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# taz.de -- Umweltbelastungen durchs Heizen: Heiz, heiz, Baby
> Räume werden mit Holz oder Kohle, Wärmepumpe oder Gas geheizt. Welche
> Methode ist am besten – und welche schadet der Umwelt am wenigsten?
Bild: Feinstaub steigt auf
Auch wenn die Heizsaison langsam zu Ende geht: Heizen bleibt ein Thema.
Weil es irgendwann wieder nötig sein wird und es immer noch Unklarheiten in
der Sache gibt. Einer, der besonders oft darüber redet, ist der Meteorologe
Jörg Kachelmann, weshalb hier ab und zu auch von ihm die Rede ist. Die
wichtigsten Fragen – und Antworten:
Der Meteorologe Jörg Kachelmann behauptet, immer mehr Leute würden sich
Kaminöfen zur Holzbefeuerung in privaten Wohnungen oder Häusern einbauen
lassen. Stimmt das?
Das lässt sich so nicht bestätigen. Es gibt insgesamt etwa 11,7 Millionen
Einzelraumfeuerungsanlagen in Deutschland. Davon sind etwa 35 Prozent
klassische Kaminöfen, also etwa 4 Millionen. Seit Jahren ist die Summe
verkaufter Kaminöfen gleichbleibend – etwa 300.000. Die meisten Neukäufe
ersetzen ältere Kamin- oder Kachelöfen.
Ist Holz verbrennen schlecht für die Feinstaubquote?
Absolut. Das Verbrennen von Holz produziert sogar mehr Feinstaub als die
Motoren von Pkws und Lkws im Straßenverkehr. Der gesamte Verkehr –
einschließlich Abrieb von Reifen, Bremsen, Straßenbelag – ist aber immer
noch Hauptverursacher von Feinstaub.
Also stimmt [1][Kachelmanns Behauptung], die Feinstaubbelastung durch das
Feuern mit Holz sei größer als die durch durch Dieselautos?
Ja. Im Jahr 2016 kamen in Deutschland etwa 17 Kilotonnen PM10 von
Diesel-Pkws, hingegen aus holzbetriebenen Kleinfeuerungsanlagen in
Haushalten etwa 18 Kilotonnen. Bei den kleineren Partikeln PM2,5 ist die
Differenz noch größer: 10 Kilotonnen PM2,5 von Diesel-Pkws, 17 Kilotonnen
aus holzbetriebenen Kleinfeerungsanlagen.
Der Meteorologe moniert auch, dass die Werte der Feinstaubbelastung nicht
richtig wiedergegeben würden, da die Messstationen nicht in Wohngebieten
lägen. Kann das Umweltbundesamt, das diese Stationen betreut, das
bestätigen?
Nein. Das Amt gibt für das Jahr 2017 an: Insgesamt gab es 377
PM10-Messstationen. Davon 123 verkehrsnah in Städten, 154 in typischen
städtischen Wohngebieten, 65 in ländlichen Gebieten, 35 industrienah. Von
den 191 PM2,5-Messstationen lagen 63 verkehrsnah in Städten, 82 in
typischen städtischen Wohngebieten, 30 in ländlichen Gebieten, 16
industrienah.
Was genau ist Feinstaub?
Ein komplexes Gemisch fester und flüssiger Partikel, das bei
Verbrennungsprozessen im Verkehr, in Kraft- und Fernheizwerken,
Abfallverbrennungsanlagen, privaten und gewerblichen Heizungsanlagen
entsteht.
Wie redet man von Feinstaub, wenn man ein Auskenner ist?
Man kategorisiert ihn in PM, also Particulate Matter. Es gibt zwei
Kategorien: PM10 und PM2,5. Das Partikel PM10 hat einen maximalen
Durchmesser von 10 Mikrometern, abgekürzt µm, und kann beim Menschen in die
Nasenhöhle eindringen. PM2,5 hat einen maximalen Durchmesser von 2,5 µm und
kann bis in die Lungenbläschen vordringen. Ultrafeine Partikel kommen bis
in den Blutkreislauf.
Was ist so schlimm an Feinstaub?
Je nach Größe und Eindringtiefe kann er das Herz-Kreislauf-System belasten
und zu Bronchitis und Asthma führen.
Kann Holzverfeuerung in Wohnräumen Brustkrebs verursachen?
Ein höherer Sozialstatus ist ein bekannter Risikofaktor für Brustkrebs, und
offene Feuerstellen werden häufig von Frauen mit höherem Sozialstatus
betrieben. Ein Zusammenhang konnte bisher allerdings nicht nachgewiesen
werden. Es gibt aber auch erst eine Studie dazu.
Eine schwedische Studie meint, Feinstaub aus Holzverfeuerung könne dement
machen.
Auch dies ist die erste Studie dieser Art. Auch hier das Ergebnis: Kann
sein, muss aber nicht.
Seit wann gibt es Grenzwerte für Feinstaub?
Seit 1999. 2008 wurden sie in der EU-Luftqualitätsrichtlinie
festgeschrieben, seit 2010 sieht die Immissionsschutzverordnung in
Deutschland Grenzwerte für Kamin- und Kachelöfen vor.
Wie oft werden die Grenzwerte überschritten?
