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# taz.de -- Datenschützer über Drohbriefe an Linke: „Der Fall ist noch nich…
> Ende 2017 wurden aus der Polizei Drohbriefe an Autonome verschickt, ein
> Polizist wurde verurteilt. Für die Berliner Datenschutzbeauftragte ist
> das nicht genug.
Bild: Aktion gegen Videoüberwachung und automatische Gesichtserkennung im Bahn…
taz: Frau Smoltczyk, macht die Berliner Polizei was sie will?
Maja Smoltczyk: Ich gehe davon aus, dass die Polizei alles in ihrer Kraft
Stehende tut, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Natürlich geht auch mal was
schief. Aber selbst wenn die datenschutzrechtlichen Regelungen nicht immer
eingehalten werden, würde ich nicht sagen, die Polizei macht, was sie will.
In dem Tätigkeitsbericht 2018, den Sie als Berliner Datenschutzbeauftragte
kürzlich veröffentlicht haben, üben Sie aber deutliche Kritik an der
Polizei.
Das ist richtig. Wir haben das an ein paar konkreten Fällen festgemacht.
Machen wir es konkret: Aus den Reihen der Polizei sind Ende 2017 zahlreiche
Drohbriefe an Leute der autonomen Szene verschickt worden. Sensible Daten
aus dem Polizeicomputer waren der Inhalt. Bei den Ermittlungen hat die
Polizei Sie ganz schön auflaufen lassen.
Die Maßnahmen sind nicht so durchgeführt worden, wie wir uns das
vorgestellt hätten, um das datenschutzrechtliche Problem an der Wurzel zu
beheben – das stimmt.
War es nicht sogar so, dass Ihre Behörde der Polizei die entscheidenden
Hinweise gegeben hat?
Wir haben Vorschläge gemacht, in welche Richtung die Ermittlungen geführt
werden sollten. Das wurde vorher so nicht gemacht. Diese Methoden haben
letztendlich zur Ermittlung eines Täters in den Reihen der Polizei geführt.
Was genau hatten Sie der Polizei vorgeschlagen?
Wir hatten ein Originalschreiben erhalten und haben festgestellt, dass die
darauf abgebildeten Fotos aus Polizeidatenbanken stammen müssen. Das
Schreiben selbst haben wir der Polizei nicht zur Verfügung gestellt, wir
haben der Polizei aber Anregungen gegeben, in welche Richtung die
Ermittlungen gehen sollten: Dass Druckerbild und Papier Hinweise geben
könnten, wer darüber verfügt und wer wann auf bestimmte Daten Zugriff
genommen hat. Letztlich waren das die Punkte, die zur Ermittlung des
Beamten geführt haben. Er hat ja dann auch gestanden.
Wann haben Sie erfahren, dass der Beamte wegen Datenmissbrauchs verurteilt
worden ist?
Das Verfahren wurde im August 2018 mit einer rechtskräftigen Verurteilung
abgeschlossen. Erfahren haben wir das von der Staatsanwaltschaft aber erst
im Oktober – auf Nachfrage, nicht freiwillig. Dabei hatten wir
zwischenzeitlich immer wieder nachgefragt. Wir sind von einer Abteilung zur
anderen verwiesen worden, ohne inhaltliche Auskünfte zu bekommen. Solange
das Ermittlungsverfahren laufe, dürfe die Polizei uns keine Auskunft geben,
hieß es. Das trifft nicht zu.
Was ist richtig?
Wir ermitteln datenschutzrechtlich und nicht strafrechtlich. Das heißt,
jede Behörde ist uns gegenüber durchgängig auskunftspflichtig.
Der Leiter der Polizeipressestelle hat im Februar 2019 erneut gegenüber der
taz erklärt: Die Behörde der Datenschutzbeauftragten habe kein Recht, über
Ermittlungen in Kenntnis gesetzt zu werden.
