Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ukraine vor der Stichwahl: Kandidaten im (Drogen-)Test
> Kurz vor der Stichwahl fordert Selenski den amtierenden Präsidenten
> Poroschenko zum Drogenscreening heraus. Die Ergebnisse sind fragwürdig.
Bild: Der Präsidentschaftskandidat Selenski beim Drogentest
[1][Wladimir Selenski] geht mit energiegeladenen Schritten auf die Kamera
zu, redet beschwörend auf die Zuschauer ein. Wieder einer von tausend
Videoclips, in denen der Komiker vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in
der Ukraine für sich wirbt, denkt man zunächst. Doch dann rast ein
Lastwagen auf den Präsidentschaftskandidaten zu, reißt ihn zu Boden. Abrupt
endet der Spot – weißes Pulver erscheint auf dem Bildschirm, das durch
einen eingerollten Dollarschein weggesaugt wird, untermalt von einem
Schriftzug „Jeder geht seinen Weg“.
Natürlich ist das Video ein Fake. Selenski hat Strafanzeige gestellt,
bezichtigt die Mannschaft von [2][Präsident Petro Poroschenko], dieses
Video in die Welt gesetzt zu haben. Es zeigt, auf welchem Niveau der
ukrainische Wahlkampf angekommen ist. Das Team von Poroschenko hat erkannt,
dass man Selenski seine wichtigste Wählergruppe, die Jugend, nicht mehr
wegnehmen kann. Für Poroschenko ist es schon von Vorteil, wenn Jugendliche
überhaupt nicht zur Wahl gehen, sagt deswegen der Historiker Taras Bilous
zur taz.
In geringem Umfang scheint dies auch zu funktionieren: „Ich habe am 31.
März Selenski gewählt, einfach weil ich Poroschenko eine Lektion erteilen
wollte“, berichtet Olga, eine junge Friseurin aus Kiew, der taz. „Doch
irgendwas wird da schon dran sein an den Gerüchten, Selenski würde Drogen
konsumieren.“ Auch ihr sei dessen Euphorie am Wahlabend unnatürlich
vorgekommen. Und deswegen sei ihr die Stichwahl nicht mehr so wichtig.
„Wenn das frühlingshafte Wetter anhält, hält mich am Sonntag nichts in
Kiew“, sagt Olga.
Selbst wenn das Fake-Video aus dem Umfeld von Poroschenko stammen sollte:
In diesem Wahlkampf ist Poroschenko der Getriebene, der sich auf das Feld
des Herausforderers begeben und dessen Spielregeln akzeptieren muss. Als
Selenski von Poroschenko gefordert hatte, die Debatte der Kandidaten im
Olympiastadion zu führen, war Poroschenko zunächst sprachlos. Und weil
jedem Wettkampf auch Dopingkontrollen vorgeschaltet sind, hatte Selenski
Poroschenko auch zu einem Drogenscreening herausgefordert.
## Fragwürdige Alkoholtests
Mit Sportlichkeit hat das wenig tun. Selenski belebte so alte Gerüchte,
Poroschenko habe ein Alkoholproblem. Die Message kommt an: „Ich war mal mit
einem Alkoholiker verheiratet“, sagt die Rentnerin Nadja zur taz. „Anfangs
sind die ja noch ganz charmant, aber dann. Nein, ich will nicht, dass ein
Alkoholiker unser Land führt.“
Doch nun rätselt die ukrainische Öffentlichkeit auch über die Ergebnisse
der Drogenscreenings. Selenski hat seine Analyse in einer Privatklinik
machen lassen, deren Besitzer als Selenski-Unterstützer bekannt ist. Zudem
war bei der Veröffentlichung von Selenskis Blutprobe, die er am 5. April
abgegeben hatte, auf dem medizinischen Dokument der 2. April als Tag der
Blutentnahme angegeben.
Poroschenko dagegen hat seine Probe in der Sanitätsabteilung im
Olympiastadion abgegeben. Doch wo bleiben die Ergebnisse? „Die werden so
lange herummanipulieren, bis herauskommt, was sie haben wollen“, vermutet
die Rentnerin Nadia. „Schade, dass Timoschenko nicht mehr im Rennen ist.
