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# taz.de -- The-Prodigy-Sänger Keith Flint gestorben: Fürst der Finsternis
> Vom Happy Hardcore bis in die ganz finsteren Ecken von Punk, Gothic und
> Rave: Keith Flint war Stimme und Gesicht für The Prodigy.
Bild: Keith Flint
Es gab ein Leben vor dem Nasenpiercing, vor den ausrasierten und
blondierten Stachelhaaren und Kajal-umrandeten Augen, und dieses Leben
spielte sich für Keith Flint „Out of Space“ ab. So heißt die fünfte Sing…
seiner Band The Prodigy, veröffentlicht im November 1992: Flint, in
XXL-Tarnhose und mit fettigen langen Haaren, tanzt im Video zu dem Track
halb so schnell wie die ultraschnellen Breakbeats, leicht und locker, fast
harmlos wirkt das, aber doch „Out of Space“, er ist volle Kanne
weggespaced.
Und „Out of Space“ meinte auch nicht den Weltraum, sondern die Welt der
illegalen Raves im ländlichen Großbritannien. Nach der moralischen
Panikmache, die Ende der Achtziger wegen synthetischen Drogen veranstaltet
wurde, zog die britische Raveszene in den Neunzigern vermehrt aufs Land, um
abseits der behördlichen Argusaugen zu feiern. Im Verlauf des Videos, das
auf einem Bauernhof und an einer Landstraße gedreht ist, mimt Keith Flint
auch einen Polizisten, der einem Kollegen an einem Auto die Beine spreizt,
um ihn nach Drogen zu filzen.
Obwohl der Track durch die Decke ging, etwa in Deutschland und
Großbritannien wochenlang in den Charts blieb, waren The Prodigy seinerzeit
keine Stars; es war ein typisches Dancefloor-Projekt, eine Crew, die
maßgeblich vom Produzenten Liam Howlett, vom Rapper Maxim und von Keith
Flint, dem Tänzer geprägt wurde und „Live PAs“ bei Raves spielte, eine
Mischung aus Tanzeinlage und DJ-Set, Keith Flint nutzte damals gerne ein
Megaphon zum Einpeitschen.
The Prodigy stammen aus Essex, der Peripherie, die sich zu London verhält,
wie Pinneberg zu Hamburg: undefinierbar, hässlich, aus die Maus. Und der
Sound von The Prodigy war ähnlich, er wurde zwar „Happy Hardcore“ genannt,
es waren aber nur hingeschissene Uptempo-Breakbeats und simple
Synthesizerhooks mit offensichtlichen Samples: Im Falle von „Out of Space“
nahm man „Chase the Devil“ von Max Romeo (produziert von Lee ‚Scratch‘
Perry) und ein hochgepitchtes Gesangssample der New Yorker HipHop-Pioniere
Ultramagnetic MCs: „Pay close attention/I’ll take your brain to another
dimension“. Auf Youtube [1][wurde das Video] bis heute fast 25 Millionen
mal geklickt.
## Düster, richtig düster
Das durchgeknallte Hardcore-Continuum der Rave-Neunziger, Drums, Bässe und
die Komplett-Bedröhnung mit Ecstasy und Amphetamin, eine Dauerabfahrt auf
die Zwölf, The Prodigy ritten den Gaul noch bis Mitte Neunziger, dann wurde
ihr Sound düster, richtig düster: die Nebenwirkungen und so. Die Single
„Firestarter“ wurde 1997 zu ihrem Signatursong. Der Track hatte zwar noch
Breakbeats, aber auch ein Gitarrenriff Marke Hui Buh das Schlossgespenst.
Und Keith Flint war nun Vorturner und Sänger, ein Fürst der Finsternis mit
Piercing und Seiten-Doppeliro. Und er sang richtige Texte: „I'm the trouble
starter/Punkin' instigator /I'm the fear addicted, a danger illustrated.“
Die Musik war eine Mesalliance aus Rave-, Gothic- und Punkelementen, auf
der Bühne wurde ein Spektakel entfesselt mit Feuerschluckern und
tonnenschwerer Lightshow. Nichts für Feinmotoriker. Nun spielten The
Prodigy auch leibhaftige Konzerte, traten auf allen großen Festivalbühnen
auf, tourten um die Welt, ein mega-erfolgreiches Pop-Unternehmen.
Insgesamt haben The Prodigy neun Alben veröffentlicht, ihr letztes Album
„No Tourists“ erschien im Herbst 2018. Am Montagmorgen wurde der 49-jährige
Keith Flint tot in seinem Haus in Essex gefunden, er hat sich vermutlich
das Leben genommen. Die Todesursache ist noch nicht geklärt. Ob im Himmel
oder Out of Space: Sein zweiter Name ist Ärger.
4 Mar 2019
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=a4eav7dFvc8
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Rave
Punk
Punk
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