein
äußerst umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 2015 umzusetzen, das den Transport
von Ausländern aus Agadez in Richtung libyscher Grenze als „Schleusung“
einstuft – auch wenn sich die Menschen völlig legal in Niger aufhalten.
Fahrer wurden verhaftet, ihre Jeeps beschlagnahmt.
Die EU bewilligte genau die von Issoufou geforderte Milliarde ein Jahr
später bei einer Geberkonferenz in Paris. Die bis 2020 gestreckte Zuwendung
entspricht über 11 Prozent des jährlichen nigrischen Staatshaushalts. Kurz
danach hat sich das Land als weltweit einziges zur vorübergehenden Aufnahme
evakuierter Flüchtlinge aus Libyen bereit erklärt.
## Neue Grenzposten
Allein 241 Millionen Euro aus dem EU-Nothilfefonds für Afrika gegen
irreguläre Migration werden in Niger ausgegeben. Bei einem Besuch im Juli
2017 in Niamey übergab Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen
(CDU) 100 Pritschenwagen, 115 Motorräder und 55 Satellitentelefone an
Polizei und Armee. Mit europäischem Geld stattet die UN-Migrationsagentur
IOM das Land mit neuen Grenzposten aus, stellt IT für die Grenzpolizei
bereit und bildet diese aus.
Auch die staatliche deutsche Entwicklungsagentur GiZ hat in Niger neue
Grenzkontrollstellen errichtet. Die EU unterhält eine Beratungsmission
namens EUCAP Sahel zum Polizei- und Grenzschutzaufbau in Niger. Ein
grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei ist heute in Niamey
stationiert, zwei weitere Landespolizisten wurden für die EUCAP Sahel
Mission entsandt. Das Mandat dafür läuft noch bis 2020.
2018 schlug EUCAP Sahel dem Auswärtigen Amt den Aufbau einer mobilen
Grenzüberwachungseinheit in der Grenzregion zu Nigeria vor. Nigeria ist
eines der Haupt-Herkunftsländer für irreguläre Migration nach Europa.
Deutschland und die Niederlande sagten im November insgesamt zehn Millionen
Euro für die neue Grenzschutztruppe zu. Im März begann die Ausbildung von
263 der künftig insgesamt 500 Angehörigen der Einheit durch die EUCAP Sahel
Mission.
All das hat Folgen. Bei einem Besuch im Juli vergangenen Jahres lobte der
EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, Niger habe die Zahl der Menschen,
die auf dem Weg nach Europa durch das Land zieht „um 95 Prozent“ gegenüber
2016 gedrückt. 2017, im ersten Jahr der Grenzschutzoffensive, seien das
insgesamt 18.000 Menschen gewesen, in der ersten Hälfte 2018 rund 10.000.
## Richtiger Befund
Tatsächlich zählt die IOM, auf deren Angaben die Statistik zurück geht, nur
an einer Handvoll Straßenkreuzungen die Durchreisenden. Die meisten Fahrer
aber machen aus Angst vor Polizei und Militär heute einen großen Bogen um
diese Kreuzungen. Trotzdem stimmt der Befund. Viel weniger Menschen
schaffen heute den Weg durch die Sahara. Viele können sich die auf
umgerechnet rund 800 Euro verdreifachten Kosten für den illegalisierten
Transport nicht mehr leisten. Und viele, die zahlen können, sterben,
stranden in der Wüste bei dem Versuch, nicht von Polizei und Militär
entdeckt werden.
Im Januar sagte Alessandra Morelli, UNHCR-Missionschefin in Niger, sie gehe
davon aus, dass heute auf jeden Tod im Mittelmeer mindestens zwei Menschen
kommen, die „in diesem gnadenlosen Sandmeer unbekannt und anonym sterben.“
Issoufou indes wird an der Kooperation mit der EU festhalten – schon
deshalb, weil seine Regierung auf Hilfe im Kampf gegen dschihadistische
Gruppen angewiesen ist, die Niger heute praktisch aus allen vier
Himmelsrichtungen angreifen. 170.000 Menschen sind mittlerweile aus Mali in
Nigeria vor Islamisten nach Niger geflüchtet. Und ebenso viele Nigrer
mussten aus demselben Grund aus den Grenzregionen mit Burkina Faso und Mali
ins Binnenland fliehen.
2 May 2019
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
Niger
Mahamadon Issoufou
Migranten
Schwerpunkt Flucht
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Migration
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