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# taz.de -- Kolumne „Durch die Nacht“: Frauen machen bessere Popmagazine
> Musikmagazine eingestellt! Printmagazine sterben aus! Von wegen: In
> Berlin erscheinen nun wieder Musikmagazine – und sie sind lesenswert.
Bild: Betrachtungssache, nicht nur für Musikmagazine: Plattenhüllen einer Aus…
Neulich habe ich auf dem Flohmarkt einen dicken Stapel Sounds-Hefte
ergattert. Sounds, das war als Musikzeitschrift so eine Art Vorläufer von
dem, was bald die [1][Spex] werden sollte, und sie bot Popmusikbetrachtung
der intellektuelleren Sorte.
Als ich die Magazine von damals – vor allem die Ausgaben aus den frühen
Achtzigern – nochmals durchgeblättert hatte, verstand ich erst so richtig,
warum es Musikzeitschriften heute so schwer haben. Damals ging es im
sogenannten Popdiskurs eben noch um alles. Hörst du die richtige Musik und
versteht du ihre Codes, darfst du weiterlesen. Andernfalls: Verpiss dich!
Und genau so wurde das auch geschrieben. Und wer einen Leserbrief
hinschickte, musste immer damit rechnen, von der Redaktion eine gepfefferte
Antwort zu bekommen. Herrlich! Etwas verwirrend finde ich allein, dass man
sich damals anscheinend nichts dabei dachte, Schwarze konsequent mit dem
N-Wort zu benennen. Ist halt doch alles sehr lang her.
Nun sind sie ja alle weg, die Musikzeitschriften, außer ein paar Ausnahmen.
Die Sounds sowieso und zuletzt auch die Intro, die [2][Groove] und die
Spex. Das war’s halt. Bleibt nur noch das Internet.
Stimmt aber gar nicht, stelle ich gerade fest. Die Musikzeitschrift ist
tot, es lebe die Musikzeitschrift! Und zwar wieder eher so, wie sich einst
auch die Sounds verstanden hat: als unabhängiges Produkt in der Anmutung
eines Fanzines. Für etwas Bestimmtes brennen, statt Routine und immer nur
neue Platten abzufeiern, das ist die Grundidee hinter so manchen neuen
Printblättern zur Popkultur aus Berlin.
## Die Verbindungen zwischen „Design und Pop“
Da gäbe es etwa nun die erste Ausgabe von [3][Gosh], die sich ganz für die
Verbindungen zwischen „Design und Pop“ interessiert. Plattenhüllen,
Clubdesign, alles, was dazu dient, der Popkultur den nötigen Glanz zu
verleihen, soll hier im ersten Heft und in der Zukunft näher untersucht
werden. Spezialisierung also statt des Versuchs, thematisch alle
mitzunehmen. Tatsächlich ein wenig wie einst bei der Sounds.
Genauso läuft das auch bei Vinyldyke, einem ebenfalls neuen Magazin, das
jetzt debütiert. Die Themen sind andere als bei der Gosh; und auch optisch
kommt es ganz anders daher. Hier wird sich an die gute alte
Fanzine-Ästhetik aus einer Zeit erinnert, als man sich seine Magazine noch
mit Schere, Klebstift und Schreibmaschine selbst zusammenbastelte, kopierte
und die 200 Exemplare in den nächsten Plattenläden verteilte. Krakelige
Typo, schlecht aufgelöste Schwarz-Weiß-Fotos, das sorgt hier für den
nötigen Do-it-yourself-Charme. Themen sind Feminismus und Riot-Grrrls. L7,
The Breeders, Sleater Kinney, die klassischen Bands der Szene, bekommen
einmal mehr verdiente Würdigungen.
Und jetzt auch neu ist die vierte Ausgabe des Berliner
Techno-und-Kultur-Magazins [4][Borshch], die wieder so schick geworden ist
wie die letzten Ausgaben auch schon.
Es fällt auf, dass sämtliche dieser Magazine von Frauen gemacht werden. Die
dürfen zwar inzwischen verstärkt auch in anderen Medien über Musik
schreiben, aber vielleicht noch immer in einem Rahmen, der doch eher von
den männlichen Poperklärern gesteckt wurde. Design und Pop, Frauenpunk, das
sind schließlich eher nicht die Themen, die regelmäßig in den großen
Musikmagazinen rauf und runter verhandelt werden.
Die goldene Ära der Musikzeitschrift als Printprodukt – sie beginnt
vielleicht jetzt erst.
10 Mar 2019
## LINKS
[1] https://spex.de/
[2] https://groove.de/2019/03/06/zeitgeschichten-ian-pooley/
[3] https://gosh-magazine.com/
[4] http://borshchmagazine.com/about
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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