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# taz.de -- Kolumne Blind mit Kind: Das Bilderbuch-Problem
> Meine Schrift, deine Schrift. Was die blinde Mutter vorliest, mag die
> sehende Tochter nicht immer hören. Bücher für beide gibt es kaum.
Bild: Immer noch frisst sich die mittlerweile langweilige „Raupe Nimmersatt�…
Mama Muh feiert Weihnachten“, und das bei uns zu Hause, jeden zweiten
Abend, seit knapp anderthalb Jahren. Zwischendurch frisst sich die
mittlerweile langweilige „Raupe Nimmersatt“ durch gut tastbare Leckereien.
„Henriette Bimmelbahn“ begleiten wir nur noch notgedrungen und im Eiltempo
auf ihrer Fahrt durch ein (mit Bildbeschreibungen versehenes) Bilderbuch.
Langweilig – das kennen wir und unsere 4-jährige Tochter schon alles! Also
ab in den Laden und neue Lektüre besorgen? Gute Idee, aber für mich nicht
leicht umzusetzen: Verglichen mit ihren „normalen“ Schwarzschriftpendants
sind Bilderbücher mit „Mamas Schrift“, also Braille, Raritäten, die ihren
Preis haben.
Taktile Bilderbücher gibt es – in erheblich geringerer Vielfalt als in
Schwarzschrift – aber sie sind ihrer Natur nach Bücher für blinde Kinder.
Das heißt sie bergen zwei Nachteile für blinde Eltern.
## Schön, bunt, taktil – und teuer
Erstens: Sie haben aus gegebenem Anlass keine schönen, bunten Bilder und
sind daher für sehende Kinder nicht ganz der Hit. Zweitens: Weil sie sich
an Leseanfänger*innen richten, sind sie in der Braille-Vollschrift
geschrieben und rauben geübten Kurzschriftleser*innen gern mal den letzten
Nerv. In der Vollschrift wird das Schwarzschriftalphabet nämlich im
Wesentlichen Zeichen für Zeichen umgesetzt, in der Kurzschrift werden
gängige Wörter, Silben oder Wortstämme effektiv gekürzt, Letzteres spart
nicht nur Platz, sondern hat auch deutlichen Einfluss auf die Tast- und
damit Lesegeschwindigkeit!
Eine erlesene Auswahl inklusiver Kinderbücher, die Problem Nummer eins
lösen, gibt es online zu erwerben: schöne, bunte, taktile Bilder mit Text
in Punkt- und Schwarzschrift – für 60 Euro aufwärts (und das ist übrigens
auch schon gleich Problem Nummer drei). Um Problem zwei kümmert sich gerade
ein Projekt extra für blinde Eltern und erstellt Kurzschriftumsetzungen und
Bildbeschreibungen „normaler“ Kinderbücher. Also heißt es für mich: auf
neue Modelle warten – und Geld sparen!
Mich macht das wehmütig – Lesen war immer mein größtes Hobby. Ich möchte
meiner Tochter alles vorlesen. Sie nimmt derweil einfach, was sie kriegen
kann, lässt sich gern Geschichten erzählen und alles, was Mama nicht lesen
kann, eben von Oma vortragen. Für die Problematik sensibilisiert ist sie
durchaus: Wenn sie „meine Schrift“ auf Medikamentenpackungen oder am
Fahrstuhl entdeckt, ist sie hellauf begeistert und lässt mich alles
vorlesen.
Ob sie die Punkte auch mal lernen will? „Nein, ich habe ja meine Schrift!“,
sagt sie, und es klingt, als wäre es irgendwie cool, wenn jeder „seine
Schrift“ hätte. Bis sie ihre allerdings beherrscht, werden uns „Pupsi und
Stinki“ und die japanischen Märchen, die mir meine Freundin – ihres
Zeichens Blindenpädagogin – gerade erst umgesetzt hat, noch eine Weile
begleiten.
27 Apr 2019
## AUTOREN
Hannah Reuter
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