# taz.de -- E-Bikes gegen Sperrmüll: Mülltourismus boomt | |
> Sperrmüll auf dem Gehweg nervt viele Berliner. In Neukölln sollen bei der | |
> Entsorgung nun kostenlose E-Lastenräder helfen. | |
Bild: Sperrmüll am Straßenrand – kein seltener Anblick in Berlin | |
Manfred Gresens ist genervt von der Faulheit einiger seiner Nachbarn. Der | |
Neuköllner will den Sperrmüll nicht mehr sehen, der ständig auf den | |
Gehwegen abgestellt wird: die alten Sofas, die kaputten Waschmaschinen und | |
ollen Teppiche. Ebenso stören den Rentner auch die Berliner | |
Stadtreinigungsbetriebe (BSR), die nicht auf seine Lösungsvorschläge | |
reagieren, die er immer wieder schriftlich einreicht – etwa | |
Sperrmüllcontainer an wechselnden öffentlichen Orten, die Möglichkeit, | |
altes Gerümpel neben den Hausmülltonnen abzustellen, oder auch ein | |
Meldesystem für herrenlosen Sperrmüll. | |
Gresens wird dennoch nicht müde, sich mit Leserbriefen und Kommentaren im | |
Netz dafür einzusetzen, dass Berlin sauberer wird oder zumindest nicht noch | |
dreckiger. Dafür hat er die Initiative „Action Clean Berlin“ gegründet und | |
tritt als „Saubermann 007“ sogar bei YouTube auf. Das mag man ernst nehmen | |
oder nicht: Folgt man online den Diskussionen zu Sperrmüll, wird klar, dass | |
viele Berliner genervt sind von Möbelburgen auf Gehwegen. Immer wieder wird | |
da etwa die Frage gestellt, warum es in Berlin keine kostenlosen | |
Sperrmüllabholungen zu festen Terminen mehr gibt, wie sie in fast allen | |
anderen Bundesländern üblich sind. | |
Die BSR selbst verweist bei dieser Frage auf die Recyclinghöfe, bei denen | |
man seine alten Möbel und kaputten Elektrogeräte kostenlos abgeben kann. | |
Allerdings unter der Voraussetzung, dass man ein Auto hat, um den Sperrmüll | |
zu transportieren. Passt das zum politischen Ziel, den Individualverkehr in | |
der Stadt zu reduzieren? | |
Die BSR argumentiert anders. Die Gratis-Abholung wurde schon Mitte der 90er | |
Jahre eingestellt – vor allem, um die Müllgebühren zu senken. BSR-Sprecher | |
Sebastian Harnisch erklärt zudem, dass es sich bei den illegalen | |
Müllablagerungen meist nicht um Sperrmüll von Privatpersonen handeln würde, | |
sondern um den unseriöser Gewerbetreibender. | |
## Gefahr für Kinder und Tiere | |
„Solche zwielichtigen Firmen betreiben innerhalb Berlins teilweise einen | |
regelrechten Mülltourismus“, sagt er. So könne es sich um dubiose | |
Entrümpelungsunternehmen handeln, die ihren Sperrmüll im Stadtgebiet | |
verteilen, oder um zweifelhafte Baufirmen, die ihren Schutt irgendwo | |
abkippen. „Das geschieht in der Regel, um die gewerblichen | |
Entsorgungskosten einzusparen und so die entsprechenden Dienstleistungen zu | |
Billigpreisen anzubieten“, sagt er – und sieht deshalb keinen Sinn darin, | |
wieder kostenlose Abholungen einzurichten. | |
Außerdem sei damit zu rechnen, dass bei Straßen-Sperrmüllsammlungen auch | |
Schadstoffe abgestellt werden – „eine große Gefahr für Kinder und Tiere�… | |
Die BSR beseitigt nach eigenen Angaben durchschnittlich rund 30.000 | |
Kubikmeter illegalen Sperrmüll pro Jahr – dazu zählt sie nur rechtswidrig | |
entsorgten Sperrmüll und Elektroschrott, die Menge unerlaubt entsorgten | |
Bauschutts und widerrechtlich abgestellter Autowracks wird nicht erfasst. | |
Für die Beseitigung dieser illegalen Sperrmüllentsorgung entstehen im | |
Schnitt Kosten von rund 4,5 Millionen Euro jährlich, welche die BSR dem | |
Land in Rechnung stellt. Zwar werden diese Zusatzkosten nicht direkt auf | |
die Müllgebühren eines jeden Einzelnen aufgeschlagen, aber da sie über den | |
Landeshaushalt gezahlt werden, kommen alle Steuerzahler dafür auf – Geld | |
also, das auch laut BSR „anderswo sinnvoller auszugeben wäre“. | |
## Ordnungsämtern fehlt Personal | |
Manfred Gresens plädiert für eine umfangreiche Motivationskampagne: Medien, | |
Politik, Schulen, Bahn, BVG und BSR sollten darauf aufmerksam machen, | |
welche Folgen es hat, wenn alte Möbel einfach so auf der Straße landen. | |
„Die Kosten interessieren die Verursacher überhaupt nicht. Die eigene | |
Bequemlichkeit hat Vorrang und die Verursacher werden ja auch nicht zur | |
Rechenschaft gezogen“, sagt er. | |
Zuständig dafür wären die Ordnungsämter, doch ihnen fehlt das Personal, | |
anhand von Hinweisen im Abfall zu ermitteln, wer den Sperrmüll eventuell | |
dort abgestellt hat. Zwar hat Berlin das Aktionsprogramm „Saubere Stadt“ | |
beschlossen und 8,4 Millionen Euro für 100 zusätzliche Mitarbeiter in den | |
Ordnungsämtern der zwölf Bezirke zur Verfügung gestellt. Doch die Ämter | |
haben Mühe, geeignete Leute zu finden, und so zieht es sich hin, bis mehr | |
Ordnungsamt-Ermittler gegen den Sperrmüll aktiv werden. | |
Immerhin in Gresens’ Bezirk, Neukölln, tut sich nun doch etwas: | |
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und der Bezirksbürgermeister Martin | |
Hikel (SPD) stellten am Montag eine Maßnahme aus ihrem Aktionsprogramm vor: | |
Sechs E-Lastenräder soll sich künftig jeder Bürger kostenlos vom Bezirk | |
ausleihen können, wenn er Sperrmüll oder andere Abfälle zum Recyclinghof | |
fahren möchte. Etwas fraglich bleibt allerdings, wie man mit einem solchen | |
Rad ein Sofa oder einen alten Schrank transportieren soll. | |
Eine andere Möglichkeit testete im vergangenen Dezember Reinickendorf: Am | |
sogenannten Kiezsamstag konnte jeder an zwei öffentlichen Sammelplätzen | |
Unrat abgeben. Die Bilanz: Acht Tonnen Sperrmüll, 237 | |
Klein-Elektroschrottgeräte, 110 Fernseher und 10 Kühlschränke. Die Aktion | |
soll wiederholt werden. | |
25 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Jana Tashina Wörrle | |
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