# taz.de -- Mehr als 1.500 Orte in über 100 Ländern: Proteste weltweit am Fri… | |
> Hunderttausende junge Menschen wollen am Freitag für eine bessere | |
> Klimapolitik streiken. taz-Korrespondenten aus aller Welt berichten über | |
> ihre Motive. | |
Bild: Düsseldorf am letzten Freitag: Schüler und Schülerinnen protestieren f… | |
Berlin taz | Hunderttausende junge Menschen wollen am kommenden Freitag | |
welt weit für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gehen. Geplant sind | |
Aktionen in mindestens 1.600 Orten in 105 verschiedenen Staaten – von | |
Neuseeland bis Brasilien, von Paris bis nach Nigeria. Hier berichten | |
taz-Auslandskorrepondenten über die Vorbereitungen und was sich die jungen | |
Aktivisten vorgenommen haben. | |
Kate Easlea will „die Australier aufrütteln“ | |
„Seit ich sechs Jahre alt war, habe ich mich um die Umwelt gesorgt“, sagt | |
Kate Easlea. Die Gymnasiastin aus dem Ort Goulburn südlich von Sydney wird | |
am Freitag für ein paar Stunden die Schule schwänzen. „Weil es wichtig ist, | |
dass wir weiterhin auf diesem Planeten leben können“, meint sie. Gemeinsam | |
mit anderen Aktivisten will sie vor dem Büro des australischen | |
Energieministers Angus Taylor für Maßnahmen gegen den Klimawandel | |
protestieren. Es ist einer von vielen Protesten, die in Australien im | |
Rahmen des globalen Schülerstreiks geplant sind. Mit Konsequenzen seitens | |
die Schulleitung müssen die Jugendlichen dabei in der Regel nicht rechnen. | |
Doch der Protest vor Taylors Büro ist besonders wichtig. Der Politiker gilt | |
als glühender Verfechter der Kohleindustrie und der Energiegewinnung durch | |
die Verbrennung des Klimakillers. Taylor gehört zu einem kleinen, aber | |
einflussreichen Netzwerk ultrakonservativer Politiker, für die nur eines | |
zählt: das Überleben der mächtigen Kohleindustrie. Nicht nur ist Kohle für | |
Australien eines der wichtigsten Exportprodukte. Gut 70 Prozent des Stroms | |
generiert Australien mit dem fossilen Brennstoff. Nicht zuletzt deshalb | |
gehört der Kontinent zu den schlimmsten C02-Emmittenten der Welt pro Kopf. | |
Premierminister Scott Morrison brachte einmal einen Kohlebrocken ins | |
Parlament mit, um zu zeigen, „wie ungefährlich“ der Brennstoff sei. Er | |
meint, die Kinder sollten sich lieber um andere Dinge kümmern und die | |
Sorgen um die Zukunft den Erwachsenen überlassen. „Ich wünsche mir mehr | |
Lernen in der Schule und weniger Aktivismus“, sagte Morrison zu den | |
Streikaktionen. | |
Kate Easlea will die Australier aufrütteln. Sie wolle zwar nicht selbst in | |
die Politik gehen, denn „das ist zeitaufwendig und zermürbend“. Aber sie | |
glaube „an die Politik der kleinen Schritte“, und nennt Rosa Parks als | |
Vorbild. Die US-Afroamerikanierin hatte sich 1955 in einem Bus geweigert, | |
ihren Platz für einen weißen Fahrgast zu räumen. Daraus entstand die | |
schwarze Bürgerrechtsbewegung. „Kleine Gesten können eine große Wirkung | |
haben“, sagt Kate. Urs Wälterlin, Sydney | |
Asheer sagt: „Es muss etwas passieren“ | |
„Unser Planet stirbt. Ich will, dass unsere Regierung etwas dagegen | |
unternimmt“, sagt die 15-jährige Asheer. Deshalb wird sie mit ihrer | |
Schwester und ihren Freunden am Freitag zum Schülerprostest in Indiens | |
Hauptstadt Delhi gehen. Dort sind gleich zwei Demonstrationen angekündigt. | |
