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# taz.de -- Kolumne Blind mit Kind: Das Geduldsspiel als Dorn im Fuß
> Puzzlen trainiert die Feinmotorik, das Vorstellungsvermögen und
> Problemlösungsdenken. Schön für Sehende – für Blinde eher nicht.
Bild: Dieses Puzzle mag auch für Blinde noch gut machbar sein – andere sind …
Beim ersten Schritt ins Kinderzimmer rutsche ich auf Puzzleteilen aus. Als
Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeit stehen Puzzle hoch in meiner Gunst –
sie trainieren gleichermaßen Feinmotorik, Vorstellungsvermögen und
Kurzzeitgedächtnis, regen das Problemlösungsdenken und, und, und. Verstreut
auf dem Boden sind sie mir trotzdem ein Dorn im Fuß. „Bitte zusammenlegen
und wegpacken!“, sage ich. „Kann ich nicht, zu schwer!“, protestiert meine
Tochter. Und dann kommt, was kommen muss: „Mama, du musst helfen!“
Puzzles sind per Definition „mechanische Geduldsspiele“ – das trifft für
Blinde ganz besonders zu. Mein heutiger Gegner ist die Raupe Nimmersatt,
die in vier Schichten ihre Entwicklung vom Ei im Mondschein bis hin zum
wunderschönen Schmetterling vollzieht.
Für mich sind es einfach nur Holzteile verschiedenster Formen, die man so
lange drehen, wenden und kombinieren muss, bis sie alle zusammen wieder in
ihren Holzrahmen passen – in diesem Fall besonders tricky, weil man nur
anhand der Teilgröße und der unterschiedlich geschwungenen Ränder ahnen
kann, welches Teil auf welche Ebene gehört. Gut, dass der Sonntag verregnet
ist und der Terminplan leer.
Drei Minuten puzzlen wir gemeinsam. Dann hat meine Tochter keine Lust mehr.
Meine exklusive Möglichkeit, empirisch zu überprüfen, ob Puzzlen
tatsächlich auch gut für Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz ist.
## Pferdehufe auf Baumkronen
Der Beginn unserer Puzzle-Karriere war harmlos: wenige Teile, gut tastbare
Formen in Holzrahmen. Hier acht Dschungeltiere, da eine fünfteilige Lok.
Ich konnte helfen! Schön bebilderte Papp-Exemplare, deren Teile alle
ähnlich sind, stellen eine ganz andere Herausforderung dar, zumal sie sich
schnell abnutzen und dann gar nicht mehr gut fühlbar sind.
Dann fügt Mama schon mal Pferdehufe an die Baumkrone. Und das ist auf jeden
Fall einen Lacher wert! Beim rahmenlosen Riesen-Tier-Puzzle bin ich für das
Vorsortieren zuständig: Eselteile auf den einen, Schweinchenteile auf den
nächsten Haufen. Ich sortiere, sie setzt zusammen. Wie das geht? [1][Dank
Farberkennungsgerät!]
Meine Tochter ist eine gute Puzzlerin und jetzt schon sehr stolz darauf,
dass sie das besser kann als ich. Bald schon wird ihr dieser Triumph
angesichts der ungleichen Grundvoraussetzungen zwar nichts mehr wert sein,
aber dafür wird sie mich sicher auch nicht mehr als Unterstützung brauchen.
Wieder ein „Problem“, das sich in Wohlgefallen auflöst.
Im Angesicht der Raupe Nimmersatt hilft mir diese Aussicht noch wenig. Dass
Puzzlen auch Glückshormone im Körper freisetzt, kann ich nicht bestätigen.
In einen kreativen und meditativen Zustand versetzt es aber schon, und wenn
es dann wirklich noch das Risiko auf Demenz und Alzheimer reduziert …! Auf
jeden Fall bin ich am Ende mindestens genauso stolz auf meinen Erfolg wie
all die vierjährigen Kinder, für die das Puzzle konzipiert ist.
20 Feb 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Hannah Reuter
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