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# taz.de -- taz-Serie Was macht eigentlich ..? (Teil 4): Erdbeere nur am Samstag
> AnwohnerInnen wird der Mauerpark zu laut. Die Polizei geht gegen
> Straßenmusiker vor. Initiativen und Musiker protestierten, runde Tische
> folgten. Nun gibt es erste Lösungsvorschläge
Bild: Den Anwohnern wird's zu laut: Straßenmusik im Mauerpark
Eldar Blau kommt aus Israel und lebt seit vier Jahren in Berlin. Er ist
Straßenmusiker und nennt sich als solcher The Legendary Strawberry Man. Bei
seinen Auftritten verkleidet er sich als Erdbeere. Sein Instrument ist ein
Eigenbau, eine Mischung aus Saxofon und Didgeridoo, er nennt es „Saxo
Didge“. Mit diesem und seinem Erdbeerhut auf dem Kopf stand er Ende
November mal wieder auf dem Mauerpark, seinem liebsten Ort zum Spielen in
Berlin. Der Flohmarkt nebenan fand an diesem Totensonntag nicht statt, es
war wenig los auf dem Gelände, „ich war der einzige Straßenmusiker weit und
breit“, erzählt der Saxo-Didge-Spieler.
Und trotzdem hat es ihn erwischt. Die Polizei kam und verpasste dem
Strawberry Man eine Anzeige. 80 Euro Strafe. Ein Anwohner habe angerufen
und sich über Ruhestörung beschwert, wurde ihm mitgeteilt. Seit der Streit
um die Straßenmusik im Mauerpark im letzten Sommer eskalierte, geht es
schnell mit solchen Anzeigen.
In den heißen Monaten ging es damit los, sogar Instrumente wurden
beschlagnahmt. Es blieb still an vielen Sonntagen im Juli und August. Und
es lief immer gleich ab: Anwohner beschwerten sich, sobald die ersten
Straßenmusiker im Park eintrafen, die Polizei ging daraufhin gegen diese
vor. Nur die berühmte sonntägliche Karaoke-Veranstaltung durfte weiter laut
sein. Denn Karaoke-Veranstalter Joe Hatchiban hat eine Sondergenehmigung.
Inzwischen gibt es eine Initiative, die die Straßenmusik im Mauerpark
retten möchte. „Stop Killing Mauerpark“ nannte sie sich erst, inzwischen
heißt sie „Save Mauerpark“. Demos wurden veranstaltet, erst eine, dann
regelmäßig. „Im Oktober wurde an den Sonntagen praktisch
durchdemonstriert“, so Alexander Puell, Vorsitzender des Vereins Freunde
des Mauerparks. Der Trick: Im Rahmen der Demos durfte nach Herzenzlust
musiziert werden. Jetzt im Winter würde sich das erübrigen, so Puell, da es
zu kalt sei für die meisten Straßenmusiker. Auch der Legendary Strawberry
Man fährt jetzt erst einmal für ein paar Monate nach Israel.
Für die eine Seite gehört die Straßenmusik zum Mauerpark, wie die Erdbeere
zum Saxo-Didge-Spieler. Für die andere ist sie „eine Folter“. So formuliert
das eine Anwohnerin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Ihr werde
auch so schon oft genug gesagt, wenn sie etwas Straßenmusik habe, dann
solle sie doch einfach wegziehen, begründet sie dies. An den Wochenenden
sei sie gar nicht mehr in ihrer Wohnung, weil es ihr zu laut sei, manchmal
gehe sie auch in ein Hotel. „Ich will die Kultur im Park nicht zerstören“,
sagt sie, aber sie habe auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Lösungen, ein „rechtlich korrekter Kompromiss“ müssten her.
„Total kompliziert“ sei der Konflikt um den Mauerpark, meint Sören Benn
(Linke), Bürgermeister von Pankow. Ihm gehe es darum, „eine Lösung zu
finden, bei der der Charakter des Mauerparks erhalten bleibt.“ Allerdings
müsse in Zukunft mehr reglementiert werden. „Nicht nur bei der
Straßenmusik. Auch Grillen im Park ist ein Thema. Genauso wie illegaler
Handel auf dem Gelände.“
Es gehe einfach insgesamt zu viel Unruhe von dem Park auf dem ehemaligen
Todesstreifen aus. „Vielen Anwohnern geht es auch gar nicht so sehr um die
zu hohe Lautstärke. Sondern um die Permanenz. Um ein ständiges Gewummer und
Gedröhne“, das vor allem sonntags in deren Wohnungen dringe, so Benn. Mehr
Personal, kündigt er an, werde sich bald stärker als bisher um die
Einhaltung bestimmter Parkregeln kümmern.
## Ein Vorschlag: „Musikinseln“
Zwei runde Tische zur Zukunft des Mauerparks haben in den letzten Monaten
bereits stattgefunden. Anwohner, Straßenmusiker und Politiker trafen sich
dort. Weitere Etappen in dem Bürgerbeteiligungsverfahren werden folgen.
