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# taz.de -- Spielfilm über Laurel und Hardy: Stan und Ollie mochten sich nicht
> In seinem Spielfilm erzählt Jon Baird die Geschichte der Schauspieler von
> „Dick und Doof“. Und zeigt: Lustig war das Leben der Komiker nicht.
Bild: Vor der Kamera das perfekte Duo, privat auf Distanz: Coogan und Relly als…
Wo gibt es heute noch Komiker mit einer solchen Langzeitwirkung? Stan
Laurel und Oliver Hardy wurden 1890 beziehungsweise 1892 geboren, haben
ihre Filmchen und Filme von 1917 bis in die frühen 50er gedreht, sind 1965
beziehungsweise 1957 schon verstorben – und haben noch die Kindheiten der
70er und 80er Jahre geprägt.
„Dick & Doof“ jedenfalls gehörte lange zum Standardprogramm eines Samstag-
oder Sonntagmorgens. Sketche wie der, in dem die beiden das Klavier die
endlose Treppe hochziehen und es dann wieder herunterrutscht, haben sich
als eine Art Grundgrammatik der Komik eingegraben. Und auch wenn dieses
„Dick und Doof“ heute in gleich mehrfacher Hinsicht unkorrekt in den Ohren
pfeift, der deutsche Titel besaß zumal für Kinder eine ganz eigene
Anziehungskraft, die das „korrekte“ Original „Laurel und Hardy“ weit
überbot.
Dass „Dick & Doof“ dabei nur die halbe Wahrheit dieses Komiker-Duos traf,
durchschaute man auch schon im Vorschulalter. Es reicht schließlich eine
Szene, um zu merken, dass Stan, so ungeschickt er auch agiert und so
schelmisch er auch grinst, alles andere als „doof“ ist. Genauso klar
ersichtlich war, dass Ollie nicht auf seinen umfangreichen Bauch und sein
schwingendes Doppelkinn zu reduzieren ist – nicht nur, dass er erstaunlich
graziös tanzen kann, er ist auch das Paradebeispiel eines Mannes, der alles
zwar immer besser weiß, aber von diesem Besserwissen nie zu profitieren
weiß.
Und noch etwas anderes spürte man schon als Kind: dass nämlich der dicke
„Bully“, der den grinsenden dünnen Mann so gern herumkommandiert, in
Wahrheit gar nicht der Dominierende ist. Sondern dass im Gegenteil der
Dünne den Dicken ein ums andere Mal provoziert, piesackt, heute würde man
sagen: trollt.
## Laurel und Hardy mochten sich nicht
Wie packt man so etwas in ein Biopic? „Stan & Ollie“ beginnt mit einem
geradezu klassischen Film-übers-Filmemachen-Auftakt: Eine Kamera folgt Stan
Laurel und Oliver Hardy auf ihrem Weg über das Studiogelände zum Dreh von
„Dick und Doof im Wilden Westen“ („Way Out West“). Man schreibt das Jahr
1937; die beiden sind im Zenit ihrer Karriere. Dennoch beklagt sich Hardy
(John C. Reilly im Fatsuit) bei Laurel (Steve Coogan) darüber, nicht genug
Geld zu haben. Laurel will neu verhandeln und vielleicht sogar das Studio
wechseln, Hardy wäre schon mit etwas mehr Gehalt zufrieden.
Die merkwürdige Dynamik ihrer Beziehung zeichnet sich in dieser ersten
Szene schon ab: Der zur Giftigkeit neigende dünne Brite und sein
gutmütiges, leicht depressives amerikanisches Gegenüber. Der Filmproduzent
und Regisseur Hal Roach hatte sie Ende der 10er Jahre zusammengebracht. In
all der Zeit aber sind sie keine echten Freunde geworden. Sie sind
Geschäftspartner, die zwar wohl wissen, was sie aneinander haben, die genau
diese Abhängigkeit aber auch als fesselnde Belastung erleben.
Fast reflexhaft erwartet man von einem Film über Komiker, dass er witzig
sei. Aber das Beste an „Stan & Ollie“ ist gerade, dass er weniger ein
Porträt zweier Komödianten als vielmehr eine melancholische Skizze ihrer
oft bizarren Beziehung ist. Das Drehbuch von Jeff Pope lässt den Großteil
der biografischen Daten aus und konzentriert sich dafür ganz auf die
Dynamik zwischen den Männern, die vor der Kamera so sagenhaft harmonierten,
aber im privaten Umgang Mühe hatten, höflich zueinander zu sein.
