# taz.de -- Expertin über Umgang mit Rechten: „Es gibt kein Patentrezept“ | |
> Mit Rechten reden ist schwer, denn viele wollen keinen Dialog. Wie also | |
> geht man mit ihnen online, in der Familie und auf der Straße um? | |
Bild: Eine Strategie gegen Rechts: sich deutlich zu positionieren | |
taz: Frau Kasten, spätestens seit die AfD [1][in den Bundestag eingezogen] | |
ist, diskutiert man in Deutschland darüber, ob man mit Rechten reden soll. | |
Wie sehen Sie das, Frau Kasten? | |
Manja Kasten: In der Diskussion wird vieles vermischt, das erleben wir auch | |
in unserer Beratungspraxis. Mit wem haben wir es zu tun, wenn von „Rechten“ | |
die Rede ist? „Die Rechten“ ist eine Chiffre für alles Mögliche geworden. | |
Zudem ist es ja gerade nicht so, dass niemand mit Rechtsextremen oder | |
Rechtspopulisten reden würde. Im Gegenteil, wenn in letzter Zeit nicht so | |
viele mit ihnen geredet hätten, hätte der jüngste Rechtsruck in der | |
Gesellschaft so gar nicht stattfinden können. | |
Außerdem wollen Rechtspopulisten und Rechtsextreme nicht einfach nur | |
sprechen oder mitreden, sie wollen durch eine permanente und gezielte | |
Grenzüberschreitung ihre rassistische Politik durchsetzen. Diese | |
menschenverachtende Ideologie schließt sich selbst aus dem demokratischen | |
Diskurs aus. Oft wird dann gesagt: „Es sind nicht alles Nazis“, auch das | |
ist ein Scheinargument, denn das behauptet ja niemand. Ausschlaggebend ist | |
stets, mit welcher Person ich es zu tun habe und ob sie überhaupt noch | |
offen für einen Dialog in unserem Verständnis ist. Geht es also um Wähler, | |
Funktionäre oder Ideologieproduzenten? | |
Nehmen wir an, es ginge um Bekannte, die [2][rechte Verschwörungstheorien | |
in sozialen Netzwerken] teilen. Was kann ich dagegen tun? | |
Ob man nun diese einzelne Person überzeugen kann, ist fraglich. | |
Realistischer ist es, die schweigende Leserschaft anzusprechen und | |
aufzuklären. Da reicht oft ein klares Statement, in dem man begründet, | |
warum der Post falsch oder nicht in Ordnung ist. Man kann gerne auch | |
Quellen anfügen. Doch bei solchen Diskussionen muss man sich immer fragen: | |
Bis wohin diskutiere ich noch? | |
Soll ich die Diskussion dann beenden, wenn beispielsweise | |
menschenverachtende Kommentare kommen, oder lieber dagegenhalten? | |
Das schließt sich ja nicht aus. Es wäre gut, wenn die vermehrt schweigende, | |
demokratische Mehrheit mehr Stellung beziehen würde. Wenn ich kommentiere, | |
sollte ich aber auch aufpassen, welche Informationen ich über mich im Netz | |
habe, wie E-Mail- oder private Adressen. Rechtsextreme Beiträge sollte man | |
melden, damit diese entfernt werden. Wichtig ist, dass man davor einen | |
Screenshot von den Kommentaren und der Seite macht, wenn sie strafrechtlich | |
relevant sein können. | |
[3][Bei den eigenen Eltern] wird die Diskussion ja schon deutlich | |
komplizierter. Wie kann ich da reagieren, wenn sie auf Falschmeldungen über | |
Geflüchtete hereinfallen und sich im Gespräch mit mir nicht einsichtig | |
zeigen? | |
Durch die Beziehung rückt das natürlich näher an einen heran. Es gibt da | |
kein Patentrezept in jeder Beziehung oder für jede Situation. Hier muss ich | |
einschätzen, wie offen meine Eltern für Diskussionen sind. Unterschiedliche | |
Formen der Ansprache können sinnvoll sein oder auch gar keine. Eine | |
Möglichkeit ist, Vorurteile zu dekonstruieren und die Eltern mit Fragen zu | |
konfrontieren. Eigene Gegenbeispiele einzubringen. Auf harte Fakten und | |
Statistiken zu verweisen hat im Privaten oft nicht viel Erfolg, es bringt | |
mehr, die eigene Haltung zu verdeutlichen und auch mal auf die | |
Beziehungsebene zu gehen: „Ich habe euch bisher eigentlich ganz anders | |
eingeschätzt. Ihr seid doch für gegenseitige Hilfe, warum jetzt hier | |
nicht?“ Es kann aber auch helfen, Geschwister oder andere Verwandte | |
dazuzuholen und sich zu verbünden: „Wenn es das nächste Mal passiert, | |
können wir ja beide etwas sagen.“ | |
Ein Weg, sich gegen rechte Gewalt zu engagieren, sind | |
Gegendemonstrationen zu Nazi-Aufmärschen. Was muss ich beachten, wenn ich | |
