# taz.de -- Satiresendung über Millennials: Diese jungen Leute | |
> Hashtag Mord! Ein Beitrag der Comedyshow „Late Night Berlin“ von Klaas | |
> Heufer-Umlauf ist eine erschreckende Parodie der Millennials. | |
Bild: Besser nicht hinsehen | |
Sollten Aliens einmal [1][die Zeitkapsel finden], die ihnen den westlichen | |
Homo sapiens sapiens im Jahr 2019 näherbringt, wenn unsere Spezies | |
selbstverschuldet ausgestorben ist – dann sollte dieses Video zum | |
Verständnis dabei sein. Es ist [2][ein Satire-Beitrag der gestern | |
gesendeten ProSieben-Show „Late Night Berlin“]. | |
Die „Millennials“, gemeint ist die in den 1980er-Jahren geborene | |
Generation, übernehmen darin den Traditionsonkel des deutschen Fernsehens: | |
Den „Tatort“-Krimi. Das ist nicht lustig, sondern ein echter Grusel-Film. | |
Wie die jungen Leute hier agieren, hätten sich die Frankfurter | |
Kulturpessimisten des 20. Jahrhunderts nicht besser ausdenken können. | |
Die prominenten Moderator:innen Klaas Heufer-Umlauf und Palina Rojinski | |
spielen die lächerlichen Vertreter:innen der „Millennials“. Sie in | |
trendiger Schlaghose und Daunenjacke, er mit „Man Bun“, Metallgestell und | |
Sherpa Trucker-Jacke (wem das nichts sagt, benutze das Internet, stupid!). | |
Dabei sind Heufer-Umlauf, 35 Jahre alt, und Rojinski, 33, für aktive | |
Influencer eigentlich 10 Jahre zu alt. Auch die Autorin dieses Artikels | |
(Jahrgang 1993) versteht nicht mehr jedes Wort, es geht ja alles so | |
wahnsinnig schnell in diesem Internet. | |
Am Tatort stellen sich Klaas und Palina einander mit Twitter-Namen und | |
Follower-Anzahl vor. Bei den Millennials ersetzt das die Berufsbezeichnung | |
und den behördlich eingetragenen Namen als Identitätsmarker, so die | |
Message. Die beiden sind zwar als Ermittler:innen hier, stecken aber in der | |
Generation Praktikum. Klaas: „Hab erstmal für drei Monate gedacht, | |
eigentlich bin ich ja DJ und Barista.“ An der Auflösung des Falls – | |
Achtung, Spoiler – kann Hauptkommissar Klaas am Ende übrigens nicht mehr | |
teilnehmen, weil er sich erstmal darüber bewusst werden muss, was er | |
eigentlich wirklich will. | |
## Ein Mord in Instagram-Optik | |
Der Ermordete gehört ebenfalls zur Spezies Mittzwanziger, erkennbar am | |
grauen Hoodie. Die Leiche ist im Dab-Move erstarrt, eine durch den | |
US-amerikanischer Quarterback Cam Newton berühmt gewordenen Tanzfigur. | |
[3][Auch bekannt durch das Online-Spiel Fortnite]. Kenner:innen wissen, | |
dass der Trend von 2015 ist und damit, so wie der Ermordete, klinisch tot. | |
Dessen Todesursache: Erwürgen durch Jutebeutel. Der Ermittler trägt selbst | |
so einen Klischeebeutel, dann war er es wohl selbst, hihi. Nicht erst seit | |
„Fack ju Göhte“ ist beherzte Dummheit für die Älteren das Aushängeschild | |
der Jugend. | |
Beim Beschau der Leiche zeigt die Ermittlerin eine ausgeprägte | |
Markensensibilität. Sie muss würgen, weil diese weißen, kabellosen | |
Kopfhörer so ekelhaft sind. An den Sneakern des Opfers zu lecken ist für | |
sie aber kein Problem. Und ihr Geschmack trügt nicht: Sie erkennt das | |
Modell, es ist schon im „Retail“ sehr teuer. Die jungen Ermittler:innen | |
übernehmen beeindruckend flüssig die Begriffe des Verkaufssprechs. Das | |
Smartphone hingegen: „Ein Opfermodell.“ Die ausgestellte Markenfixiertheit | |
ist platter Humor, doch es steckt ein Funken Wahrheit drin. Egal ob | |
NASA-Socken und FILA-Pulli, große Logos sind wieder en vogue, [4][Naomi | |