Das stimmt nicht! Wir haben das Recht auf Information, weil es bei uns um
datenschutzrechtliche Ermittlungen in der Behörde geht, die von den
strafrechtlichen Ermittlungen nicht tangiert werden.
Bleibt das jetzt so im Raum stehen?
Nein. Der Fall ist für uns überhaupt noch nicht erledigt. Die
grundsätzlichen Fragen, die mich als Leiterin der Aufsichtsbehörde
interessieren, sind doch die: Wie konnte es zu dem missbräuchlichen Zugriff
auf interne Datenbanken kommen? Was ist technisch und organisatorisch getan
worden, um das in Zukunft zu verhindern? Und: Hat der Beamte alleine
gehandelt? Das ist überhaupt noch nicht aufgeklärt. Wenn er nicht alleine
gehandelt hat, müssen die Mittäter ermittelt werden.
Wer bei der Polizei ist Ihr Ansprechpartner?
Ich kommuniziere mit der Präsidentin, Frau Slowik. Am 12. September 2018
hatte ich ihr mitgeteilt, dass ich von der Polizei keine Antwort auf meine
Fragen bekomme habe. Als ich auch von ihr keine Antwort bekommen habe, habe
ich im November noch mal nachgehakt. Auch auf Fachebene haben wir
nachgefragt, aber nie die gewünschten Auskünfte erhalten.
Was passiert nun?
Frau Slowik wird mich im Mai in meiner Behörde besuchen. Das ist für uns
nicht erledigt.
Ärgert es Sie, von der Polizei hingehalten werden?
Ja, das ärgert mich auch insofern, als wir uns nicht über Langeweile
beklagen können. Wir haben jede Menge zu tun. Es ist unerfreulich, dass man
an so einem Fall so lange dran bleiben muss.
In Ihrem Tätigkeitsbericht schreiben Sie, in Fällen wie diesem stehe das
Vertrauen in die Polizei auf dem Spiel.
Die Polizei erfüllt eine besonders staatstragende Aufgabe. Sie darf keinen
Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie rechtsstaatlich arbeitet. So etwas
darf einfach nicht passieren. Das ist nicht hinnehmbar.
Sind Sie ein zahnloser Tiger?
Das ist eine gute Frage. Die Antwort darauf lautet weder Ja noch Nein. Was
die Wirtschaft betrifft, bin ich seit Inkrafttreten der
Datenschutzgrundverordnung ein sehr wehrhafter Tiger. Für die Wirtschaft
und den privaten Bereich haben wir enorm ausgeweitete Eingriffsbefugnisse.
Das betrifft sowohl Befugnisse nicht finanzieller Art als auch Bußgelder.
Beim öffentlichen Sektor ist das anders. Da haben wir zwar die Möglichkeit,
bestimmte Anordnungen zu treffen, aber wir können keine Bußgelder
verhängen.
Wenn Ihre Behörde gegen die Polizei Bußgelder verhängen würde, täte das
keinem weh. Das Geld käme aus dem Landeshaushalt, nach dem Motto: Linke
Tasche, rechte Tasche.
Das sehe ich anders. Ein Bußgeld hätte durchaus eine Signalwirkung, auch
wenn das Geld aus der Landeskasse kommt und dahin zurückfließt. Eine
Behörde wäre trotzdem konkret von einer solchen Maßnahme betroffen, weil
ihr Haushalt diesen Betrag abgeben müsste, und im Übrigen würde das auch
keinen guten Eindruck in der Außendarstellung der Behörde machen.
Themenwechsel. Was halten Sie vom Ausbau der Videoüberwachung? Eine
Initiative um den früheren CDU-Justizsenator Thomas Heilmann hat dazu ein
Volksbegehen gestartet, das zurzeit vom Landesverfassungsgerichtshof
überprüft wird.
Wie Sie sicher wissen, bin ich da sehr kritisch eingestellt.
