# taz.de -- Europaparteitag der Linkspartei: Eine Art Liebeserklärung an Europa | |
> „Es geht um mehr Europa“: Die Linkspartei kann auch ruhig. Auf dem Bonner | |
> Parteitag gibt es am ersten Tag kaum Streit. | |
Bild: Geht „demokratischer Sozialismus“ auch in der EU? Die Parteivorsitzen… | |
Bonn taz | 3,50 Euro kostet die Halbliterflasche Sprudel in der Kantine des | |
Bonner World Conference Center, und so sieht man immer wieder Delegierte | |
der „Arme-Leute-Partei“ Die Linke, die sich lieber an den kostenlosen | |
Wasserspendern vor dem Konferenzsaal bedienen. | |
Das Raumschiff Linkspartei ist in Bonn gelandet, drei Tage Europaparteitag | |
im ehemaligen Regierungsviertel. Vor dem Eingang hängen ein paar Plakate | |
der Genossen, die üblichen Stände von Cuba Si und Frauengruppen sind | |
aufgebaut. Aber Heimspiele sehen anders aus. | |
Bonn soll anders als Leipzig im Juni vergangenen Jahres, als die | |
Migrationsfrage die Partei spaltete, ohne großen Kladderadatsch über die | |
Bühne gehen. Wenn auch nicht ohne Kontroversen – [1][das Verhältnis zur EU] | |
ist zwischen den Pragmatikern vom Forum Demokratischer Sozialismus (FDS) | |
und dem linken Parteiflügel umstritten. Der Entwurf zum Europawahlprogramm, | |
den der Bundesvorstand verabschiedet hat, bewegt sich irgendwo zwischen | |
beiden Seiten. | |
Am Freitagnachmittag, nach zwei Stunden Gremienwahlen, der erste Höhepunkt: | |
Katja Kipping spricht. Die Parteichefin versucht die Differenzen zur SPD in | |
einer Zeit zu markieren, in der die Sozialdemokraten nach links rücken. Für | |
Kipping macht der „demokratische Sozialismus“ den Unterschied: In Berlin | |
habe eine Mehrheit Sympathien für die Enteignung von Miethaien, sagt sie. | |
In den USA hätten sogar 51 Prozent der Jungen Sympathien für Sozialismus. | |
Die Linke, so findet Kipping, habe Recht behalten: „Was wurden wir | |
beschimpft, als wir Hartz IV als Armut per Gesetz bekämpften. Inzwischen | |
hat sich rumgesprochen, dass Hartz IV überwunden gehört und es gibt ein | |
breites Bündnis für Sanktionsfreiheit.“ | |
## Nationalstaat? Supra-Nationalstaat? | |
In der Europafrage schlägt sich Kipping eher auf die Seite der EU-Freunde: | |
„Auf eine andere EU hinzuarbeiten ist die größere Liebeserklärung als in | |
Europa alles so zu lassen wie es ist“, sagt sie. „Wir wollen kein | |
Auseinanderbrechen der EU.“ Wer die EU-Debatten in der Linkspartei | |
verstehen will, muss zwischen den Zeilen lesen können: Den Austritt aus der | |
EU fordert niemand. Die Skeptiker bezeichnen die EU als „neoliberal, | |
undemokratisch, militaristisch“, die EU-Freunde vom FDS fordern eine | |
„Republik Europa“, die die Nationalstaaten ablöst. Um die Balance zwischen | |
den Flügeln zu wahren, spricht die Linkspartei gern nüchtern vom „Neustart�… | |
der EU. „Liebeserklärung“ ist pathetischer und kommt deshalb dem FDS | |
entgegen. | |
Kipping spricht vom Klimaschutz, den schlechten Bedingungen | |
fürWanderarbeiter in der EU, gegen die AfD. Der Beifall am Ende ist | |
ordentlich, aber nicht überschwänglich. Die später am Abend vorgesehene | |
Rede von Sahra Wagenknecht fällt aus – die Fraktionschefin fehlt | |
krankheitsbedingt in Bonn. | |
Stattdessen redet Rico Gebhardt, Spitzenkandidat der sächsischen Linken, | |
und bekennt sich zur EU: „Ich weiß, dass das eine Vision ist. Wenn wir | |
keine Visionen hätten, wären wir doch bei den Sozialdemokraten“, sagt er. | |
„Es geht um mehr Europa.“ | |
Die Europaabgeordnete Sabine Lösing, die nicht wieder antritt, wendet sich | |
später gegen die Unterscheidung in Pro- und Anti-Europäer: „Will man den | |
Nationalstaat mit einem Supra-Nationalstaat überwinden?“ Unter den | |
gegenwärtigen Bedingungenwerde die Republik Europa ein imperiales Gebilde | |
sein. Daphne Weber (Jugendverband SDS) sagte, man lasse sich nicht von | |
Interrailtickets für die neoliberale EU einkaufen. | |
Am Samstag geht es weiter. Am Vormittag werden vor allem bei der Debatte um | |
die Präambel des Europawahlprogramms die Positionen aufeinanderprallen. Am | |
Nachmittag beginnt die Wahl der Kandidaten für das Europaparlament. Als | |
Spitzenkandidaten auf den ersten beiden Plätzen hat der Bundesvorstand, | |
sorgfältig austariert nach Geschlecht, Parteiflügel und Region, Özlem | |
Demirel (Frau, linker Parteiflügel, West) und Martin Schirdewan (Mann, | |
rechter Flügel, Ost) vorgeschlagen. Gegenkandidaturen gibt es nicht. | |
23 Feb 2019 | |
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[1] /Linken-Politiker-ueber-Europapolitik/!5571158 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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