# taz.de -- Europaparteitag der Linken: Bitte mehr Begeisterung! | |
> Die Linke ringt um ihr Verhältnis zur EU. Ein Antrag der Reformer für | |
> eine Republik Europa wird genauso abgelehnt wie eine schärfere EU-Kritik. | |
Bild: Für die EU? Oder dagegen? Oder gar beides? Abstimmung beim Parteitag der… | |
BONN taz | „Erkämpft das Menschenrecht“ steht auf der Tafel hinter der | |
Rednertribüne. Auf dieses gemeinsame Motto kann sich die Linke [1][auf | |
ihrem Bonner Europaparteitag] einigen, diskutiert allerdings über den | |
passenden Rahmen. Will sie das Menschenrecht innerhalb der EU erkämpfen | |
oder muss die EU zunächst mal abgeschafft werden? Oder anders ausgedrückt: | |
Kann es ein richtiges Leben im falschen geben? | |
In der Generaldebatte um das Programm für die Europawahl im Mai prallen am | |
Samstagvormittag beide Positionen aufeinander. Einen Ausweg aus diesem | |
Grundsatzstreit versucht der Antrag für eine Republik Europa aufzuweisen. | |
Die EU soll demnach zunächst erhalten bleiben, langfristig soll der Verbund | |
aber in ein Gebilde migrieren, in der die Nationalstaaten aufgehoben sind | |
und eine europäische Regierung die zentralen Politikfelder wie etwa | |
Arbeitsmarkt, Sozialpolitik oder Steuern auf europäischer Ebene verwaltet. | |
Eine zweite Parlamentskammer, in welchem die europäischen Regionen | |
vertreten sind, soll sicherstellen, dass regionale Interessen nicht unter | |
den Tisch fallen, ähnlich wie im Bundesrat die Länder ihre Interessen | |
wahren. | |
Der Antrag ist ausdrücklich als Vision gekennzeichnet, umso | |
bemerkenswerter, dass ihn ausgerechnet die Pragmatiker in der Linkspartei | |
vom Forum Demokratischer Sozialismus eingebracht haben. „In dieser Republik | |
wird es nicht mehr darum gehen, ob ein Antrag aus Deutschland oder | |
Frankreich kommt, sondern ob er von links oder rechts kommt“, wirbt | |
Außenexperte Stefan Liebich für die Position. | |
Noch bemerkenswerter ist, dass andere Reformer ihm widersprechen. Die Idee | |
habe ja eine gewisse Faszination, die aber an realen Auseinandersetzungen | |
vorbeigehe, meint der ehemalige Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf, | |
nun Schatzmeister seiner Partei. Die Aufhebung der Verfassungen sei kein | |
realpolitischer Vorschlag. | |
## „Das ist ein starkes Ergebnis“ | |
Diese Konstellation ist bezeichnend für den Parteitag: In Bonn streitet | |
nicht Flügel gegen Flügel, Ost gegen West, sondern verschiedene Personen | |
feilschen um Nuancen des Europawahlprogramms, mal lagerübergreifend, mal | |
innerhalb des eigenen Lagers. Dieses Ringen um Spiegelstriche macht die | |
Debatte mitunter schwer nachvollziehbar, aber auch grundsachlich. | |
Klaus Lederer, real amtierender Kultursenator der Linken, wirft sich zwar | |
noch einmal für die Republik Europa in die Bresche: „Ich wünsche mir, dass | |
die Linke den Dingen mal nicht hinterher rennt, sondern sich an die Spitze | |
stellt“, sagt er. Aber die Republik Europa wird am Ende mit knapper | |
Mehrheit, nämlich 256 Nein- zu 214 Ja-Stimmen abgelehnt. Für die Reformer | |
kein Grund zum Schmollen: „Das ist ein starkes Ergebnis, auch wenn es noch | |
nicht ganz reicht“, meint Liebich zur taz. „Wir machen weiter.“ | |
Besänftigten dürfte die demokratischen Sozialisten, dass auch Anträge aus | |
dem linken Parteiflügel, welche die Kritik an der EU schärfen wollen, keine | |
Mehrheit finden. Die Antikapitalistische Linke, die die Kritik an der EU | |
viel „deutlicher und pointierter“ formulieren wollte, fällt mit ihrem | |
Ansinnen genauso durch wie die Kommunistische Plattform, die die EU und | |
ihre Geschichte als „reaktionär“ bezeichnen möchten. | |
## „Hände weg von Venezuela“ | |
Dem moderaten Kurs, den der Parteivorstand mit der schon im Vorfeld | |
geänderten Präambel vorgegeben hat, bleiben die Delegierten treu. Eine eher | |
schwache Rede von Gregor Gysi, der dafür wirbt, die EU nicht nur als | |
notwendiges Übel, sondern auch als Chance zu sehen, quittieren sie mit | |
mäßigem Applaus. | |
Der Parteivorsitzende Bernd Riexinger verlässt den Saal zur Mittagspause | |
jedenfalls mit einem zufriedenen Lächeln. „Das stärkt unseren Kurs, nach | |
dem wir einerseits die EU kritisieren, andererseits aber viel deutlicher | |
machen wollen, was wir konkret verändern wollen“, sagt er der taz. | |
Dieser Europaparteitag über das Wahlprogramm der EU ist bisher weit | |
entfernt von den emotional geführten Debatte über die Migrationspolitik, | |
die im Juni vergangenen Jahres in Leipzig den Bundesparteitag fast | |
sprengte. Obwohl im Grunde Erleichterung zu spüren ist, dass die Gräben | |
zugedeckt sind, musste der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch in seiner | |
Rede die Partei fast ermahnen, nicht zu emotionslos daherzukommen. „Wir | |
müssen Begeisterung ausstrahlen“, versuchte Bartsch die Delegierten zu | |
kitzeln. „Wir können die Menschen nur gewinnen, wenn wir selbst von unseren | |
Ideen begeistert sind.“ | |
Dass gerade einfache Ideen nach wie vor für viel Begeisterung in der Linken | |
sorgen, zeigt eine Gruppe um die stellvertretende Fraktionsvorsitzende | |
Heike Hänsel. Nach der Mittagspause erklimmen sie die Bühne und fordern | |
angesichts der [2][politischen Krise in dem lateinamerikanischen Land] | |
„Hände weg von Venezuela“. Sie skandieren „Hoch die internationale | |
Solidarität“ und animieren Delegierte zum rhythmischen Klatschen. | |
Allerdings längst nicht alle. | |
23 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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