Einen genauen Fahrplan bei der Lösungsfindung gebe es nicht, so Benn, man
werde sich noch so oft miteinander treffen, „wie es eben nötig ist.“
Freilich wisse er natürlich auch um den Handlungsdruck – im Frühjahr
beginnt schließlich schon wieder die nächste Straßenmusiksaison.
Inzwischen liegen auch erste Vorschläge auf dem Tisch. Etwa der, sogenannte
Lärm- oder Musikinseln einzurichten, ausgewiesene Orte im Park, an denen
man Musik machen dürfe. Eine andere Idee ist, die Straßenmusik ganz weg vom
Sonntag auf den Samstag zu verlegen, und das möglichst auf eine dieser
vorgeschlagenen „Musikinseln“.
Das Boulefeld an der Max-Schmeling-Halle wurde als denkbarer Ort dafür
genannt. „Die Leute vom Boule“, so Ulrich Schweizer, Gründer von „Save
Mauerpark“, seien jedoch – wenig verwunderlich – „gegen den Vorschlag�…
selbst könne sich das mit dem Samstag auch nicht so recht vorstellen. „Die
Straßenmusik hat sich hier ja wegen des Sonntagsflohmarkts etabliert, wegen
der vielen Besucher und Touristen, die der anzieht. Beides gehört
symbiotisch zusammen.“ Bezirksbürgermeister Sören Benn betont dagegen, dass
man noch beim Sammeln von Vorschlägen sein – und findet „das mit dem
Samstag keine schlechte Idee“.
Laura Hagnäs, unter dem Namen Laura Hoo selber Straßenmusikerin, glaubt
dagegen: „Das mit dem Samstag gefällt nicht einmal den Anwohnern.“ Diese
würden vielmehr befürchten, dass sie dann das ganze Wochenende lang
Straßenmusik zu erdulden hätten. Sie selbst sieht eine Verlegung auf
festgelegte Zeiten am Samstag auch deswegen kritisch, weil das nicht mehr
viel mit Straßenmusik zu tun hätte, wo ein gewisses Maß an Spontaneität
einfach dazugehöre. „Dieser grundlegende Charakter von Straßenmusik sollte
erhalten bleiben.“
## Intransparente Regelungen
Hagnäs betont, dass sie eine einvernehmliche Lösung mit den Anwohnern
anstrebe. Auch sie findet, dass es im Park teilweise zu laut zugehe, sich
Musiker gegenseitig mit ihrer Lautstärke überbieten würden. Dagegen müsse
etwas unternommen werden. Für sie, die sich in der Initiative Berlin Street
Music für die Belange von Straßenmusikern in der Stadt einsetzt, sind die
aktuellen Probleme im Mauerpark aber auch das Ergebnis einer grundsätzlich
verfehlten Berliner Politik in Bezug auf Straßenmusik. Im Vergleich zu
anderen großen europäischen Städten seien die Bedingungen für
Straßenmusiker in Berlin ziemlich schlecht, transparente Regeln gebe es
kaum. Verstärkte Musik etwa sei in der ganzen Stadt eigentlich verboten,
sie werde im Normalfall aber geduldet. Und so war das ja auch jahrelang im
Mauerpark. Bis im letzten Sommer aus der Duldung ein Verbot wurde.
Ein wenig ist das wie bei den Spätis, die sonntags eigentlich laut Gesetz
nicht geöffnet haben dürfen, in der Praxis aber geöffnet haben. Mit der
Folge, dass Späti-Betreiber genauso wie Straßenmusiker mit der ständigen
Bedrohung leben müssen, wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden.
Auch der Legendary Strawberry Man sagt, die Regelungen zur Straßenmusik
seien reformbedürftig. So gut wie jeder würde heute in irgendeiner Form
verstärkte Musik machen. Auch er verstärke sein Instrument mit einem
kleinen Mikrophon, was eigentlich illegal ist – weswegen er auch die 80
Euro Strafe zahlen musste. Außerdem wüssten die meisten Musiker gar nicht,
dass sie grundsätzlich eine Genehmigung bräuchten, wenn sie in der Stadt
spielen wollen. Und hätten sie dann eine, würde das unter Umständen auch
nicht viel nutzen. „Im vergangenen Sommer ging die Polizei härter gegen
Straßenmusiker vor als in den letzten Jahren“, glaubt er, „auch gegen
solche, die eigentlich eine Genehmigung hatten.“ Deswegen seien so viele
von ihnen in den Mauerpark ausgewichen, deswegen sei es dort so laut
geworden.
Die intransparenten Regeln für Straßenmusiker und das nicht mehr zeitgemäße
Verbot verstärkter Darbietungen müssten geändert werden, findet Legendary
Strawberry. Dann wäre der Mauerpark als letztes Refugium für Sraßenmusiker
gar nicht mehr notwendig. Und es würde dort ganz von alleine wieder leiser
werden.
1 Jan 2019
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Mauerpark
Straßenmusik
Lärm
Ruhe
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Berlin Prenzlauer Berg
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