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# taz.de -- Klage gegen Macher von „Fortnite“: Wie stiehlt man einen Tanz?
> US-amerikanische Künstler wollen Geld vom Hersteller des beliebten Spiels
> „Fortnite“. Der Vorwurf: Man habe ihnen ihre Tänze geklaut.
Bild: Er verklagt ein Spiel: Alfonso Ribeiro alias Carlton Banks aus der Serie …
Mehrere US-amerikanische Künstler haben eine Klage gegen einen
Computerspielhersteller zurückgezogen. Der Grund der Klage: Der Hersteller
hatte ihre Tanzschritte in seinem erfolgreichen Spiel verwendet. Der Grund
für den Rückzug: eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA,
nach der Personen und Unternehmen keine Klage wegen Urheberrechtsverletzung
einreichen können, wenn sie ihr Werk nicht beim U.S. Copyright Office
registriert haben.
Was wie eine Meldung aus dem Kuriositätenland klingt, mit leichter
Beimischung juristischer Spitzfindigkeitsfimmelei, ist eigentlich eine
Wirtschafts- und Kulturgeschichte.
Aber von Anfang an: Das Spiel, um das es geht, heißt [1][Fortnite]. Es soll
eines der meistgespieltesten Spiele des Jahres 2018 sein. [2][200 Millionen
Menschen sollen in dem Online-Spiel einen Account haben], jedenfalls laut
den Zahlen, die Spieleentwickler Epic Games selbst veröffentlicht hat.
Das Spielprinzip: Im beliebten [3][Battle-Royale-Modus] springen bis zu 100
Spieler*innen über einer Insel ab, auf der sie Waffen und andere Ausrüstung
finden, die ihnen im Kampf gegen andere hilft. Während des Spiels wird das
Gebiet, auf dem sie sich bewegen können, immer kleiner, so dass die
Spieler*innen auf die Mitte der Karte zugetrieben werden. Wer am Ende
überlebt, hat die Partie gewonnen.
Der Battle-Royal-Modus ist free to play, also kostenlos. Geld verdienen die
Macher*innen des Spiels anders. Indem sie Inhalte verkaufen, mit denen die
Spieler*innen ihre Avatare individueller gestalten und mit denen sie mit
anderen interagieren können. Dazu gehören Kostüme und Emotes, mit denen
Spieler*innen ihrer Figur ein Gefühlsleben geben können.
Zum Beispiel in dem man seinen Avatar [4][den „Fresh“] tanzen lässt, einen
Tanz aus der Serie „The Fresh Prince of Bel Air“. Oder mit dem „Swipe it�…
einem [5][Tanz des Rappers 2 Milly]. Wer diesen Tanz im Spiel für sich
erwerben will, zahlt etwa 5 Euro.
Der Schauspieler Alfonso Ribeiro, der den Charakter Carlton Banks im „Prinz
von Bel Air“ spielt, 2 Milly und die beiden Internet-Bekanntheiten Backpack
Kid und Orange Shirt Kid hatten Spieleentwickler Epic Games verklagt, weil
der von ihnen entwickelte Tänze widerrechtlich in Fortnite verwendet habe.
Ist das Kunst oder nur…äh…Kulturproduktion?
Man mag das Urheberrecht insgesamt albern finden, oder die Idee, Kunst
ließe sich schützen, wie ein Auto, dass man in der Garage einschließt.
Tatsächlich sind viele Kunstwerke erst durch das gelungene Kopieren des
Alten entstanden. Computerspiele, die ebenfalls seit einiger Zeit
[6][weithin als Kunstform gelten], bedienen sich dessen seit langem, das
gesamte Battle-Royale-Genre besteht aus Variationen des immer selben
Spielprinzips. Das Urheberrecht schützt Computerprogramme wie Tänze, das
eine ist nicht automatisch lächerlicher als das andere. Und: Die meisten
Computerspiele zehren von dem kulturellen Fundus, der bereits da ist:
Musik, Bücher und eben auch Tanz.
Aber warum so ein Rummel um 5 Euro? Nun ja, die Kleinbeträge läppern sich.
Battle-Royale-Spiele gehören seit dem Erscheinen des ersten Titels
PlayerUnknown’s Battlegrounds, kurz PUBG, im März 2017 zu den am besten
verkauften Spielegenres der Branche. Wenige Tage nachdem PUBG noch
unfertig, also im Early Access, auf der bedeutendsten Spieleplattform Steam
veröffentlicht wurde, erreichte es Platz 1 der Steam-Verkaufscharts. Im Mai
2017 waren bereits über 2 Millionen Exemplare mit über 60 Millionen
US-Dollar Umsatz verkauft.
Der nächste Rekord ist bereits in Sicht: Das Spiel Apex Legends von
Electronic Arts (EA), einem der größten Unternehmen der
Computerspieleindustrie. [7][EA meldete auf Twitter] vier Wochen nach dem
Start im Februar bereits 50 Millionen registrierte Spieler*innen. Wenn die
Angaben stimmen, wäre das mehr als doppelt so viel wie bei Fortnite vier
Wochen nach dem Start.
Am Anfang war das Morden
Ihren Namen haben die Battle-Royale-Spiele vom dystopischen japanischen
Roman Battle Royal und der gleichnamigen Verfilmung. In einer Welt mit
hoher Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität müssen sich Schüler*innen
einem staatlich organisierten Todesspiel so lange gegenseitig umbringen bis
nur noch ein Sieger oder eine Siegerin übrig bleibt.