Klein hat verloren]. | |
Jetzt kommt die digitale Gesellschaft ins Spiel, deren verballhornte | |
Mitglieder nur noch vor ihren Screens leben. Die Spurensicherung sichert | |
die Beweislage mit der Smartphone-Kamera, Klaas gibt noch einen wichtigen | |
Hinweis zur Filter-Auswahl, der Rest (die Suche nach dem Mörder) wird auf | |
dem Weg zum Coworking-Revier live als Instagram-Story gestreamt. „Hey Leute | |
vom Tatort! Ich hab grad ne echte Leiche inspiziert!“, wird die | |
Netzgemeinde von Kommissarin Palina begrüßt. Denn die Follower der | |
Ermittelnden nehmen per Live-Übertragung am Geschehen teil. Das Reale wird | |
in die Ästhetik und Sprache der Plattform überführt. | |
Das ewige Geraune über die Social-Media-Abhängigkeit ist weder neu noch | |
differenziert, es ist sogar ziemlich ausgelutscht. Das Schockierende an | |
diesem Beitrag ist vielmehr die emotionale Überstrapazierung des Geschehens | |
bei gleichzeitiger Emotionslosigkeit. „Irgendwie war das gerade schon SEHR | |
belastend mit der Leiche und so“, sagt die Influencer-Kommissarin und es | |
ist klar, sie ist mit den Gedanken nicht beim realen Geschehen, sondern bei | |
ihren Followern. | |
## Alles Fake, oder was? | |
Die Simulation wird zur Realität, sagte der Soziologie Jean Baudrillard | |
1981 über die damalige massenmediale Gesellschaft. Die Gesellschaft sei vom | |
Spektakel beherrscht, befand der Kapitalismus-Kritiker Guy Debord drei | |
Jahre zuvor. Das Prinzip des Warenfetischismus zeige sich da, „wo die | |
sinnliche Welt durch eine über ihr schwebende Auswahl von Bildern ersetzt | |
wird […]“, [5][schrieb der französische Intellektuelle im Jahr 1978]. | |
Folgerichtig vermutet Kommissar Klaas hinter dem ganzen Mord eine | |
Fernseh-Show. | |
Mittlerweile sind die Ermittelnden an ihrem Arbeitsplatz: Es ist eine Bar, | |
eingerichtet mit Oma-Lampenschirmen und einer DJane am Plattenspieler. Das | |
Gespräch schweift ab, es geht um Fitness-Programme. „Yoga oder Pumpen?“ | |
lautet die Gretchenfrage. Hier soll die Selbstoptimierungs-Besessenheit | |
deutlich werden, schließlich formt man sich nach dem Körperbild der | |
Influencer. | |
Das anschließende Verhör mit Promi-Flair (Cameo-Auftritt von GNTM-Model | |
Toni Dreher-Adenuga und Youtube-Star „Tanzverbot“) soll den Irrsinn einer | |
medial verstrickten Gesellschaft zeigen. Was ist hier Bild, was ist | |
Wirklichkeit, ist hier alles geskripted? „Das ist doch eine | |
Fake-Persönlichkeit!“, schnauzt der Ermittler den Blogger und | |
Instagram-König Riccardo Simonetti an, der im rosa Kuschelkostüm auftritt. | |
„Jeder Mensch sollte sein dürfen, wer er wirklich sein will!“, erwidert | |
Simonetti salbungsvoll. Das soll wohl den „Gender-Gaga“ der aktuellen | |
identitätspolitischen Debatte parodieren. | |
Als der Mörder schließlich gefunden ist (er ist der Trash-Rapper MC Fitti), | |
stimmen die Follower zwischen „Festnehmen“ und einem „Fortnite“-Tanz ab. | |
Das Ergebnis stimmt hoffnungslos. | |
19 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theatlantic.com/technology/archive/2012/11/a-time-capsule-launc… | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=64BuTQWNHyM | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=ySuTyREcFOQ | |
[4] /!5193294/ | |
[5] http://www.bone-net.de/aktuelles_bilder_und_dateien/Guy_Debord-Die_Gesellsc… | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Nöfer | |
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