| # taz.de -- Ungewöhnliche deutsche Komödie: Sag „VPN-verschlüsselt“! | |
| > Ein Mann, eine Frau und die Costa Concordia: „Liebesfilm“ von Emma Rosa | |
| > Simon und Robert Bohrer ist ein wunderbar unstimmiges Ungetüm. | |
| Bild: Gegenseitiges Sofortverlieben in Aktion: Ira (Lana Cooper) und Lenz (Eric… | |
| Ein Liebesfilm, der sich im Titel schlicht „Liebesfilm“ nennt, hat etwas | |
| von anmaßender Bescheidenheit. So eine paradoxe Anlage passt zu der | |
| Geschichte, die Emma Rosa Simon und Robert Bohrer in ihrem gemeinsamen | |
| Spielfilmdebüt erzählen. Eine Liebesgeschichte, die ganz alltäglich von den | |
| – zum Teil durch bewusstseinserweiternde Mittel verstärkten – Höhen im | |
| Leben eines Paars erzählt. Die weniger glamourösen Momente hält die | |
| Geschichte dann aber ebenso fest, eben als das, was sie im Zweifel sind: | |
| wenig glamourös. Und dann noch einiges, das eigentlich gar nichts zur Sache | |
| tut, dem Film dann dafür allerdings seine ganz eigenen Qualitäten verleiht. | |
| Doch der Reihe nach. | |
| Lenz, von seinem Umfeld gern „Lenzi“ genannt, verkörpert den urtypischen | |
| 30-jährigen Berliner Slacker. Einer, der dem Konsum von Drogen und dem | |
| Flanieren durch Kreuzberg äußerst zugewandt ist, ansonsten aber Fragen wie | |
| Arbeit oder andere eher lästige Seiten des Alltags großherzig ignoriert. | |
| Eric Klotzsch gibt diesen Lenz als ausgewachsenes Kind, als jemanden, der | |
| mehr oder minder bewusst das Dauerlächeln als Haltung lebt, der das Leben | |
| uneingeschränkt bejaht, sofern es nichts mit Verantwortung zu tun hat. | |
| Auf einer Party trifft er Ira. Die auf den ersten Blick noch verpeilter | |
| wirkt als Lenz, sich aber immerhin beruflich als IT-Expertin in | |
| Krisengebieten behauptet. Charakterlich etwas labil – ihr Name bedeutet im | |
| Lateinischen Zorn –, aber vielleicht gerade dadurch bestens kompatibel mit | |
| Lenz. Gegenseitiges Sofortverlieben ist die Folge. Lana Cooper verleiht | |
| ihrer Ira die unberechenbare Impulsivität einer Zeitbombe. Und die wildeste | |
| Zärtlichkeit, die man von einem Computernerd überhaupt erwarten kann. Aus | |
| ihrem Mund klingen die Worte „VPN-verschlüsselt“ wie eine poetische | |
| Koseformel. Für Lenz jedenfalls. | |
| „Liebesfilm“ ist für Emma Rosa Simon und Robert Bohrer ihr Abschlussfilm an | |
| der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, an der beide studiert | |
| haben. Inzwischen arbeiten sie nicht nur zusammen, sondern sind auch privat | |
| ein Paar. Das Drehbuch haben sie ebenfalls gemeinsam geschrieben. Es soll | |
| unter anderem von autobiografischen Dingen aus ihrem Leben erzählen. | |
| Statt eines netten Berliner Beziehungsfilms ist den beiden zum Glück ein | |
| wunderbar unstimmiges Ungetüm von einem Film gelungen. In dem die Dynamik | |
| des Paars Ira-Lenz durch das so direkte wie spontane Spiel von Cooper und | |
| Klotzsch mitunter auf absurd komische Weise greifbar wird. Selbst in den | |
| Augenblicken, in denen es nicht lustig zugeht. Und in dem zugleich die | |
| Tagträume von Lenz immer wieder für surreale Bilder sorgen. So sieht er | |
| nach dem Untergang des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia dieses plötzlich | |
| mit heftigster Breitseite in der Spree liegen. Und dessen wenig | |
| heldenhafter Kapitän erscheint ihm zu Hause im Klo, um den | |
| entscheidungsschwachen Lenz in Fragen des Umgangs mit Frauen zu beraten. | |
| Auch andere Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte wie die Jagd auf Osama | |
| bin Laden oder das Verschwinden des Flugs MH370 der Malaysia Airlines | |
| verarbeiten Simon und Bohrer in ihrem „Liebesfilm“, der über weite Strecken | |
| eine Liebeskomödie geworden ist, doch keine, wie man sie im deutschen Kino | |
| erwarten würde. Eine mit präzise hingespuckten Dialogen („Ich will nicht!“ | |
| – „Wollen ist voll Neunziger.“). Und mit kongenial gegen die Stimmungen | |
| gesetzter Musik von Daniel Glatzel, der ansonsten mit Projekten wie dem | |
| Andromeda Mega Express Orchestra die Pluralität von Stilen als komisches | |
| Prinzip erforscht. Drunter geht es sowieso nicht. Ein bescheiden anmaßender | |
| Film eben. | |
| 4 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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