Nach der ersten Szene, die den Gang übers Studiogelände in einer
Einstellung zeigt und zugleich als Hommage an „Old Hollywood“ funktioniert,
springt der Film ins Jahr 1952 nach England. Laurels und Hardys Karrieren
befinden sich im Niedergang; ihre Soloauftritte blieben ohne Erfolg. Nun
versuchen sie mit einer Live-Comedy-Tour wenigstens so viel Aufmerksamkeit
zu erregen, dass der englische Produzent, mit dem Laurel in Verhandlung
steht, endlich ihr „Robin Hood“-Filmprojekt zusagt. Die Säle sind halb
leer, die Unterkünfte, die man für sie gebucht hat, haben nicht mehr den
Glanz von einst, aber vor allem läuft es zwischen ihnen nicht mehr so gut.
Unter dem Mantel der Professionalität eitern alte Kränkungen vor sich hin.
## Die Ehefrauen waren das eigentliche Komikerduo
Das alles wird wunderbar sichtbar, weil John C. Reilly und Steve Coogan mit
einer Empfindsamkeit und zugleich einem Eifer in ihre Rollen als Hardy und
Laurel schlüpfen, die eine tiefe Zuneigung für die großen Vorbilder verrät.
Wenn sie die bekannten Nummern eins zu eins in Szene setzen, tun sie es
nicht, um Lachen zu provozieren, sondern um sich vor den großartigen
Techniken der Idole zu verneigen: der indignierte Blick, den Ollie wieder
und wieder auf Stan warf und in dem sich ein ganzes Lebensgefühl
ausdrückte; die überraschende Gewitztheit, mit der Stan, wenn er das von
Ollie verschmähte gekochte Ei isst, den Salzstreuer aus dem Jackett zaubert
… Jedes Detail ist wichtig, jede Geste muss stimmen und vor allem perfekt
im Timing liegen.
Unter der Last der Verehrung ist aus „Stan & Ollie“ zwischendurch ein
vielleicht allzu wehmütiger Film geworden, was die einfallslos
illustrierende Filmmusik unnötig unterstreicht. Mit ihrem feinen Spiel
arbeiten Reilly und Coogan immer wieder dagegen an, in dem sie die
Klischees über ihre Figuren widerlegen: Laurel war vielleicht der
Schlauere, der Aktivere, der den Partner mit seiner Pedanterie quälte, und
Hardy der konfliktscheue Verdränger, dem der Stress nicht bekam. Aber als
Hardy in seinem Krankenhausbett friert, legt sich Laurel ohne langes Zögern
zum Aufwärmen zu ihm. „Ich werde uns vermissen“, sagt Hardy irgendwann. Und
bekommt die sibyllinische Antwort: „Du auch.“
Als Kind vor Glotze konnte man sich einst gar nicht vorstellen, dass die
beiden Männer privat verheiratet waren, und das auch noch mit erwachsenen
Frauen. Wenn im Film schließlich in Gestalt der zierlichen Lucille (Shirley
Henderson) und der energischen Ida (Nina Arianda) die Ehefrauen nach
England kommen, bekommt das Geschehen einen ganz neuen Drive. Auch diese
beiden waren ein Gegensatzpaar: Mausig und mauerblümchenhaft die eine,
glamourös und schlagfertig die andere, verkörpern Henderson und Arianda sie
als verhindertes, eigentliches Komikerduo. In ihren Szenen lacht es sich
unbeschwerter als in dem von Altersmelancholie gezeichneten Schlagabtausch
ihrer Männer.
Das mit viel Liebe zum widersprüchlichen Detail geschriebene Drehbuch reibt
sich immer wieder an der Konventionalität der Inszenierung – und dennoch
fühlt man sich hinterher regelrecht bereichert. Einerseits tut das
Wiedersehen mit den Helden der Kindheit einfach gut. Andererseits darf man
sie hier ein Stück weit durchschauen. Vor allem aber bietet „Stan & Ollie“
die Möglichkeit, eine Art Abschied zu nehmen von zwei Figuren, die einem
bereits ein Leben lang Freude bereitet haben.
8 May 2019
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Komiker
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Komödie
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