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# taz.de -- Debatte Soziale Gerechtigkeit: Zu kurz gesprungen
> Die SPD-Vorschläge für eine neue Arbeitsmarktpolitik gehen in die
> richtige Richtung. Beim Arbeitslosengeld I sind sie aber unzureichend.
Bild: Die SPD will eine respektvolle Arbeitspolitik. Das erfordert eine Umstruk…
[1][Bürgergeld statt Arbeitslosengeld II], so der politische
Befreiungsschlag der SPD für eine „würde- und respektvolle“
Arbeitsmarktpolitik. Auch die ergänzenden Vorschläge zu Verbesserungen von
ALG I, Abschwächung der Sanktionen bei ALG II, Wohngeld, Ausbildungshilfen
und Kindergrundsicherung sind Schritte in die richtige Richtung.
Die praktischen Vorschläge bleiben jedoch auf halbem Wege stecken,
abgesehen davon, dass sie in der Großen Koalition so nicht umgesetzt werden
können. Auch das von SPD-Bundesarbeitsminister Heil durchgesetzte
Teilhabechancengesetz mit einem sozialen Arbeitsmarkt für
Langzeitarbeitslose ist keinesfalls ausreichend.
Erforderlich ist vielmehr eine Neuverteilung von Verantwortung, Personal
und Finanzen zwischen Jobcentern und Arbeitsagenturen. Die Jobcenter sind
mit ALG II, Betreuung der Bedarfsgemeinschaften, Kosten der Unterkunft,
Sanktionsmechanismen, Kinderpaketen und flankierenden sozialen Maßnahmen
bereits heute in hohem Maße ge- und überfordert, sodass für die berufliche
Eingliederung nicht genug Kapazitäten vorhanden sind.
Beratung, Förderung und Vermittlung einschließlich der
Arbeitslosenunterstützung für grundsätzlich alle erwerbsfähigen
Arbeitslosen müssen von den Arbeitsagenturen übernommen werden. Auch ein
Teil der Verantwortung für die soziale Flankierung ist von den dafür
zuständigen sozialen Institutionen zu leisten, insbesondere Kinderpakete,
Kinderbetreuung, gesundheitliche Versorgung bis zur Suchtbekämpfung oder
Entschuldung.
## Schnittstellen müssen abgebaut werden
Für die Jobcenter blieben dann immer noch genug Aufgaben, die sie dank
ihrer lokalen Nähe und der kommunalen Vernetzung besser leisten können.
Dies gilt auch für einen sozialen Arbeitsmarkt. Damit müssten auch die
immer noch nicht verheilten Schnittstellen zwischen Arbeitsagenturen und
Jobcentern als gemeinsame Einrichtungen mit den Kommunen einerseits sowie
den kommunalen Optionskommunen andererseits weiter abgebaut werden.
Ebenfalls könnten die Schwierigkeiten des Zusammenwachsens der
Beschäftigten von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit in den gemeinsamen
Jobcentern verringert werden. Nach den politischen Kontroversen über Hartz
IV und der Einrichtung von jetzt 408 Jobcentern, davon 105 Optionskommunen,
kann dies nur schrittweise erfolgen.
Vordringlich ist die [2][Berufsberatung aller Jugendlichen] bei der Suche
nach Ausbildungsstellen einheitlich durch die Arbeitsagenturen. Die
derzeitige unterschiedliche Behandlung von Jugendlichen aus
ALG-II-Bedarfsgemeinschaften durch die Jobcenter ist nicht zu vertreten und
eher mit einer Stigmatisierung verbunden.
Ebenfalls ist erforderlich, die etwa 600.000 sozialversicherungspflichtig
beschäftigten Aufstocker, die wegen Niedriglöhnen ergänzende
Hartz-IV-Leistungen beziehen müssen, von den Arbeitsagenturen zu
übernehmen. Damit haben sie erheblich größere Chancen, durch geeignete
Beratung, Arbeitsmarktförderung und Eingliederungshilfen den Übergang in
eine existenzsichernde Beschäftigung und so den Ausstieg aus dem
Hartz-IV-System zu erreichen.
## Unterschiede bei der beruflichen Weiterbildung
Dies wird allerdings nur gelingen, wenn auch die Leistungen für Wohnung und
Kindererziehung ausreichend angehoben werden. Betroffen sind weitere
Hunderttausende Mitglieder der Bedarfsgemeinschaften in Hartz IV.
Symptomatisch für die Nachteile von ALG-II-Empfängern in den Jobcentern
sind die erheblichen Unterschiede in der beruflichen Weiterbildung. Während
im ALG-I-Bereich der Arbeitsagenturen etwa ein Fünftel der gering
qualifizierten Arbeitslosen eine Förderung der Qualifizierung erhalten,
sind dies bei den ALG-II-Empfängern in den Jobcentern nur wenige Prozent.
Nachweislich trägt die berufliche Qualifizierung erheblich dazu bei, dass
der Einstieg in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gelingt.
Besonders schwierig ist trotz der ständig beschworenen Lücke an Arbeits-
und Fachkräften die Eingliederung von arbeitslosen Menschen in höherem
Lebensalter, mit gesundheitlichen Einschränkungen und mit Behinderung. Für
eine wirksame Eingliederung müssen die gesundheitlichen Einschränkungen
erfasst werden, um geeignete Fördermaßnahmen zu ermöglichen.
## Mehr Personal in Jobcentern und Arbeitsagenturen
Während in den Arbeitsagenturen Teams zur beruflichen Rehabilitation
Pflicht sind, ist dies in den Jobcentern nicht der Fall, womit weitere
Nachteile bei Förderung und Eingliederung in Arbeit bestehen. Dies könnte
auch die praktische Umsetzung des Teilhabechancengesetzes zur
Eingliederung von besonders schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen,
insbesondere auch der Menschen mit Behinderungen, erschweren. Ihr Transfer
in die Arbeitsagenturen wäre eine Voraussetzung zur Erleichterung ihrer
beruflichen Eingliederung.
Jährlich müssen mehrere 100.000 Menschen, die ihre Arbeit verlieren,
[3][direkt in Hartz IV übergehen], da sie die verschärften Bedingungen für
den Bezug von ALG I nicht erfüllen. Dabei haben sie vielfach ihre
Pflichtleistungen zur Arbeitslosenversicherung erbracht. Dies ist eine
besondere Ungerechtigkeit, die durch die Ausweitung von prekärer
Beschäftigung wie Leiharbeit oder befristeter Beschäftigung verschärft
wird.
Es ist daher nur folgerichtig, wenn der Bezug der Arbeitslosenversicherung
wieder erleichtert und verlängert wird. Hiermit würde für die betroffenen
Arbeitslosen mit den Förderleistungen der Arbeitsagenturen der Zugang zu
sozialversicherungspflichtiger Arbeit erleichtert.
Die Schieflage zwischen Fordern und Fördern in Hartz IV zeigt sich auch in
dem seit Jahren ständigen Einsatz der Finanzmittel zur Eingliederung
Langzeitarbeitsloser für die Verwaltungskosten in den Jobcentern. Dringend
erforderlich für die Eingliederung schwer vermittelbarer Arbeitsloser ist
die Gewährleistung ausreichender Personalstellen in Jobcentern und
Arbeitsagenturen.
17 Mar 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Ursula Engelen-Kefer
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