# taz.de -- Lucy Redler über Die Linke und die EU: „Für das Recht auszutret… | |
> Linken-Bundesvorstandsmitglied Lucy Redler hätte sich eine deutliche | |
> Anti-EU-Position ihrer Partei gewünscht. Die EU-Verträge seien neoliberal | |
> und undemokratisch. | |
Bild: „Sollte es in einem Land der EU eine sozialistische Veränderung geben,… | |
taz: Frau Redler, der Antrag Ihrer Antikapitalistischen Linken (AKL) für | |
eine deutlichere EU-Kritik [1][ist abgelehnt worden.] Wie zufrieden sind | |
Sie mit den Ergebnissen des Parteitags? | |
Lucy Redler: Der Antrag ist nicht abgelehnt worden. Eine Mehrheit wollte | |
eine Passage des Europawahlprogramms nicht noch einmal verhandeln, zu der | |
es den AKL-Antrag und einen EU-freundlichen des Forum Demokratischer | |
Sozialismus gab. Der Parteitag hat knapp entschieden, bei den bisherigen | |
Positionen zu bleiben. Daher wird es ein Geheimnis bleiben, wieviele | |
Stimmen wir bekommen hätten. Aber ein deutlicherer Anti-EU-Kurs ist damit | |
ebenso abgelehnt worden wie ein deutlicherer Pro-EU-Kurs. | |
Ist es nicht sinnvoll, [2][einen Konsens zu suchen], weil die Linke über | |
die EU-Frage ähnlich gespalten ist wie die Briten über den Brexit? | |
Der Programmentwurf der Linken ist ein Spagat. Die Partei versucht, es | |
allen recht zu machen, kann damit aber die Frage, ob sie für mehr oder | |
weniger EU-Integration ist, nicht klar beantworten. Es wäre besser gewesen, | |
wenn die Linke eine deutlich EU-kritischere Position bezogen hätte, ohne | |
den Eindruck zu erwecken, dass wir zurück zum Nationalstaat wollen. Unsere | |
Alternative ist der europaweite Kampf gegen Rassismus und für ein | |
sozialistisches Europa. | |
Die EU-Anhänger in der Linkspartei verweisen auf eine Umfrage, dass die | |
Mehrheit der Linkspartei-Anhänger EU-freundlich sei. Muss die Linke das | |
nicht in ihrer Ausrichtung berücksichtigen? | |
Wenn es keine linke Partei gibt, die eine oppositionelle Position zur EU | |
stark macht, ist es nicht verwunderlich, dass die Umfrage so ausfällt. | |
Außerdem verwechseln viele Menschen heute Europa und die EU. Es ist | |
wichtig, dass die Linke einen internationalistischen Bezug hat, aber | |
trotzdem klar macht, dass die EU nicht im Interesse der einfachen Leute | |
ist. In die DNA der EU-Verträge ist Neoliberalismus und mangelnde | |
Demokratie eingeschrieben worden. | |
Es gab in Ihrem Antrag eine Formulierung: „Die EU ist nicht zu | |
reformieren.“ Die Konsequenzen bleiben unklar: Wollen Sie die EU | |
zerschlagen? Sollen Deutschland oder andere Länder austreten? | |
Ich bin für das Recht von Ländern, aus der EU auszutreten. Es ist jetzt | |
nicht der Zeitpunkt, in Deutschland die Auflösung der EU zu propagieren. | |
Aber sollte es in einem Land der EU eine sozialistische Veränderung geben, | |
ist das ohne Bruch mit der EU nicht möglich. | |
Warum? | |
Weil sonst 27 Staaten zustimmen müssten, die EU-Verträge grundlegend zu | |
ändern. Niemand kann mir erklären, wie das gehen soll. Natürlich kann man | |
kleinere Korrekturen an der EU machen. Ich habe in meiner Rede auf dem | |
Parteitag ein Bild verwandt: das der EU als ein Haus, das auf einem | |
schiefen Fundament errichtet ist. Es ist richtig, Schönheitsreparaturen | |
vorzunehmen, solange wir gezwungen sind, in diesem Haus zu wohnen. Aber das | |
sollte man tun, ohne den Eindruck zu erwecken, in einem stabilen Haus zu | |
wohnen. | |
Ein Delegierter sagte der taz, nach dem Parteitag sei das Wahlprogramm, das | |
hier so umstritten ist, vergessen. Welche Rolle spielt es noch im | |
Wahlkampf? | |
Innerparteilich ist die Debatte wichtig. Was hier entschieden wird, ist ein | |
Referenzpunkt, welche Aussagen die Partei in Zukunft trifft. Die Menschen | |
außerhalb der Linken werden das aber nur in groben Linien wahrnehmen. | |
Deshalb ist wichtig, wie der Wahlkampf geführt wird. Wir müssen im | |
Europawahlkampf soziale Themen und Kämpfe stark machen, die die Menschen | |
vor Ort betreffen. | |
Ende März steht – möglicherweise – [3][der Brexit an]. Finden Sie es | |
richtig, dass der Labour-Chef Jeremy Corbyn sich nicht eindeutig pro oder | |
contra Brexit geäußert hat? | |
Ich hätte es gut gefunden, wenn Corbyn seine Position aus den 70er Jahren | |
vertreten und sich für einen linken Brexit ausgesprochen hätte. Weil er das | |
nicht gemacht hat, hat Labour die Brexit-Kampagne den Konservativen | |
überlassen. Wir hätten eine linke Pro-Brexit-Stimme gebraucht, die nicht | |
für ein Zurück zum Nationalstaat eingetreten wäre, sondern für eine | |
Systemalternative. | |
23 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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