| # taz.de -- Podcast von Fridays for Future: 160 Jugendzimmer als Studio | |
| > Fridays for Future verbreitet einen wöchentlichen Podcast. Beteiligt sind | |
| > hunderte Jugendliche – getroffen haben sie sich noch nie. | |
| Bild: Auch am Ende des Podcasts steht stets ein Gedicht | |
| Berlin taz | Zuweilen herrscht Festivalstimmung – zwischen handgemalten | |
| Plakaten, rotzigen Parolen und alten Ärzte-Songs tanzen die | |
| Demonstrierenden sich die Füße warm. „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle, | |
| hey, hey“ heißt es im Berliner Invalidenpark und allerorten bei | |
| freitäglichen Klimastreiks. Wie überall, wo etwas auch Spaß macht, wird an | |
| der Kompetenz der Bewegung gezweifelt: Erst diese Woche dozierte FDP-Chef | |
| Christian Lindner auf Twitter, die [1][großen Zusammenhänge solle man | |
| „Profis“ überlassen]. | |
| Wissenschaftliche Profis meldeten sich: „Scientists for Future“ bestärken | |
| die Freitagsbewegung. Längst sind die Demos freilich informierter, als | |
| Kehlewundschreien und Altmaier-Auspfeifen vermuten lassen. Auf Spotify und | |
| Youtube gibt es einen [2][Podcast] zum Protest, in dem es vor allem um | |
| Fakten geht: „Im Internet gibt es so viele inkorrekte Informationen und | |
| dadurch viel Halbwissen“, sagt Anny Artz, „wir wollen informieren, aber | |
| keine Meinung vorschreiben.“ | |
| Artz ist 17 und im Orgateam des Podcasts, der sich über das | |
| Kommunikationstool Discord verständigt. Telefonisch gibt sie Auskunft über | |
| das Projekt, bittet aber darum, nicht zwischen 7:55 und 13:30 Uhr anzurufen | |
| – Englischklausur. Wie sie gehen die allermeisten Mitwirkenden zur Schule, | |
| die Jüngste ist zwölf, der Älteste 23 Jahre alt. Nachdem Artz Ende Januar | |
| nach einem Slampoetry-Beitrag für eine Vorgängerversion des Podcasts | |
| suchte, meldeten sich über Whatsapp-Gruppen rasch 500 Leute, die mitmischen | |
| wollten. | |
| „Auf meinem Handy sind 789 archiverte Chats und 172 unbeantwortete | |
| Nachrichten“, rechnet sie vor. Da war klar: eine andere Plattform musste | |
| her. Bei Discord, das sonst vor allem bei Gamer*innen beliebt ist, wurden | |
| sie fündig. Gut 160 aktive Mitglieder sind aktuell dabei, als | |
| Redakteur*innen, Techniker*innen, Produzent*innen, Sprecher*innen, | |
| Moderator*innen oder für Nachbearbeitung, Verwaltung, Protokoll. Fünf | |
| Folgen gibt es bislang, einige Tausend hören zu. | |
| ## Ein Sorgentelefon und ein eigener Faktencheck | |
| „Fridays for Future ist eine Bewegung, die durch die Masse getragen wird. | |
| Wir sind eine Organisation von Schülern für Schüler“, sagt Artz, die stolz | |
| auf das Team ist und viel Wert darauf legt, dass Entscheidungen gemeinsam | |
| getroffen werden. So dauern die regelmäßigen Telefonkonferenzen auch schon | |
| mal vier bis fünf Stunden. Denn versammeln können sich die Jugendlichen | |
| nicht, die Computer, vor denen sie schreiben, recherchieren oder recorden | |
| sind über ganz Deutschland verstreut: Von Konstanz bis Hamburg, Aachen, | |
| Mainz oder Weimar. | |
| Anny Artz geht im nordrhein-westfälischen Bad Honnef ans Telefon, hat die | |
| Klausur hinter sich gebracht und erklärt, warum im Podcast nicht die Namen | |
| der Sprecher*innen genannt werden. Man wolle niemanden besonders | |
| hervorheben angesichts der Teams, die im Hintergrund schuften, wie sie | |
| sagt. Neben den redaktionellen und technischen Mitarbeitenden gibt es auch | |
| eine Sektion für Faktenchecks, eine „Feuerwehr“ und ein Sorgentelefon bei | |
| internen Streitigkeiten. | |
| Dass niemand im Vordergrund stehe wie [3][Greta Thunberg] in Schweden oder | |
| Luisa Neubauer und Jakob Blasel, Mitorganisator*innen der hiesigen Streiks, | |
| habe auch Vorteile bei der Abwehr von Hasskommentaren. „Wenn man uns hassen | |
| will, muss man uns alle zusammen hassen“, so Artz. | |
| ## Aus dem Jingle soll ein ganzes Album werden | |
| Im Podcast werden mit seriöser Stimme Nachrichtenzusammen-fassungen oder | |
| Hintergründe zu Klimaabkommen und Greenwashing verlesen. Jugendsprache | |
| verwende man bewusst nicht, stattdessen ist die Losung, rhetorisches | |
| Rüstzeug für Diskussionen zu liefern. Das ist schon mal didaktisch, meist | |
| eher niedrigschwellig, dafür aber vielfältig und fundiert: In einem Google | |
| Doc, das mitveröffentlicht wird, können alle Quellen eingesehen werden. Am | |
| Ende jeder Folge steht ein Gedicht. | |
| Auch einen Jingle hat das Kollektiv erarbeitet, zukünftig soll ein ganzes | |
| Album mit Fridays-for-Future-Kompositionen entstehen. Ein erster Song wird | |
| Mittwochnacht auf Soundcloud veröffentlicht – ebenfalls ohne, dass die | |
| Songwriter, Musiker*innen oder Produzent*innen je gemeinsam ein Tonstudio | |
| betreten haben. Eltern helfen allenfalls mal bei rechtlichen Fragen, den | |
| Rest kriegt man alleine hin. Mit Equipment im Jugendzimmer, einer | |
| Chatplattform und Gestaltungswilligen. Fast wie Profis. | |
| 13 Mar 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /FDP-Chef-kritisiert-Schuelerstreiks/!5579467 | |
| [2] https://www.youtube.com/channel/UCikqBJXehNF7oz-TSOK8rCw | |
| [3] /Frauentags-Auszeichnung-in-Schweden/!5579135 | |
| ## AUTOREN | |
| Finn Holitzka | |
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