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# taz.de -- Kolumne Blind mit Kind: Bällebad und vollstes Vertrauen
> Laute Spielplätze können für blinde Eltern eine Herausforderung sein.
> Doch Vertrauen hilft – und Vorsicht vor tiefhängenden Balken.
Bild: Beim Bällebad gibt die Autorin vorübergehend gerne die Restverantwortun…
„Mama!“ – War das meine Tochter? Tausend Kinderstimmchen erfüllen die al…
Fabrikhalle. Rennen, Rasseln, Rumpeln. Wer eine akustische Herausforderung
sucht, ist in einem Indoor-Spielplatz goldrichtig. Mir bleibt zur
Orientierung der Stock – meinem tierischen Hilfsmittel mag ich diese
Soundkulisse nicht zumuten.
Ich bin eine passable Stockgängerin und prinzipiell unerschrocken, aber
hier ist die Vorsicht mein ständiger Begleiter: Wie viele ungestüme
Kleinkinder werde ich beim Erkunden der Spielgeräte zur Seite fegen, wer
wird mir als Nächstes in den Weg rutschen, und was macht meine Tochter
inzwischen?
Wir haben gemeinsam jede Menge Spielplätze erkundet. Lange forderte sie
meinen ständigen Geleitschutz ein – über jede Wackelbrücke, Klettergerüste
hoch und runter und ab durch die Röhren rutschen. Gerade auf noch
unbekanntem Terrain war das eine spannende Tasterfahrung für mich. (Auf den
einen oder anderen niedrigen Balken hätte ich dabei verzichten können).
Als meine [1][Tochter größer wurde] und meine Hand losließ, waren wir schon
ein gutes Team. Ich weiß, dass sie Bescheid gibt, wenn sie mich braucht,
und sie weiß, dass ich auf Abruf bereitstehe, um sie doch mal hochzuheben
oder festzuhalten. Allerdings setzt eben jeder erfolgreiche Abruf voraus,
dass man ihn auch hören kann.
## Das Kind wird schon wiederkommen
Ich stoße mit dem Stock gegen ein Spielgerät, ertaste mit der Hand
Leitersprossen, einen bespannten Metallrahmen und ein Sprungtuch. Aha, ein
Trampolin, auf dem meine Tochter gut fühlbar herumhopst: „Mama, komm
endlich!“ Wir hüpfen eine Weile gemeinsam. Danach zieht sie mich hinter
sich her zu einem monströsen Kletterstangengebilde. Beim Versuch, mich
durch den Eingang zu quetschen, trifft mich ein Plastikbällchen. Bällebad
voraus?
Ich schreie meiner Tochter zu, dass ich leider nicht mitkommen könne, und
sie informiert mich von irgendwo über mir, dass sie jetzt rutschen gehe.
Schnell noch dem Kind hinter mir erklären, warum ich diesen langen Stock
mit mir führe – und dann raus hier! Mein Kind wird schon wiederkommen.
Ohne Vertrauen geht es nicht. Vertrauen in die Fähigkeiten meiner Tochter,
Herausforderungen selbst zu meistern, Vertrauen darauf, dass sie
Rückmeldung über ihren Aufenthaltsort gibt, und Vertrauen darauf, dass sie
bei Bedarf zu mir zurückkommt oder mich ruft. Ja, da ist ein Rest dieser
Angst, dass etwas passieren könnte, aber von der müssen sich letztlich auch
sehende Eltern freimachen, um ihre Kinder nicht einzuengen. Blinde machen
sich als Helikoptereltern jedenfalls final lächerlich.
Bleibt das Problem mit der Akustik. Hier zwischen Bällebad und Hüpfburg
gebe ich meine Restverantwortung vorübergehend gerne an meinen Schwager ab
und trinke in der ruhigsten Ecke einen Kaffee auf all das, was mir die
Spielplätze dieser Welt beschert haben: einen besseren Orientierungssinn,
Abenteuerlust, Mut zur Lücke und mehr (Selbst-)Vertrauen.
10 Jan 2019
## LINKS
[1] /Kolumne-Blind-mit-Kind/!5546560
## AUTOREN
Hannah Reuter
## TAGS
Blind mit Kind
Helikoptereltern
Spielplatz
Inklusion
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Jugendamt
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