an einer teilnehmen möchte? | |
Die beste Methode, Neonazi-Aufmärschen zu begegnen, ist, sich als breite | |
Zivilgesellschaft aufzustellen. Als [4][großes Bündnis mit | |
unterschiedlichen Akteuren], also Parteien, Gewerkschaften, Vereinen, | |
antifaschistische Gruppen. Neonazis reisen in Gruppen an und sind natürlich | |
auch gewaltbereit. Nicht nur an den Bahnhöfen, an denen sie ankommen oder | |
abreisen. Auch am Rande ihrer Aufmärsche kommt es immer mal wieder zu | |
Vorfällen. Deswegen sollte man nicht allein auf Gegendemonstrationen gehen | |
und sollte die Augen offenhalten, auch damit man Zeugenaussagen machen | |
kann, falls etwas passiert. | |
Wenn solche Neonazis auf Gegendemonstranten treffen oder auch bei | |
Veranstaltungen, kommt es häufig dazu, dass Rechte Fotos von den | |
Teilnehmenden machen. Da es sich um eine Versammlung handelt, gilt das | |
Recht am eigenen Bild dann nicht. Kann ich also überhaupt etwas dagegen | |
tun? | |
Das Foto als Porträtaufnahme zu veröffentlichen ist verboten, als ein | |
Mensch unter vielen kann man im Nachhinein aber nichts machen. Da kann man | |
nur während der Demo versuchen, sein Gesicht abzuwenden oder ein Plakat vor | |
das Gesicht zu halten. Bei öffentlichen Veranstaltungen in geschlossenen | |
Räumen kann man sich dagegen schon bei der Organisation darauf vorbereiten, | |
und sein Hausrecht wahrnehmen, um Rechtsextreme bereits bei der Ankündigung | |
auszuschließen. So muss man als privater Veranstalter nicht erst noch | |
darauf warten, dass Rechtsextreme stören, und kann bekannten Funktionären | |
den Zutritt verweigern. Bei einem Podium kann man im Vorhinein mit der | |
Moderation antirassistische Gesprächsregeln vereinbaren und das Mikrofon | |
bei Wortmeldungen nicht aus der Hand geben. Durch solche und andere | |
präventive Maßnahmen gestalten Veranstaltende schließlich die Atmosphäre | |
vor Ort und senden ein Signal der Achtsamkeit an Betroffene von Rassismus | |
und rechter Gewalt. | |
Wie soll ich reagieren, wenn ich Drohanrufe oder -briefe bekomme? | |
Rechte und rechtsextreme Anrufe bei engagierten Vereinen, Organisationen | |
und Institutionen, aber auch bei Einzelpersonen sind keine Seltenheit. | |
Insbesondere Frauen und auch LSBTI*-Menschen, die von Rechten und | |
Rechtsextremen angefeindet werden, werden sehr oft sexistisch beleidigt und | |
bedroht. Bei Privatpersonen finden diese Anrufe auch häufig mitten in der | |
Nacht statt, um den Einschüchterungseffekt zu erhöhen. Grundsätzlich sollte | |
man bei Drohanrufen zunächst nichts sagen. In jeden Fall ist es sinnvoll, | |
Drohanrufe sofort zu dokumentieren – als Tonaufnahme oder auch in | |
schriftlicher Form. Wichtig sind Details wie Uhrzeit, stimmliche Merkmale | |
und, ganz wichtig, die Telefonnummer. Den Anrufer sollte man so lange | |
sprechen lassen, bis alles Wesentliche notiert wurde. Auf keinen Fall | |
sollte man sich auf ein Gespräch einlassen. Bei widerholten und dauerhaften | |
telefonischen Anfeindungen und Bedrohungen sollte weitere Beratung einholt | |
werden. | |
Und wenn es nicht Privatpersonen sind, die angerufen werden? | |
Wir empfehlen Initiativen, Organisationen und Büros, sich für solche Fälle | |
gemeinsam eine Schrittfolge für ein systematisches Vorgehen zu überlegen | |
und festzuhalten. Es ist auch sinnvoll, Szenarien durchzuspielen und so die | |
Handlungssicherheit im Team zu stärken. Gleiches empfiehlt sich auch bei | |
Drohbriefen, die sich an eine Einrichtung oder Initiative richten. Sinnvoll | |
ist, sich schon im Vorfeld zu überlegen, wer welche Aufgabe beim Eintreffen | |
dieser Post übernimmt. Verdächtige Post sollte gesichert werden, ohne | |
mögliche Spuren zu verwischen und ohne eigene Spuren zu hinterlassen. Bei | |
Bedrohung durch anonyme Briefe kann, wie in allen anderen Fällen auch, die | |
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus kontaktiert und bei der Polizei | |
Anzeige erstattet werden. | |
23 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
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