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# taz.de -- Ramones-Biographie: Weitermachen, trotz Konflikten
> Alle meinen, die Ramones zu kennen. Dass ihre Geschichte voller
> fürchterlicher Konflikte ist, erzählt Flo Haylers in seinem Buch.
Bild: Eine „Konzeptband“: In Zagreb erinnert dieses Denkmal an die Ramones
Nach allen Regeln der Vernunft, eine Band wie die Ramones hätte es nie
geben dürfen. Aber wir reden hier von Pop. Und nach seiner in aller
Unvernunft bestechenden Logik kam es, dass ein konservativer Kontrollfreak,
ein von Zwangsvorstellungen geplagter Liberaler, ein einsames Kind, das die
Drogen noch einsamer werden ließen und ein Mitarbeiter an Jimi Hendrix’
„Band of Gypsys“-Album aus ungarisch-jüdischer Familie 1974 in New York
lostraten, was als Punkrock in die Geschichte eingehen sollte.
Die Ramones, mit ihren Gründungsmitgliedern Johnny, Joey, Dee Dee und
Tommy, gelten als erste richtige Punkband. Darüber ließe sich diskutieren,
aber es stimmt schon, die Ramones haben durch ihren ultraschnell und
ultrastumpf gespielten Rock, einen Sound gleich einem Skateboard mit
Düsenantrieb und ihrer Mixtur aus Bubblegum-, Horror- und Nonsensästhetik
das landläufige Bild von Punk entscheidend geprägt. Kommerziell waren sie
nie sonderlich erfolgreich; ihre Berühmtheit war und ist von der Art, bei
der das Wörtchen „berüchtigt“ mitschwingt. Auch wenn die Vier Hits hatten
und Songs wie „Beat on the Brat“, „Rockaway Beach“ oder „Pet Sematary…
ihren zwischen 1976 und 1995 entstandenen 14 Studioalben zum Kanon der
Lederjacken- und Nietengürtelfraktion gehören.
Alle meinen, die Ramones zu kennen. Dabei ist ihre Geschichte gerade nicht
die Story einer Handvoll Freunde, die mehr Spaß haben wollten, als ihre
Jugend ihnen erlauben wollte. Dass die Ramones-Story eine Erzählung
fürchterlicher Konflikte ist, eine von Leuten, die sich nichts schenkten,
aber trotzdem von einem eigentümlichen Drang, weitermachen zu müssen,
getrieben worden sind, lässt sich in Flo Haylers „Ramones. Eine
Lebensgeschichte“ lesen.
Haylers Musikbuch umfasst über 600 Seiten mit geschätzt über 1.000 Fotos –
Konzertflyer, Plattencover, archetypische Szenen aus dem
Rock-’n’-Roll-Alltag. Wenn Hayler „Lebensgeschichte“ schreibt, meint er…
der Ramones und seine eigene. Er betreibt seit 2005 in Berlin-Kreuzberg das
weltweit einzige Ramones-Museum. Er schildert auch, wie es zur
Ramones-Mania kam, was sie ihm abverlangte und wohin sie ihn trieb.
## „Die Ramones stinken“
Was die Band vermochte, schildert Hayler mit genauem Blick auf ihre
Konzertgänger: „Nun sitzen sie da, die Fans aus Schottland, Jugoslawien und
Spanien, wie ein ungeduschtes, leicht soziophobes Ensemble am Rande der
Gesellschaft, das vom Schicksal in die Arme der Leidensgenossen gespült
wurde.“ Die Band als Arche also, und das, obwohl die Anfänge der Ramones
alles andere als vielversprechend waren. Hayler hat frühe Pressestimmen
zusammengetragen: „Die Ramones stinken. Sie haben keinerlei
gesellschaftlichen Nutzen“, befand Mike Diana von der Daily Press aus
Richmond.
Haylers Buch ist akribisch. Er steigt in die Produktionsgeschichte der
einzelnen Alben ein, vom selbstbetitelten Debüt „Ramones“ bis zum Finale
„¡Adios Amigos!“. Dazwischen liegt ein Album wie „Too Tough To Die“ au…
Orwell-Jahr 1984, von Hayler zu Recht als Blaupause für den aufkommenden
Hardcore-Punk gesehen.
Im Jahr darauf folgte die Single „Bonzo Goes To Bitburg“, ein Song, an dem
einer von vielen Bandkonflikten sichtbar wird: Joey Ramone hatte das
bitterböse Lied geschrieben, nachdem US-Präsident Ronald Reagan beim
Staatsbesuch in Westdeutschland den Soldatenfriedhof von Bitburg besucht
hatte, auf dem auch Mitglieder der Waffen-SS bestattet waren. Bonzo war ein
Schimpanse, neben dem Reagan in seinem Vorleben als Schauspieler
aufgetreten war. Johnny Ramone soll sich verbeten haben, „seinen“
Präsidenten als Affen tituliert zu hören, gespielt hat er den Song
trotzdem.
Einmal wirft Hayler einen Begriff ein, bei dem Ramones-Fans mit den Augen
rollen; er nennt sie eine „Konzeptband“. So abwegig ist das nicht. Für die
Refrains wurde synchron in Richtung Publikum, für die Strophen zurück vor
die Verstärker gegangen. Ihr berühmtes Logo, der US-Adler, der einen
Apfelzweig und einen Baseballschläger hält, hat der
mexikanisch-amerikanische Künstler Arturo Vega entworfen. Als sich das
Personalkarussell der Ramones drehte, musste er den Schriftzug jeweils
ändern. Der Schriftsatz blieb. Die Ramones: eine Punkband mit Corporate
Design. Noch so ein Wort, das die Augenbrauen hochgehen lassen könnte.
Deshalb sei es hier gesagt.
29 Mar 2019
## AUTOREN
Robert Mießner
## TAGS
Punk
Biografie
Rock
Punk
Schwerpunkt Klimawandel
Punk
Mekons
Scott Walker
Musik
Rave
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