Asheer möchte ihre Stimme nutzen, sagt sie. Schließlich sei es ihre | |
Generation, die mit den Folgen des Klimawandels leben muss. Dieser Tage ist | |
sie voll beschäftigt. Nach der Schule kommen Freunde nach Hause zum | |
Schilderbasteln, erst dann geht es an die Hausaufgaben. | |
Unterstützung bekommt sie von ihrer Mutter, die sich mit anderen Eltern | |
zusammengeschlossen hat, um eine Genehmigung für die Veranstaltung zu | |
beantragen. „Es kann nicht sein, dass in der dreckigsten Hauptstadt der | |
Welt nichts passiert“, sagt Mutter Bhavreen. Sie haben verfolgt, wie ihre | |
Mitstreiter*innen wöchentlich auf die Straße gegangen sind. Diesen Freitag | |
werden sich die beiden Mädchen anschließen. | |
Zwei Schulen in Delhi sind ebenfalls dabei, sagt Bhavreen. Sie schätzt, | |
dass etwa 200 Schüler*innen zum zentralen Connaught Place in Delhi kommen | |
werden. Geplant sind dort Redebeiträge ausschließlich von Jugendlichen.Weil | |
gerade Prüfungsphase ist, beginnen beide Demonstrationen um 11.30 Uhr, | |
damit alle Schüler*innen teilnehmen können. Natalie Mayroth, Mumbai | |
Louis Boyard: „Schule schwänzen einzige Möglichkeit“ | |
Bisher hielt sich die Mobilisierung der Jugendlichen in Frankreich in eher | |
bescheidenen Grenzen. An einer ersten Schülerdemonstration für den | |
Klimaschutz vor einem Monat in Paris beteiligten sich nur etwa 200 | |
Jugendliche. Doch bei der zweiten Aktion – Greta Thunberg war dabei – waren | |
es schon einige Tausend. | |
An diesem Freitag werde das Land eine große Überraschung erleben, | |
prophezeit Louis Boyard, der Vorsitzende der Schülerorganisation UNL: „Es | |
ist völlig unmöglich vorauszusagen, wie viele MittelschülerInnen sich daran | |
beteiligen werden. Es hat noch nie etwas Vergleichbares gegeben. Die Schule | |
schwänzen ist unsere einzige Möglichkeit, auf uns aufmerksam zu machen.“ | |
Mehrere Gewerkschaften wollen den Schulstreik mit einem Ausstand vom | |
Kindergarten bis zur Hochschule unterstützen. | |
Boyard kann sich nicht vorstellen, dass die Abwesenheit vom Unterricht | |
bestraft wird. Hingegen befürchtet er, dass es zu gewaltsamen | |
Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen könnte. Er weiß, wovon er | |
spricht: Boyard selbst wurde Anfang Februar von einem Polizeigeschoss am | |
Fuß verletzt, als er in Paris gewaltlos zur Unterstützung der Gelbwesten | |
demonstrierte. | |
Was wird am Freitag in Frankreich geschehen? Boyard sagt dazu: „In einigen | |
Fällen, wenn eine große Mehrheit dafür ist, werden die bestreikten Schulen | |
kollektiv geschlossen, andernorts verlassen die Schüler und Schülerinnen | |
gemeinsam ihr Lycée, um sich in ihrer Stadt an Versammlungen zu | |
beteiligen.“ In mehr als hundert Städten des Landes sind Kundgebungen | |
geplant, am Samstag soll es eine große Demonstration geben. | |
Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer reagierte flexibel: Er schlug vor, | |
am Freitagnachmittag Schülerdebatten zu organisieren. Er findet es prima, | |
wenn sich die Jugendlichen engagieren. Nur möchte er das offenbar lieber in | |
behördlich organisiertem Rahmen kanalisieren. Rudolf Balmer, Paris | |
Oladosu Adinke: „Menschen ignorieren das Thema“ | |
Oladosu Adinke ist es leid: „Niemand spricht hier über den Klimawandel“, | |
kritisiert die 24-Jährige, die in der nigerianischen Hauptstadt Abuja lebt. | |
Dabei seien die Auswirkungen längst deutlich zu spüren. „Die Temperaturen | |