Videoüberwachung ist eine Einschränkung in die persönliche
Bewegungsfreiheit von Bürgerinnen und Bürgern. Es gibt Gefährdungslagen, wo
Videoüberwachung sinnvoll sein kann. Aber was diese Bürgerinitiative vorhat
…
… 1.000 Kameras an 50 Orten sollen aufgestellt werden.
Das würde eine umfassende Ausstattung der Stadt mit Kameras bedeuten. Ich
halte das für eine Mogelpackung. Straftaten werden dadurch nicht
verhindert. Zu dem Modellprojekt der Bundespolizei am Bahnhof Südkreuz habe
ich mich ja auch sehr deutlich geäußert.
Sie sprechen von dem Testlauf zur automatischen Gesichtserkennung anhand
biometrischer Daten, der letztes Jahr im Bahnhof Südkreuz durchgeführt
worden ist.
Das war ein Quantensprung. Reine Videoüberwachung ist ja schon ein Eingriff
in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, der nicht zuletzt auf der
Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr restriktiv
zu handhaben ist. Wenn darüber hinaus auch noch biometrisch erfasst wird,
bedeutet das, dass die Daten in den Datenbanken unmittelbar
individualisiert werden können und in besonderer Weise angreifbar sind.
Worauf wollen Sie hinaus?
Das verfolgt einen das ganze Leben. Man kann seinen Gang nicht ändern, man
kann seine Sprache nicht ändern, man kann seine Augenfarbe nicht ändern
oder seine Fingerabdrücke. Und wir wissen ja, dass solche Daten gern
missbraucht werden. Wir haben Fälle von Identitätsdiebstahl vielfach gehabt
hier in Berlin. Wenn solche biometrischen Daten in falsche Hände gelangen,
kann man daran nichts ändern. Das ist anders als beim Diebstahl von
Passwörtern.
Der CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte die Gesichtserkennung für
die Terrorfahndung nutzen.
Es mag Einzelfälle geben, wo das erforderlich sein kann. Aber
flächendeckend biometrische Daten von Bürgerinnen und Bürgern erfassen? Man
muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Am Südkreuz sind drei
technische Systeme verwendet worden, die sogar zusammengenommen noch zu
einer extrem hohen Fehlerquote geführt haben. Der Abschlussbericht der
Bundespolizei geht von drei bis vier falschen Treffern je Kamera und Stunde
aus. Dies würde bedeuten, dass bei einem Echtbetrieb in diesem Zeitraum
80.000 bis 100.000 Mal Personen zu Unrecht erfasst worden wären und sich
Ermittlungen ausgesetzt gesehen hätten. Das kann nicht sein.
Was halten Sie von den Plänen der Berliner SPD, an
Kriminalitätsschwerpunkten eine anlassbezogene Videoüberwachung
einzuführen?
Ich kenne das genaue Programm nicht. Ich will mal hoffen, dass mich die SPD
einbezieht, wenn die Pläne konkret werden sollten.
Grüne und Linke sind dagegen.
Der Bürger hat Anspruch darauf, sich unbeobachtet durch sein Leben bewegen
zu können – das Bundesverfassungsgericht bestätigt das regelmäßig. Es geht
um das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung und der
Persönlichkeitsentfaltung. Anders wäre es, wenn es eine objektive
Gefährdung gäbe.
Die Straftaten in Berlin sind erneut zurückgegangen. Der Regierende
Bürgermeister Michael Müller beruft sich auf Umfragen, wonach sich viele
Menschen einen Ausbau der Videoüberwachung wünschten. Reicht das aus, um
Kameras zu installieren?
Nein. Ein subjektives Gefährdungsgefühl kann kein Grund für eine
Videoüberwachung sein. Das Sicherheitsgefühl könnte auch durch mehr Polizei
auf der Straße gesteigert werden, dafür bräuchte man keine Kameras.
11 Apr 2019
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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Datenschutzbeauftragte
Maja Smoltczyk
Videoüberwachung
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