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# taz.de -- Die Wahrheit: Tanzverbot und Zappelfreiheit
> Wie jedes Jahr wurde vor Ostern ein leidiges Thema aufgekocht:
> Musikalische Arschwackler müssten sich aus religiösen Gründen
> einschränken.
Bild: Muss am Karfreitag leider geschlossen bleiben: die Osterwiese in Bremen
Es ist schon atemberaubend, was Menschen so alles als freiheitsbeschränkend
empfinden. So wurde auch vorige Woche – wie jedes Jahr – mal wieder das
Tanzverbot am Karfreitag diskutiert.
Die entsprechende Passage in dem mich als Hannoveraner betreffenden
„Niedersächsischen Feiertagsgesetz“ besagt, dass am Karfreitag neben
Sportveranstaltungen auch „alle sonstigen öffentlichen Veranstaltungen“
verboten sind, „außer wenn sie der geistig-seelischen Erhebung oder einem
höheren Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung dienen und auf
den ernsten Charakter des Tages Rücksicht nehmen“.
Das kann man selbstverständlich albern finden. Weil es selbstverständlich
albern ist. Aber es ist mindestens so egal wie bescheuert. Weil sich diese
religiös begründete Choreophobie – so der psychologisch korrekte Begriff
für die Angst vor Tanzveranstaltungen – als Überbleibsel einer
unvollständigen Trennung von Staat und Kirche historisch erklären lässt –
und keine weiteren Konsequenzen hat.
Niemand – nicht einmal die CSU oder Beatrix von Storch – plant darauf
aufbauend, demnächst das Tanzen generell zu verbieten, was mir – das nur
nebenbei – angesichts der aktuellen Tanzmusik sehr entgegen käme.
Auch will niemand eine uniformierte Bibel-Polizei auf Streife schicken, um
zu kontrollieren, dass auch in Privathaushalten nicht getanzt wird. Man
darf halt nur am Karfreitag nicht in Clubs zappeln. Selbst als
Tendenz-Anarchist finde ich es vermessen, hier das Wort „Freiheit“ zu
bemühen.
Aber beim Missbrauch des Freiheitsbegriffes sind ja auch andere nicht
zimperlich. Wenn die Grünen mal kurz einen inhaltlichen Anfall haben und
die angesichts der Klimakatastrophe letztlich ja extrem lasche Forderung
unterstützen, pro Person nur noch sechs internationale Flüge im Jahr zu
erlauben, reagieren Politiker anderer Parteien reflexartig damit, die
Bionadebürger als „kleinkarierte Verbotspartei“ zu beschimpfen.
So geschehen von Philipp Amthor, einem greisenhaften 27-jährigen
CDU-Bundestagsabgeordneten, der ansonsten morgens beim Zurechtkämmen seiner
Alfred-E.-Neumann-Frisur dreimal im Bundesfrisurengesetz nachschaut, ob die
Haare auch wirklich so liegen dürfen.
Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass die Welt ein bisschen langsamer
untergeht, dass Minderheiten etwas weniger diskriminiert, dass Arbeiter
etwas moderater ausgebeutet oder Mieten ein klein wenig bezahlbar werden,
gelten in konservativen, liberalen und rechtspopulistischen Kreisen als
sozialistische, quasi-stalinistische Gängelei.
Aber wenn man Menschen vorschreibt, welche Drogen sie nehmen, welche
Kopfbedeckung sie tragen und welche Grenzen sie überqueren dürfen, nimmt
der Staat lediglich seine Aufgaben war. In der Gehirnforschung nennt man
die Fähigkeit, so paradox denken zu können: „kognitive Dissonanz“.
24 Apr 2019
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Tanzverbot
Karfreitag
Religion
wochentaz
The Beatles
Schwerpunkt AfD
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Bild am Sonntag
Sprachkrieg
Musikrezeption
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