steigen an. Es wird heiß“, so erlebt sie jeden Tag. Wer durch das Land | |
reist, sieht und spürt den Klimawandel. Betroffen ist zum einen der Norden, | |
wo immer mehr Land zur Wüste wird. Im Süden frisst zum anderen das Meer die | |
Strände weg. Rund um die Metropole Lagos sind die ersten Häuser | |
verschwunden, die zu nahe am Wasser gebaut worden waren. | |
Oladosu Adinke, die sich als Ecofeministin bezeichnet, sieht die Regierung | |
in der Verantwortung, die bisher nichts gegen den Klimawandel unternommen | |
habe. Doch nicht nur das: „Die Menschen ignorieren das Thema und sprechen | |
nicht einmal darüber.“ Dieses Schweigen will sie am Freitag brechen. „Es | |
wird ein historischer Freitag werden. Zum ersten Mal gibt es einen | |
Schulstreik für das Klima.“ Treffpunkt ist die Lokalverwaltung im | |
Stadtteil Area 10. | |
Dass sie zum ersten Klimastreik in Afrikas bevölkerungsreichstem Land | |
aufruft, liegt an der Schwedin Greta Thunberg. Als Oladosu Adinke von der | |
Aktion der 16-jährigen Schwedin hörte, begann sie über Klimaschutz, | |
Frauenrechte und den Schülerstreik zu twittern. Parallel schrieb sie ihre | |
ersten Blogeinträge und diskutierte mit Freunden darüber. | |
Für den Freitag hat Adinke die Zusage von zehn Mitstreitern und hofft auf | |
weitere Interessierte. Im weltweiten Vergleich klingt das mager. Aber das | |
hält OladosuAdinke nicht von ihrem Protest ab: „Motiviert bin ich trotzdem. | |
Denn ich weiß: Ich bin nicht alleine.“ Kathrin Gänsler, Cotonou | |
Eyal Weintraub: „Wir machen das selber“ | |
In Argentinien findet der erste Friday for Future erst um 18 Uhr vor dem | |
Kongressgebäude im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires statt. Da das | |
Zusammentreffen nach Schulschluss beginnt, können die Schulleitungen der | |
Sache entspannt entgegensehen. Ohnehin hat der Unterricht an den | |
öffentlichen Schulen erst in dieser Woche mit drei Tagen Verspätung | |
begonnen. An den ersten Tagen streikten die Lehrer für höhere Löhne. Das | |
Thema Klimawandel hat da keinen Platz. | |
In einem Land, in dem 30 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, stehen | |
Treibhausgasemissionen ohnehin nicht ganz oben auf der Tagesordnung. Nur | |
wenigen Menschen ist der Namen Greta Thunberg bekannt. Bisher sind es | |
SchülerInnen von Privatschulen, die sich des Themas angenommen haben. So | |
wie Eyal Weintraub: „Wir haben wie viele andere auch das Video von Greta | |
gesehen, aber niemand organisierte etwas. Also haben wir uns gesagt, dann | |
machen wir das.“ Der 18-jährige Absolvent einer jüdischen Schule ist | |
Mitbegründer der „Jugend für das Klima Argentinien“. | |
„Argentinien ist keiner der großen Treibhausgasemittenten, aber es wird ein | |
Land sein, das von den Auswirkungen des Klimawandels sehr betroffen sein | |
wird, sagt Weintraub. Zur Versammlung in Buenos Aires haben nicht nur | |
SchülerInnen aufgerufen. Erwartet werden auch Studierende und Mitglieder | |
von Umweltorganisationen. „Wir wollen, dass es zu einer umfassenden | |
Mobilisierung kommt und das Thema in der ganzen Region ins Bewusstsein | |
tritt“, sagt Eyal Weintraub. Jürgen Vogt, Buenos Aires | |
14 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
Natalie Mayroth | |
Jürgen Vogt | |
Rudolf Balmer | |
Katrin Gänsler | |
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