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# taz.de -- Kolumne Blind mit Kind: Sie sieht was, was ich nie seh'
> Viele bekannte Kinderspiele sind nicht barrierefrei. Unsere Autorin
> spielt trotzdem mit ihrer Tochter „Ich sehe was, was du nicht siehst“.
Bild: Viele Kinderspiele stellen nicht gerade Chancengleichheit her. Spaß mach…
Es gibt diese Spiele, die alle kennen, die alle mit ihren Eltern gespielt
haben – und jetzt vielleicht mit ihren Kindern spielen. Wir spielen sie
auch mit unserer Tochter, aber nicht selten mit eindeutigem Handicap und
erfrischendem Lacher auf unserer Seite.
„Ich sehe was, was du nicht siehst – und das ist rot!“, verkündet unsere
Tochter. „Das stimmt zweifelsohne“, sage ich, während der Mann auf dem Sitz
gegenüber sich lautstark räuspert. „Dein Kleid?“, rät mein Mann unbeirrt.
Der Arme ist eindeutig im Nachteil, weil er die Farben unserer
Kleidungsstücke nicht so aus dem FF kennt wie ich. Aber auch für mich ist
es nicht ganz ohne, zu überlegen, was a) eigentlich überhaupt so um uns
herum sein könnte und b) dann auch noch die richtige Farbe zu wissen. In
der fremden Umgebung einer Ferienwohnung, draußen auf der Straße oder hier
im überfüllten U-Bahn-Waggon haben wir quasi schon verloren. Unsere Tochter
stört herzlich wenig, dass ein Teil der guten alten Kinderspiele einfach
nicht barrierefrei ist. Hauptsache spielen!
Das sehe ich nach anfänglicher Überwindung auch so und verstecke mich auf
dem Weg zur Kita tapfer hinter jedem Baum, der mir vor den Stock gerät,
während sie unbeholfen, aber gut hörbar zählt. Die eigene Tochter
wiederzufinden ist eine noch größere Herausforderung. Glücklicherweise
kichern kleine Kinder immer sofort los, wenn man sich in ihre Richtung
bewegt – sonst bräuchte sie nämlich nur still vor mir zu stehen und ich
würde sie nicht finden (für diesen Fall habe ich meinen Hund, der dem Spiel
ohnehin so verständnislos gegenübersteht, dass er immer alle zuerst
aufstöbert und damit jedes Versteck an die Gegenseite verrät).
## Vorsicht, Umrenngefahr
Auch beim Fangenspielen kommt mir zugute, dass es nicht ohne Quietschen,
Schreien oder Lachen geht. Also immer der Geräuschquelle nach – aber
unbedingt die „Umrenngefahr“ einkalkulieren, die eigene Orientierung nicht
verlieren und den Stock nicht irgendwo in die Gegend rammen.
Am Anfang hatte ich überlegt, ob ich das alles sein lasse. Ob ich ihr
erkläre, dass Papa und ich diese Spiele nicht gut spielen können und wir
andere auswählen sollten. Aber (ihr) Spaß muss einfach sein! Ich selbst
habe dabei sehr viel gelernt – über die Muster auf unseren
Frühstücksbechern und die Stromkästen in unserem Viertel. Und: Ich habe
dabei eine Menge netter, verwunderter Leute kennen gelernt. Dann sieht sie
halt was, was ich nicht sehe!
PS: Beim Topfschlagen, einem der wenigen Kinderspiele, die die
Chancengleichheit von sich aus wieder herstellen, hat unsere Tochter den
Topf lieber im Gehen gesucht, mit dem Kochlöffel vor sich über den Boden
pendelnd. Ihre unter der Augenbinde „erblindeten“ Freunde hat sie selbst
zum Topf geführt. Sie kennt sich eben aus mit Blindheit!
14 Mar 2019
## AUTOREN
Hannah Reuter
## TAGS
Inklusion
Kinder
Spiele
Blind mit Kind
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