| # taz.de -- Ruhe und Ordnung: Der Mauerpark soll verstummen | |
| > Lange Zeit wurde die Geräuschkulisse in Prenzlauer Berg geduldet, nun | |
| > rufen AnwohnerInnen systematisch die Polizei. Der AfD-nahe | |
| > Ordnungsstadtrat unterstützt sie. | |
| Bild: Eine Jazzband spielt im Mauerpark | |
| Letzten Sonntag im Mauerpark: Eine riesige Menschentraube hat sich um die | |
| berühmte Karaoke-Veranstaltung von Joe Hatchiban versammelt, es wird | |
| gejohlt und geklatscht. An verschiedenen Ecken des Parks stehen | |
| StraßenmusikerInnen und versuchen die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Um | |
| eine Frau, die ihre Songs zur Gitarre vorträgt, stehen besonders viele | |
| ZuhörerInnen, einige von ihnen halten Schilder hoch, auf denen Slogans wie | |
| „Music is not a crime“ stehen. Sie sind Teil einer angemeldeten | |
| Demonstration unter dem Motto „Stop Killing Mauerpark“. | |
| Man protestiert hier und ist laut, weil man in den letzten Wochen schweigen | |
| musste. Gleich an mehreren Sonntagen hat ein Anwohner die Polizei durch den | |
| Park begleitet, die dessen Anzeigen wegen Lärmbelästigung nachging. | |
| Straßenmusiker wurden des Platzes verwiesen, bekamen Strafanzeigen. Die | |
| Verfahren laufen noch. | |
| Ein „Duldungssystem“ nennt Alexander Puell, Vorsitzender des Vereins | |
| Freunde des Mauerparks die Grundlage, die bislang die Straßenmusik im | |
| Mauerpark ermöglicht habe. Auch elektrisch verstärkte Musik wurde geduldet, | |
| obwohl sie eigentlich nicht erlaubt ist. Nun sei die Toleranzschwelle | |
| „sozusagen auf einen Schlag von hundert auf null herabgesetzt werden“, | |
| meint Puell. Vor sechs Jahren habe er mit seinem Verein und gemeinsam mit | |
| dem Ordnungsamt Pankow und der Polizei dieses Duldungssystem erarbeitet – | |
| allerdings rein informell. „Das fällt uns jetzt auf die Füße“, sagt er. | |
| ## Beschwerdetipps vom Stadtrat | |
| Seit vergangenem Jahr gibt es mit Daniel Krüger einen neuen Bezirksstadtrat | |
| für öffentliche Ordnung und Umwelt in Pankow. Krüger ist parteilos, sitzt | |
| aber für die AFD in seinem Amt. Und er macht klar, dass er die | |
| Straßenmusiker im Mauerpark nicht mehr einfach ihre Verstärker aufdrehen | |
| lassen möchte. Auf die Anfrage einer „Nachbarschaftsinitiative Mauerpark“ | |
| hin, die inzwischen wortführend bei den Beschwerden über Lärm und zu laute | |
| Musik im Mauerpark ist, riet er genervten Anwohnern auf einer BVV-Sitzung | |
| vor zehn Tagen explizit, weiterhin Anzeigen zu erstatten. Das ist dem | |
| Protokoll zu entnehmen, das der taz vorliegt. Routinemäßige Kontrollen | |
| seien demnach zu aufwändig, bei konkreten Anzeigen jedoch könne die Polizei | |
| tätig werden. | |
| Die TeilnehmerInnen der Mauerpark-Demo können dieses Vorgehen gegen die | |
| Straßenmusik nicht verstehen. Gabriel Petzolt, der sagt, er komme seit zwei | |
| Jahren jeden Sonntag extra aus Eberswalde her, hält ein Schild hoch, auf | |
| dem steht: „Es lebe der Mauerpark.“ Eigentlich habe hier alles immer prima | |
| funktioniert, erzählt er. „Gegen 20 Uhr kam die Polizei vorbei und hat die | |
| Leute entspannt aufgefordert, langsam zum Schluss zu kommen mit ihrer | |
| Musik, und das war es dann.“ | |
| Zwei weitere DemonstrantInnen mischen sich in das Gespräch ein, Elke und | |
| Uwe Günzler. Ihnen sei es ein Anliegen,, als direkte AnwohnerInnen des | |
| Mauerparks klarzustellen, dass sie sich in keinster Weise von der Musik | |
| hier gestört fühlten, erklären sie. „Für uns ist sie ein Lebenselixier“, | |
| sagt Uwe Günzler. | |
| Ein paar Meter entfernt von der Demo steht ein kleiner Info-Stand der | |
| Kiezinitiative Anwohner für Straßenmusik, für die sich auch Valentina del | |
| Monte engagiert, die seit vier Jahren in Berlin lebt. „Der Mauerpark ist | |
| unser gemeinsamer sozialer Ort“, sagt sie. Er werde stark frequentiert von | |
| TouristInnen, Neu-BerlinerInnen, Geflüchteten, „er ist auch wichtig für die | |
| Integration von Neuankömmlingen in Berlin“. Es müsse nun eine Lösung | |
| gefunden werden, damit auch diese Funktion des Mauerparks erhalten bleibe. | |
| Dabei betont sie, dass sie sich gar nicht gegen die Anwohner positionieren | |
| möchte, die sich in ihrer sonntäglichen Ruhe gestört fühlten. Und sie | |
| kritisiert das Kiezportal „Prenzlauer Berg Nachrichten“, das titelte: | |
| „Straßenmusiker gegen Mauerpark-Anwohner.“ Man wolle vielmehr eine Lösung | |
| für das Problem finden, mit der letztlich alle Betroffenen leben könnten, | |
| Musiker wie Anwohner. | |
| So sieht das auch Laura Hagnäs, die unter dem Namen Laura Hoo selbst als | |
| Straßenmusikerin auftritt, die Onlineplattform „Berlin Street Music“ | |
| mitbetreibt und die Demo organisiert hat. „Manchmal kann es hier auch laut | |
| werden“, sagt sie, „vielleicht wird es auch mal zu laut. Da muss man dann | |
| eben miteinander kommunizieren.“ Für sie ist das, was gerade geschieht, | |
| auch ein politisches Versagen. Die Regularien für Straßenmusiker in Berlin | |
| seien kaum noch zu verstehen und das Verbot elektrisch verstärkter Musik | |
| einfach nicht mehr zeitgemäß. | |
| Gerne hätte die taz auch noch ein Statement der Bürgerinitiative gegen zu | |
| laute Straßenmusik im Mauerpark eingeholt. Doch weder telefonisch noch | |
| schriftlich war dort jemand erreichbar. | |
| ## „Straßenmusik wieder planbar machen“ | |
| Es gelte nun, so Alexander Puell, „Straßenmusik im Mauerpark im Dialog mit | |
| den AnwohnerInnen wieder planbar und rechtssicher zu machen“. Runde Tische | |
| sollen helfen, das Problem zu lösen. Der Bezirk und die diversen | |
| Initiativen rund um den Park wollen miteinander reden. Letzten Dienstag | |
| fand die erste Gesprächsrunde statt, im November soll die nächste folgen. | |
| Am Sonntag wird es übrigens garantiert Musik im Mauerpark geben, auch | |
| verstärkte: Eine Demo unter dem Motto „Musik verbindet“ ist angemeldet. | |
| 23 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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