# taz.de -- Neues Album von Cherry Glazerr: Vielleicht eine neue Punkikone | |
> Clementine Creevy ist anders als andere Frontfrauen. Ihr Feminismus ist | |
> gemacht für Instagram – jung, hübsch und marktkonform. | |
Bild: Mit 15 Jahren gründetet Clementine Creevy die Band Cherry Glazerrs | |
Die Zukunft klingt vielversprechend: In jedem Kindergarten wissen sie von | |
toxischer Maskulinität. [1][Schüler*innen streiken für den Klimaschutz]. | |
Und die „Generation Z“ der Jahrgänge um 1995 geht so entspannt mit | |
sexuellen Identitäten um, als gäbe es kein Patriarchat. Hier ist eine | |
Künstlerin, die für diese kommende Zeit stehen könnte: Clementine Creevy, | |
Frontfrau der kalifornischen Rockband Cherry Glazerr. | |
Für das Magazin Vice ist Creevy eine „neue‚ feministische Punkikone“. We… | |
kommt sie deviant rüber wie Patti Smith, noch hat sie eine Normen | |
[2][verlachende Körperlichkeit wie Beth Ditto]. Creevy ist eher gemacht für | |
Instagram, 21 Jahre jung, hübsch und auf marktkonforme Weise stark. Gerade | |
daraus belegt sie die Gegenwart mit beißendem Spott. „Who should I fuck | |
Daddy? Is it you?“, fragt sie in der Single „Daddi“ auf dem Album „Stuf… | |
and Ready“. | |
Man hört aus dem Text eine Wut über Verhältnisse, in denen gerade ihre | |
Jugendlichkeit eine sexuelle Währung ist. Dazu spielt Musik, die kraftvoll | |
und experimentell zugleich klingt, so wie der Sound der frühen Yeah Yeah | |
Yeahs – jene New Yorker Garagepunk-Band, deren Sängerin Karen O ähnlich | |
wahrgenommen wurde. Wie Machtverhältnisse das Körperinnere durchziehen, ist | |
auch Thema des Titelsongs „Stuffed and Ready“. Creevy erklärt dazu: „Die | |
Texte meines Albums sind selbstreflexiv. Ich hatte das Bedürfnis, Songs zu | |
komponieren, mit denen ich beschreibe was ich durchlebe.“ | |
Das Vorgängeralbum, das zweite ihrer Band, war demgegenüber klassischer | |
politisch, politisch im Sinne von Riot Grrrl und Punk, schon im Titel | |
ikonisch: „Apocalipstick“ wurde am Tag der Amtseinführung von US-Präsident | |
Trump veröffentlicht. Diesmal präsentiert sich Cherry Glazerr, der wütenden | |
Innenschau fast widersprechend, eher als großformatige | |
Alternative-Rock-Band denn als wilde Garage-Explosion. Das macht den Sound | |
an manchen Stellen etwas beliebiger. „Ich wollte Musik machen, die knallt. | |
Die Songs verdienen das!“ | |
## „Genauso meinungstark und politisch“ | |
Musikalisch ist Cherry Glazerr also nur halb so bemerkenswert wie die | |
Person, die die Zügel in der Hand hält. Denn Cherry Glazerr ist nicht nur | |
nach außen vor allem das Projekt von Clementine Creevy, sie ist auch | |
tatsächlich die einzige Konstante der Band. Creevy gründete das Projekt mit | |
15 und einigen Highschool-Freund*innen, seitdem hat sie immer wieder neue | |
Gefährt*innen gewinnen können. Zuletzt hat Keyboarderin Sasami Ashworth die | |
Gruppe verlassen und veröffentlichte Anfang März ein Soloalbum unter ihrem | |
Vornamen. Statt ihrer ist nun Bassist Devin O’Brien an Bord. | |
„Für mich ist Cherry Glazerr eine Band, zu deren Essenz eine Vielzahl von | |
Personalwechsel gehört. Ich lenke dieses musikalische Floß, auf das | |
Künstler auf- und wieder abspringen, während die Musik weiter fließt.“ Und | |
die Politik? [3][Ist Creevys Generation] so viel forcierter und auf | |
produktive Art drängender als die alten Nihilist*innen der Generation X und | |
die ihre Wut ins Ironische verflüchtigende Generation der Millennials? | |
„Die Leute sind genauso meinungsstark und politisch, wie sie es immer | |
waren. Aber wir leben in den Zeiten von Trump. Es muss etwas geschehen. | |
Aber momentan mühen wir uns vor allem damit ab, überhaupt zu überleben“, | |
analysiert Creevy. „Feministin bin ich während meines Studiums geworden. | |
Women’s Studies haben mein Leben verändert und mich alles gelehrt, was | |
zählt. Ich glaube, was meine Generation wirklich beschäftigt, ist, dass es | |
ein Mehr an allem gibt. Auch an Information.“ Vielleicht wird ja doch noch | |
alles gut! | |
18 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Greiner | |
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