In Foren und in den Kommentaren unter Artikeln zur Klage gegen Epic Games
machen sich viele Spieler*innen lustig über die Forderungen der Künstler,
auch der Spott dafür, dass sie ihre Klage zurückgezogen haben, ist groß.
Der Tenor in Deutschland: Verrückte USA, was man da alles einklagen kann,
alles geldgeile Honks.
Auf einer Webseite der PC Games, einem der großen deutschen Medien, die
über Computerspiele berichten, heißt es: „Die andere Frage ist, ob die
Forderungen selbst nach US-Regeln nicht etwas überzogen sind. Im Gespräch
waren nämlich auch Einnahmenbeteiligungen für die Verwendung von Tänzen,
was wohl angesichts ihres Stellenwertes für das Spiel etwas übertrieben
sein mag.“
Ist es das?
In Fortnite ist im Gegensatz zu PUBG nur noch wenig vom düsteren Ursprung
zu erkennen. Die comichafte Grafik nehmen den Kämpfen das Blutige und
Brutale, das sich in PUBG noch findet. [8][Das freundliche Aussehen des
Spiels ist wahrscheinlich einer seiner stärksten Erfolgsfaktoren bei
jüngeren Spielern], auch das gerade erschienene Apex Legends setzt darauf.
Dass die Figuren tanzen können, verstärkt den Knuddel-Aspekt noch. Und das
Verkaufen der Emotes ist eine der Haupteinnahmequellen des
Spieleentwicklers.
Eine andere Frage ist: Lässt sich ein Urheberrecht auf Tänze erheben?
„[9][Die Kombination aus diesen drei Tanzschritten ist eine simple Routine,
die nicht als choreografisches Werk registriert werden kann]“, sagte ein
Vertreter des US Copyright Office über den Carlton von Alfonso Ribeiro.
Fraglich, ob die anderen Kläger da mehr Erfolg haben werden. Laut
[10][deutschen Urheberrecht lassen sich auch Tänze und Choregrafien
urheberrechtlich schützen], allerdings ist im Gegensatz zu Musik
beispielsweise schwammig definiert, wie viele Takte übernommen werden
dürfen. Es ließe sich auch sagen: Tänze lassen sich schwieriger schützen
als andere Kunstformen.
Alte versus neue Kunst
Die Verwertungslogik laut der die Bewegungen von Hüften, Armen und Beinen
etwas ist, was sich jemand reservieren kann, die mag einem befremdlich
vorkommen. Aber diese Logik schützt auch Spiele, in denen immer wieder
jemand mit einem Gewehr durch die Gegend läuft und Zombies umballert.
Der Konflikt um die Tänze in Fortnite illustriert auch die wachsende
Bedeutung einer Industrie, die je nach Einschätzung der Filmbranche den
Rang als Kulturproduzent abgelaufen hat oder es mit Sicherheit noch tun
wird. Mit Computerspielen lässt sich viel Geld verdienen, kein Wunder, dass
viele ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. In diesem Fall andere Künstler,
die mit ihrer „alten“ Kunst also Tanz nicht so viel verdienen wie die
Branche mit der „neuen“ Kunst des Computerspiels.
Ein anderes Beispiel eines solchen Konflikts ist der Streit zwischen dem
polnischen Autor Andrzej Sapkowski und dem Entwicklerteam CD Projekt.
Sapkowksi hat eine erfolgreiche Fantasyromanreihe geschrieben, in der ein
Mutant, der Hexer, sein Geld mit dem Töten von Monstern verdient. Der
Schriftsteller hat die Lizenz aus seinen Büchern Computerspiele zu machen
an CD Projekt verkauft, Medienberichten zufolge für weniger als 10.000
Euro. CD Projekt machte daraus drei Spiele, die zu den besten Werken im
Rollenspielgenre zählen. 2018 forderte Sapkowski dann [11][18 Millionen
Euro von CD Projekt].
In diesem Fall allerdings einigten sich die Entwickler der Computerspiele
mit dem Autoren. Alles andere hätte sich wahrscheinlich auch
geschäftsschädigend auswirken können. Für viele Spieler*innen der
„Witcher“-Reihe ist der Bezug zu den Romanen identitätsstiftend. Sie
erkennen an, dass es die Welt, in die sie eintauchen und den Charakter, den
sie spielen, ohne die Romane gar nicht gäbe. Diesen Status haben 2 Milly
und die anderen Tanz-Kläger bei den Fortnite-Spielern ganz offenbar nicht.
Ihre Anwaltskanzlei hat angekündigt, man werde die Klage wieder einreichen.
12 Mar 2019
## LINKS
[1] /Ein-Computerspiel-und-die-Folgen/!5569980
[2] https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-11-26/fortnite-now-has-200-mil…
[3] https://www.chip.de/news/Kampf-ums-Ueberleben-Das-sind-die-drei-besten-Batt…
[4] http://www.pcgameshardware.de/Fortnite-Spiel-16272/News/Klage-Epic-wegen-Ca…
[5] https://www.dailymail.co.uk/video/news/video-1818836/Video-Rapper-2-Milly-s…
[6] https://www.wired.com/2012/11/moma-videogames/
[7] https://twitter.com/PlayApex/status/1102569284666978305
[8] https://www.newyorker.com/magazine/2018/05/21/how-fortnite-captured-teens-h…
[9] https://www.polygon.com/2019/2/16/18227557/the-carlton-fortnite-dance-copyr…
[10] https://dejure.org/gesetze/UrhG/2.html
[11] https://www.cdprojekt.com/en/investors/regulatory-announcements/current-re…
## AUTOREN
Daniel Schulz
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