# taz.de -- Kolumne Geht’s noch?: Yuppies, go home! | |
> Work-Life-Balance fordern? Eine „freizeitorientierte Schonhaltung“, ätzt | |
> Werbeagentur-Chef von Matt. Das ist sogar strategisch dumm. | |
Bild: Wie, Ihr Lebensziel besteht nicht aus durchmalochten Nächten? Hinfort mi… | |
Werbeagenturen sind dazu da, so lange an Wörtern rumzuspielen, bis wir alle | |
glauben, dass der Himmel grün, die Sonne kalt und Geiz geil ist. Letzteres | |
glauben wir tatsächlich schon, das hat eine Firma namens Jung von Matt | |
Anfang des Jahrtausends hingekriegt. Einer der Chefs dieser Agentur – nicht | |
Jung, sondern von Matt – hat in dieser Woche ein ganz besonderes Glanzstück | |
der Umdeutung geliefert. | |
[1][In der aktuellen Zeit Campus spricht der Werber recht abfällig] über | |
junge Menschen, die sich bei Bewerbungsgesprächen nach der | |
Work-Life-Balance erkundigen – Sie wissen schon, Work-Life-Balance ist das, | |
wo man nur so viel arbeitet, dass man noch Zeit zum Wäschewaschen und für | |
Familie und Freunde hat. Die Generation Y hat das erfunden, also | |
diejenigen, die Zeit Campus lesen. | |
Für Jean-Remy von Matt jedoch ist das Bedürfnis, Arbeitszeit und | |
Nichtarbeitszeit in ein gesundes Verhältnis zu setzen, nichts als das | |
Anzeichen einer „freizeitorientierten Schonhaltung“. | |
„Freizeitorientierte Schonhaltung“ ist in Corporate Germany eine Art | |
unheilbare Geisteskrankheit, vergleichbar mit Hysterie. Symptome sind die | |
Forderung nach Überstundenausgleich und die Weigerung, Urlaubstage | |
verfallen zu lassen, obwohl der Kunde spätabends angerufen hat und … Wie, | |
Ihr Lebensziel besteht nicht aus durchmalochten Nächten und einer | |
Schlaftablette, runtergespült mit Weinbrand morgens um sechs? Hinfort mit | |
Ihnen in die Bedeutungslosigkeit! | |
## Kreativität und Verspieltheit | |
Die Ratgeberliteratur auf den Wühltischen der 2000er war voll von dieser | |
und anderen Vokabeln, die dazu gedacht waren, dass man sich | |
neurolinguistisch umprogrammiert – damit der „innere Schweinehund“ (heiß… | |
Müdigkeit, Hunger, kein Bock mehr auf Arbeit) den Weg in Richtung „Erfolg“ | |
nicht versperrt (heißt: Überstunden, Leben für den Beruf, alle hassen | |
dich). | |
Es ist völlig in Ordnung, dass die Yuppies ihr Glück auf diese Weise | |
gesucht haben. Dass jemand jetzt aber diese Wortaltschöpfung recyceln und | |
den aktuellen Berufseinsteiger*innen reindrücken muss (genau denen, die | |
gerade anfangen sich zu fragen, warum wir eigentlich ausgerechnet 40 | |
Stunden arbeiten und nicht etwa 30), ist nicht nur unorginell, sondern auch | |
strategisch dumm. | |
[2][Denn die Generation Y definiert sich] außer über das Bedürfnis nach | |
Work-Life-Balance auch noch über Kreativität und Verspieltheit. Und wer | |
braucht genau das? Werbeagenturen. | |
11 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit-verlagsgruppe.de/presse/2018/08/werber-jean-remy-von-matt-… | |
[2] /Debatte-Individualismus-im-Jahr-2018/!5495823 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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