| # taz.de -- Album und Tour der Mekons: Mit Rimbaud in der Wüste | |
| > Die Mekons sind Helden des britischen Postpunk. Sie veröffentlichen ein | |
| > neues Album, „Deserted“, und gehen damit auf Tour. | |
| Bild: Hier ist ein Exzellenzcluster des britischen Punk: the Mekons | |
| Das Lieblingsinstrument der Klapperschlange ist und bleibt die | |
| Stromgitarre. Wie das klingt, lässt sich in den ersten 15 Sekunden von | |
| „Deserted“, dem neuen Studioalbum der britisch-amerikanischen Punkband | |
| Mekons, hören: Von Wüstensonne träge, gemein und zielsicher schleicht sich | |
| ein Gitarrenfeedback an und ruft ein Rockensemble in full swing mit einer | |
| vehementen Violine auf den Plan. | |
| „Lawrence of California“ heißt der Song, und genau dort, in der | |
| Joshua-Tree-Wüste, haben die Mekons ihr erstes Werk seit acht Jahren | |
| eingespielt. „Lawrence of California“ hat alles, was einen Hit ausmacht, | |
| und wird trotzdem seine Schwierigkeiten im Frühstücksradio haben: Denn die | |
| Mekons haben dem Stück eine fast anderthalbminütige instrumentale Coda | |
| verpasst, auf der sie die anfängliche Hitze behutsam runterköcheln lassen. | |
| Ganz langsam verabschiedet sich das Schlagzeug, bis nur noch die | |
| Klangschlieren der Saiteninstrumente durch den Raum wehen. | |
| In welchem Film sind wir hier? Als die Mekons im mythenumwobenen Punkjahr | |
| 1977 im nordenglischen Leeds anfingen, teilten sie sich den Probenraum und | |
| das Equipment mit den Funkmarxisten der Gang of Four. Sie waren, schreibt | |
| Simon Reynolds, eine anarchische Truppe, „eine, die eigentlich keinerlei | |
| Erfolg hätte haben dürfen“. Ob bewusst oder unbewusst setzten die Mekons | |
| dem Politpunk ihrer Tage, der auch immer etwas Machohaftes hatte, eine | |
| Alltagssensibilität entgegen: „Never Been in a Riot“ nannten sie ihre | |
| Debütsingle. | |
| ## Der Streik der Bergarbeiter | |
| Dabei sollten es die Mekons sein, die 1985 mit „Fear and Whiskey“ ein Album | |
| vorlegten, dessen dystopische Tönung auf den im Vorjahr begonnenen | |
| britischen Bergarbeiterstreik verwies. Ein Arbeitskampf, zu dessen | |
| Unterstützung sich die damals bereits stillgelegte Band noch einmal | |
| zusammengefunden hatte. Sally Timms und Jon Langford sind Ende der | |
| Achtziger in die USA ausgewandert, die Mekons hatten begonnen, Folk- und | |
| Countryelemente in ihren Sound einzubauen und mit linken Inhalten zu | |
| kreuzen. | |
| Dieser beherzte Kunstgriff ist es auch, der nun „Deserted“ ausmacht: Die | |
| aktuelle Besetzung der Mekons spielt fast schon klassisch zu nennende | |
| Balladen, „Harar 1883“ zum Beispiel, einen Song über Arthur Rimbaud, ein | |
| Porträt des Dichters in dem Moment, da er die Literatur an den Nagel | |
| gehängt hatte und als Handlungsreisender in Äthiopien und Somalia unterwegs | |
| war. Im Booklet des Albums steht über dem Text noch eine Überschrift: | |
| „Parched Dry Couplets“, verdorrte Reime. Dass Rimbaud einer gewesen sein | |
| mag, der die Wüste bereits in sich trug, bevor er sie bereiste, ist fast | |
| schon zu naheliegend. | |
| „Deserted“ hat filmische Qualitäten, ist ein Album von Räumen, die als | |
| offene geträumt werden: die Wüste, das Meer, die Sterne. Doch die | |
| Zufluchten erweisen sich als zugestellt. Das Herzstück des Albums, „In the | |
| Desert“, zeichnet eine vom Krieg verwüstete Landschaft, Bush und Blair | |
| treten auf. „Weimar Vending Machine“ bringt Iggy Pop ins Spiel, wie er aus | |
| einem Westberliner Snackautomaten ein Sandwich zu ziehen versucht. | |
| Er erhält ein Päckchen voller Sand. Spätestens wenn Sally Timms das | |
| traurige Finale „After the Rain“ singt, „Come back, come back later“, w… | |
| deutlich: Der Schwung, mit dem „Deserted“ einsetzt, ist weniger | |
| Ausgelassenheit als Zorn. Vorher, in „Andromeda“, dem retardierenden Moment | |
| des Albums, heißt es: „The dirt doesn’t care.“ So wird es sein; der | |
| Schmutz, er schert sich einen Dreck. | |
| 6 Apr 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Mießner | |
| ## TAGS | |
| Mekons | |
| Postpunk | |
| Wüste | |
| Artschoolpop | |
| Punk | |
| Arbeitskampf | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Artschoolpop von Ela Orleans: Oh bliebe Zeit für unsere Liebe | |
| „Movies for Ears“: In ihrem neuen Album lässt sich die versponnene | |
| Artschoolpopwelt der polnischen Künstlerin Ela Orleans neu entdecken. | |
| Ramones-Biographie: Weitermachen, trotz Konflikten | |
| Alle meinen, die Ramones zu kennen. Dass ihre Geschichte voller | |
| fürchterlicher Konflikte ist, erzählt Flo Haylers in seinem Buch. | |
| Konzertempfehlung für Berlin: Streik Is Not Dead! | |
| Eine Gruppe Berliner Bühnenarbeiter*innen will ab heute mit einer | |
| Konzertreihe zu Arbeitskämpfen den Punk zurück an die Volksbühne bringen. |