# taz.de -- Solidarische Landwirtschaft: Aktien für die Agrarwende | |
> Die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg will mehr Biolandbau. Mit | |
> Bürgeraktien sollen Ökohöfe in der Region unterstützt werden. | |
Bild: Wollen nicht länger auf die Politik warten: Jochen Fritz (r.) und Timo K… | |
Jahrelang hat der Agraringenieur Jochen Fritz das Thema Agrarwende | |
politisch auf die Straße gebracht: als Organisator der Großdemonstration | |
„Wir haben es satt“, die jedes Jahr zur Lebensmittelmesse, der „Grünen | |
Woche“, mit ihrem [1][Protestzug] durchs Berliner Regierungsviertel der | |
Agrarindustrie einheizt. | |
Jetzt hat Fritz, der seit einigen Monaten „Nebenerwerbslandwirt“ im | |
brandenburgischen Werder ist, eine radikalere Idee: „Wir nehmen die | |
Agrarwende selbst in die Hand“, sagte er gestern in der Kreuzberger | |
Markthalle Neun, wo er zusammen mit Katharina Reuter, der Geschäftsführerin | |
des ökologischen Unternehmensverbandes „Unternehmensgrün“, die erste | |
Aktienausgabe der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg vorstellte. | |
Die Regionalwert AG ist ein neuer Ansatz der „solidarischen | |
Landwirtschaft“, der es um den Aufbau von festen Beziehungen zwischen | |
Agrarproduzenten auf dem Land und den Verbrauchern in der Stadt geht. Im | |
Unterschied zu üblichen Vertriebskooperationen stellt die Regionalwert AG | |
die Finanzierung von Ökohöfen in den Mittelpunkt – den Infrastrukturaufbau | |
einer [2][alternativen Landwirtschaft]. Damit biologisch angebaute Früchte | |
vom Land in die Städte gebracht werden können, braucht es zunächst einen | |
umgekehrten Geldfluss: von den Ballungsregionen in die Agrarperipherie. | |
Die Idee entstand vor einigen Jahren in Freiburg, und nach weiteren | |
Regionalwert-Aktiengesellschaften in Hamburg, München und im Rheinland ist | |
die 2018 gegründete Berlin-Brandenburger AG die erste ihrer Art in | |
Ostdeutschland. „Wenn ein Betrieb zum Beispiel ein neues Stallgebäude | |
errichten, ein Stück Land kaufen oder eine Käserei aufbauen will, stellt | |
die Regionalwert AG für die Investition Eigenkapital zur Verfügung und ist | |
an den erzielten Gewinnen aus der jeweiligen Bewirtschaftung beteiligt“, | |
erläuterte Fritz, der zusammen mit Timo Kaphengst den Vorstand der AG | |
bildet. | |
## Jede Aktien einen Euro | |
Um an das Geld zu kommen, startete gestern die Ausgabe von öffentlichen | |
Bürgeraktien, die bis zum September 1,5 Millionen Euro einbringen sollen. | |
Jede Aktie hat einen Nennwert von einem Euro. Gekauft werden können | |
mindestens 500 Aktien. Eine Einlage von 9.750 Euro ist die Obergrenze, um | |
eine möglichst breite Streuung zu erreichen. | |
Mit 300 bis 600 Aktienkäufern rechnet man in den nächsten Monaten. „Die | |
Bio-Aktionärinnen und -Aktionäre sorgen mit ihrem Aktienkauf für | |
[3][regionale Wertschöpfung] vom Acker bis zum Teller“, sagte Katharina | |
Reuter als Vorsitzende des Aufsichtsrats der Regionalwert AG | |
Berlin-Brandenburg. Konkret könnten die Aktionäre Arbeitsplätze in | |
Biobetrieben sichern und dafür sorgen, dass „zukünftig mehr Land ökologisch | |
bewirtschaftet wird“. | |
Fachlich betreut wird die Operation von der Berliner Umweltfinanz AG, die | |
sich auf ökologische Investitionen spezialisiert hat und selbst Mitglied | |
bei „Unternehmensgrün“ ist. Umweltfinanz-Vorstand Jörg Henning Frank hat | |
erlebt, wie in den letzten 20 Jahren viele Finanzierungen in | |
Umweltunternehmen geflossen sind und auf diese Weise auch die | |
[4][Energiewende] möglich gemacht haben. Frank: „Das ist auch im | |
Agrarbereich zu schaffen.“ | |
Die Regionalwert AG musste nicht völlig bei null anfangen, sondern entstand | |
durch die Umwandlung einer ähnlichen Aktiengesellschaft: der Apfeltraum AG | |
im ostbrandenburgischen Müncheberg. Deren Wurzeln reichen bis ins Jahr 2006 | |
zurück, als für notwendige Investitionen in den Ökohof Apfeltraum das | |
Aktienmodell kreiert wurde. So verfügte die Regionalwert AG bereits über | |
ein Grundkapital von 225.000 Euro. | |
15 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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