Der für PM10 wurde seit 2005 häufig, vor allem in Städten und
Ballungsräumen, überschritten. Mit der Einführung von Umweltzonen gingen
diese Überschreitungen deutlich zurück. Der Grenzwert für PM2,5 wurde in
Deutschland noch nie überschritten. Die WHO empfiehlt aber für beide
Partikel schärfere Grenzwerte.
Welche gesundheits- und umweltgefährdenden Stoffe entstehen beim Heizen mit
Kohle?
Die Emissionen bei der Verbrennung von Kohle sind abhängig von der Art der
Kohle (Steinkohle und Braunkohle) sowie von deren Herkunft (Lausitz oder
rheinisches Revier). Ähnlich wie bei Holzöfen entstehen dabei Staub, Ruß
und andere Luftschadstoffe in etwa denselben Mengen. Darüber hinaus
entstehen aber bei der Kohleverbrennung noch mehr flüchtige organische
Kohlenwasserstoffe und 10-mal so viel Schwefeldioxid wie bei der
Verbrennung von Holz.
Ist das Heizen geschlossener Räume mit Kohle gesundheits- und
umweltbelastender als das Heizen mit Holz?
Ja. Die CO2-Emissionen bei der Verbrennung von Kohle sind nicht biogen
beziehungsweise regenerativ und somit klimarelevant. Das Smog-Ereignis in
London, bei dem im Dezember 1952 mehrere tausend Menschen durch die hohen
Schadstoffkonzentrationen in der Luft starben, wurde maßgeblich durch das
Heizen mit Kohle verursacht. Außerdem ist Holz ein nachwachsender Rohstoff
mit einer CO2-Bilanz, die gegen null geht.
Welche Heizungsmöglichkeit für Wohnungen und Häuser ist die umwelt- und
gesundheitsfreundlichste?
Jede Heiztechnik hat Vor- und Nachteile: Gaskessel vermeiden
Luftschadstoffe, stoßen aber Treibhausgase aus. Die Verbrennung von Holz in
Holz(pellet)kesseln verursacht zwar kaum CO2, erhöht aber Schadstoffe in
der Luft, zudem wird sehr viel Holz als Brennstoff benötigt, was wiederum
negativ für das Ökosystem Wald ist. Wärmepumpen sind im Vergleich zu
Gasbrennwertkesseln etwas klimaschonender und verursachen, gegenüber
Holzkesseln weitaus weniger Emissionen von Staub und anderen
Luftschadstoffen.
Und was kann die Wärmedämmung?
Sie ist die umweltfreundlichste Alternative. Wärmedämmungsmaßnahmen wie
Austausch der Fenster und die Isolierung der Gebäudehülle sollten vor allen
Heizungsmaßnahmen prioritär behandelt werden.
Welche Heiztechniken werden vom Staat gefördert?
So einige. Sowohl Heizungen in Neubauten als auch in bestehenden Gebäuden:
Brennwertkessel für Erdgas und Heizöl, Blockheizkraftwerke, Solaranlagen,
Holzkessel, Wärmepumpen und der Bau von Nah- und Fernwärme.
Wird der Einbau von Kaminöfen gefördert?
Nein. Dafür Solarthermie, Wärmepumpen, effiziente und emissionsarme
Pelletkessel und Pelletöfen mit Wassertasche sowie Hackschnitzelkessel und
Scheitholzvergaserkessel und die Nachrüstung von Staubabscheidern.
Welche ökologisch und gesundheitlich vorteilhafteren
Modernisierungsmaßnahmen sollten staatlich gefördert werden?
Umweltfreundliche Heizungen, die erneuerbare Energien effizient nutzen und
möglichst wenig Luftschadstoffe ausstoßen: Solaranlagen, effiziente
Wärmepumpen, Nah- und Fernwärme aus erneuerbaren Energien.
Ist Stoßlüften überbewertet?
Nein. Regelmäßiges Lüften in der Heizsaison ist unerlässlich, weil die
Wohnräume sonst zu feucht werden und die Luftqualität mies. Von Dauerlüften
mit gekippten Fenstern bei laufender Heizung ist abzusehen: reine
Energieverschwendung. Besser: mehrmals am Tag Fenster aufreißen. Aber nicht
vergessen: Heizung vorher ausmachen.
Nehmen moderne Lüftungsanlagen einem diese Arbeit ab?
Ja. Sie sorgen kontinuierlich für frische Luft und helfen mit
Wärmerückgewinnung Wärme aus der verbrauchten Luft heraus. Gut für
Pfennigfuchser: Sie sparen somit Heizenergie.
Schon die Römer hatten Fußbodenheizung. Warum ist diese großartige
Erfindung heute so viel teurer als hässliche Wandheizkörper?
Die Hypokausten-Heizung der Römer nutzte warme Luft – genauer: Abgase –,
die in Kanälen unter Fußboden und hinter Wänden strömte, um Räume zu
erwärmen. In modernen Fußbodenheizungen strömt Heißwasser. Sie sind
aufwendiger zu installieren als Heizkörper-Heizungen.
Quellen: Umweltbundesamt, Industrieverband Haus-, Heiz und Küchentechnik,
Zentralinnungsverband des Schornsteinfegerhandwerks, Bundesindustrieverband
der deutschen Heizungsindustrie.
4 Mar 2019
## LINKS
[1] http://twitter.com/kachelmann/status/968568601337892865?lang=de
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Heizung
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