# taz.de -- Kostenlose Biotonne für alle: Da passt noch was rein! | |
> Die Biotonne steht längst nicht in jedem Haus – und wird von vielen immer | |
> noch ungern genutzt. Wirtschaftssenatorin Pop will das endlich ändern. | |
Bild: Was dem Menschen nicht mehr schmeckt, kann den Bakterien in der Vergärun… | |
Seit über 20 Jahren schluckt sie alles runter: Zwiebelschalen, | |
Hühnerknochen, schimmlige Erdbeeren. Trotzdem hat die Bio-Tonne noch | |
Hunger. Doch der könnte bald gestillt werden: Die Berliner Stadtreinigung | |
(BSR) plant laut ihrer Aufsichtsratschefin, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop | |
(Grüne), den braunen Behälter ab 2019 allen Berliner Haushalten zur | |
Verfügung zu stellen – bisher ist es nur ungefähr die Hälfte. Und nicht nur | |
das will Pop nach taz-Informationen beim nächsten Treffen des Aufsichtsrats | |
am 2. Mai durchsetzen: Die Biogut-Tonne – so ihr offizieller Name – soll | |
gebührenfrei werden. | |
Rund 75.000 Tonnen Biomüll sammelt die BSR derzeit im Jahr ein. Dabei | |
stehen die Tonnen in den Außenbezirken nur 20 bis 25 Prozent der Haushalte | |
zur Verfügung, und auch in der Innenstadt sind es lediglich 80 Prozent. | |
Nach Schätzungen der Senatsumweltverwaltung könnte sich das Müllvolumen | |
daher verdoppeln. Genau genommen hat die BSR ohnehin keine Wahl: Mit dem | |
Bundes-Kreislaufwirtschaftsgesetz ist seit 2015 vorgeschrieben, dass | |
Bioabfälle getrennt gesammelt werden müssen. | |
Pops Vorstoß wird von ihrer Partei gedeckt, die auf ihrem Landesparteitag | |
am Wochenende den Müll zum Megathema erhoben hatte. Es sei für die Grünen | |
„ein zentrales Anliegen dieser Legislaturperiode, das Müllaufkommen | |
drastisch zu senken“, heißt es in einem Beschluss der Delegierten, man | |
werde Berlin zur „Zero-Waste-Stadt“ umbauen. Man nehme es auch „nicht | |
weiter hin, dass noch immer gut 40 Prozent Organik im Restmüll landet“. Für | |
die zusätzlich gesammelten organischen Abfälle brauche es dann aber neue | |
Kapazitäten zur Vergärung: „Die Planung zur Schaffung dieser Kapazitäten | |
muss parallel zur Ausweitung der Bioabfallsammlung gestartet werden.“ | |
Damit ist auch der Knackpunkt angesprochen, bei dem die Senatorin im | |
Aufsichtsrat mit Widerständen zu rechnen hat: die Kostenfrage. Derzeit wird | |
aus den Bioabfällen in einer BSR-eigenen Vergärungsanlage Methangas | |
gewonnen, das zwar rechnerisch rund 150 Müllfahrzeuge antreibt, aber | |
kostendeckend gelingt das nicht. Deshalb gibt es im Unternehmen große | |
Skepsis beim Bau einer zweiten Anlage – und vor allem bei der | |
Gebührenfreiheit der Biogut-Tonne. Die kostet derzeit bei wöchentlicher | |
Abholung je nach Größe zwischen 26 und 30 Euro im Quartal. Die | |
Restmülltonnen sind mindestens doppelt so teuer. | |
Mit der Gebührenfreiheit der Biotonne hofft man, die Trennmoral der | |
NutzerInnen zu steigern. Denn auch da, wo die Biotonne steht, wird sie | |
längst nicht von allen genutzt. Würden zur Refinanzierung einer | |
Gratis-Biotonne die Restmülltonne oder aber die Grundgebühr spürbar teurer, | |
könnte das die Motivation erhöhen, Brokkolistrunke und Kaffeesatz künftig | |
in den richtigen Behälter zu werfen. Sicher ist aber auch das nicht. Denn | |
die Kosten für die Müllentsorgung sind bekanntlich für die meisten | |
BerlinerInnen nur einer von mehreren Posten auf der | |
Betriebskostenabrechnung, die sie – wenn überhaupt – einmal im Jahr kurz | |
überfliegen. | |
## Die Kosten müssen klar sein | |
Prinzipiell könnte die Biotonne auch weiterhin etwas kosten – schließlich | |
besteht bei fleißiger Nutzung die Chance, dass auf eine schwarze | |
Restmülltonne verzichtet oder ein Downgrade auf Tonnen mit geringerem | |
Volumen stattfinden kann. Auch das spart Geld. Die Grünen haben sich aber | |
festgelegt, wie ihr Abgeordneter Georg Kössler der taz bestätigt: „Die | |
Tarifstruktur muss Anlass zur Mülltrennung geben, und die Biotonne muss | |
kostenlos sein.“ So, wie es auch im Beschluss des Landesparteitags steht, | |
spricht sich Kössler für eine transparente, möglicherweise digitale | |
Jahresabrechnung aus, auf der EigentümerInnen wie MieterInnen genau | |
erkennen, was die Entsorgung der unterschiedlichen Müllfraktionen sie | |
gekostet hat. | |
In Sachen Biomüllvergärung pocht Kössler auf den zügigen Bau einer zweiten | |
Anlage. „Ich würde die gerne bis 2021 stehen sehen. Das wäre einer der | |
großen Erfolge dieser Legislaturperiode.“ Die Alternative, dass die BSR | |
erst einmal die aktuellen Kapazitäten auslastet und etwaige | |
Biomüll-Überschüsse in die Verbrennung zurückschickt, hielte er für fatal: | |
„Das darf nicht passieren“, so der Fraktionssprecher für Klima- und | |
Umweltschutz, „das spricht sich rum, und dann heißt es: Trennen lohnt | |
nicht, die schmeißen doch eh wieder alles zusammen.“ | |
23 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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