Ich glaube, das ist die Einzige, die immer nüchtern ist.“
## Electainment – ein neuer Trend
Mitten im Streit um die Frage, welches Institut glaubwürdig genug ist für
die Untersuchung der Blutproben, kam dem Bürgermeister von Kiew und
langjährigem [3][Profiboxer Vitalij Klitschko] die rettende Idee. Er habe
ja noch gute Kontakte zur Welt-Anti-Doping Agentur Wada, die könnte doch
die Politiker auf Drogen und Alkoholabhängigkeit testen. Präsident
Poroschenko ließ sich erneut Blut abnehmen. Dieses Mal lehnte Selenski ab.
Er habe doch schon seine Probe abgegeben.
Taras Bilous erinnert sich an ein altes ukrainisches Sprichwort. „Auch wenn
alles schlimmer kommt – es kommt anders.“ Selbst wenn Selenski verlieren
sollte, habe der Komiker neue Maßstäbe gesetzt, schreibt derweil der
Kolumnist Konstantin Muntjan in der Ukrainska Prawda. „Selenski hat ein
neues Element gesetzt: Electainment. Electainment, ‚elections +
entertainment‘, ist ein neuer Trend, ein Wahlprozess im
Unterhaltungsformat.“
Doch nicht alle haben Spaß an diesem Wahlkampf. „Mir gefällt es nicht, dass
man suggeriert bekommt, man könne nur wählen zwischen einem Alkoholiker und
einem Drogensüchtigen, so der Journalist Roman Huba. „Was wir hier erleben,
ist Sozialrassismus. Auf dem Rücken von gesellschaftlichen Randgruppen, wie
eben Alkoholikern oder Drogenabhängigen, wird Wahlkampf geführt.“
19 Apr 2019
## LINKS
[1] /Praesidentenwahl-in-der-Ukraine/!5584422
[2] /Kommentar-Stichwahl-Ukraine/!5585036
[3] /Wladimir-Klitschko-beendet-Boxkarriere/!5438331
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine
Präsidentschaftswahl
Petro Poroschenko
Wolodymyr Selenskij
Kolumne Stadtgespräch
Wolodymyr Selenskij
Wolodymyr Selenskij
Ukraine
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Angela Merkel
Petro Poroschenko
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Stichwahl in der Ukraine: Der richtige Mann für den Frieden
Die Ukraine zeigt Risikofreude. Komiker Selenski mag wenig über praktische
Politik wissen, dennoch sollte sich die EU auf den neuen Präsidenten
einlassen.
Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Jetzt ist alles möglich
Mit einem überragenden Wahlergebnis gewinnt der unerfahrene Komiker
Wolodimir Selenski. Und verbreitet Euphorie und Hoffnung auf Wandel.
Kommentar Stichwahl in der Ukraine: Leise Stimme plötzlich laut
Alles schien auf einen neuen Sieg Petro Poroschenkos hinzudeuten. Jetzt
zeigt sich: In der Ukraine besteht kein Bedarf an nationalistischer
Rhetorik.
Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Kein Witz
Laut Nachwahlbefragungen kann der Komiker Wolodymyr Selenski mit einem
Erdrutschsieg rechnen. Amtsinhaber Petro Poroschenko räumte die Niederlage
ein.
Kommentar Stichwahl Ukraine: Schluss mit lustig
In der Ukraine geht es um mehr als das Rennen zwischen einem Komiker und
einem Oligarchen. Es geht um Demokratie.
Kolumne Geht's noch: Lunch mit Poroschenko
Einmischung in fremde Wahlkämpfe ist ein No-Go. Trotzdem trifft die
Kanzlerin vor der ukrainischen Stichwahl den Amtsinhaber.
Russische Medien über Ukraine-Wahl: Beim Nachbarn schauen sie scharf hin
Russische TV-Sender zeichnen ein Zerrbild der Abstimmung in der Ukraine.
Dabei könnten sie daheim genug über Wahlmanipulation berichten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.