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# taz.de -- Abgeordnetenhaus-Debatte: „Berlin, Du kannst so hässlich sein“
> Das Parlament ist sich über weniger Müll als Ziel in seltener Weise
> einig, fetzt sich aber über den Weg dahin. Sänger Peter Fox dient allen
> Seiten als Argumentationshilfe.
Bild: Statt solcher Bilder Berlins wünscht sich das Abgeordnetenhaus einstimmi…
Jetzt könnten sie das eigentlich über die Saaltechnik spontan einspielen.
Denn zum zweiten Mal muss nun Peter Fox mit seinem „Schwarz zu Blau“-Lied,
in dem er vom hässlichen Berlin singt, als Kronzeuge in der
Parlamentsdebatte über zunehmende Vermüllung herhalten – spannenderweise
von unterschiedlicher Seite. Aber ach, es bleibt traditionell und bei
Zitaten. Dabei ist es durchaus ein besonderer Morgen im Abgeordnetenhaus.
Weil man sich eigentlich seltenerweise von links bis rechts einig ist, von
der Linkspartei bis zur AfD: Der Senat soll für weniger Müll sorgen,
eigentlich für gar keinen – „Zero Waste City“ soll Berlin werden.
Mit dem hehren Ziel enden aber die Gemeinsamkeiten, der Weg dahin ist
völlig umstritten. Die AfD-Fraktion ist es, die das Thema als zentrales
Diskussionsthema am Donnerstag auf die Tagesordnung hat setzen lassen. Für
sie ist das Mittel gegen Vermüllung und Verwahrlosung klar: Eine
„Nulltoleranzpolitik für Berlin“ soll es geben. Als Vorbild nennt der
AfD-Abgeordnete Karsten Woldeit den New Yorker Bürgermeister Rudolph
Giuliani, der in den 90er Jahren mit einer solchen Strategie die
Kriminalität in seiner Stadt deutlich senkte.
„So einfach können wir es uns nicht machen, und so einfach wollen wir es
uns auch nicht machen“, kontert der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann,
„ein Bündel von Maßnahmen ist nötig, nicht Scheinlösungen, wie Sie sie
fordern.“ Beratung und Prävention gehören für ihn genauso dazu, wie Camps
von Obdachlosen aufzulösen, was ja geschehen sei.
Die Opposition sieht das ganz anders und wirft der rot-rot-grünen Koalition
sinngemäß vor, die Stadt sehenden Auges den Bach runtergehen zu lassen.
CDU-Mann Danny Freymark unternimmt am Rednerpult einen gedanklichen
Spaziergang durch Hohenschönhausen, von einem nicht funktionierenden Aufzug
an der S-Bahn über ein Polizeigebäude, an dem Sicherheitsnetze vor
bröckelndem Putz schützen müssen, bis hin zu einer von vielen
sanierungsbedürftigen Schulen. „Guten Morgen Berlin, Du kannst so hässlich
sein, so dreckig und grau“, zitiert der CDU-Politiker aus dem
Peter-Fox-Text.
„Ja, es ist nicht an jeder Ecke der Stadt schön, sauber und ordentlich“,
räumt SPD-Mann Daniel Buchholz ein. Aber da sei ja der „Aktionsplan Saubere
Stadt“, für den die Koalition im laufenden Haushalt 35 Millionen Euro
eingeplant hat. Und pro Bezirk gebe es acht zusätzliche Stellen in den
Ordnungsämtern.
Der Grünen-Abgeordnete Georg Kössler erinnert sich zwar gern daran, wie er
das nötige Regal für seine erste Neuköllner Wohngemeinschaft als Sperrmüll
direkt vor dem Haus fand. Er stellt aber auch fest: „Wir haben ein
Müllproblem.“ Und offenbar auch ein Problem mit gegenseitiger
Rücksichtnahme in der wachsenden Stadt: „Wenn Freiheit bedeutet, dass mir
so laut vor die Tür gepinkelt wird, dass ich nicht schlafen kann“, erzählt
Kössler von einem jüngsten Erlebnis, dann stimme da für ihn etwas nicht.
Ramona Pop, die grüne Wirtschaftssenatorin, vereinnahmt Peter Fox genauso
für sich, wie es kurz vorher der CDUler Freymark machte. „Und ich weiß, ob
ich will oder nicht, dass ich Dich zum Atmen brauch“, zitiert sie das
Songende, ein Liebeslied sei das, keine Anklage. Bei aller Berlin-Liebe hat
aber auch Pop kein Verständnis für die, die Müll wegwerfen oder einfach auf
die Straße stellen: „Das hat nichts mit Coolness oder Freiheit zu tun.“
17 May 2018
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Peter Fox
Ramona Pop
Abgeordnetenhaus
Müll
Berlin Prenzlauer Berg
Gewässerschutz
Ramona Pop
Grüne Berlin
Plastik
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