# taz.de -- Reaktionen auf die taz-Berichterstattung: Hefte raus, Mathearbeit | |
> Trotz der Rechenfehler hält Lungenarzt Köhler an seinen | |
> Schlussfolgerungen fest. Wir erklären unsere Rechnung daher gerne noch | |
> einmal. | |
Bild: Vielleicht ist Köhlers Stickoxid-Rechnung in künftigen Mathe-Leistungsk… | |
Berlin taz | Es waren zwei ereignisreiche Tage. Seit die taz am | |
Mittwochabend online und am Donnerstag in der Printausgabe berichtet hat, | |
dass sich der auf allen Kanälen präsente Lungenarzt Dr. Dieter Köhler | |
[1][verrechnet und zudem mit falschen Ausgangswerten gearbeitet hat], | |
prasselten die Rückmeldungen auf die Redaktion ein. | |
Nachfragen von KollegInnen anderer Medien, die die Geschichte aufgreifen | |
wollten. Viel LeserInnenpost, teils mit Glückwünschen, teils mit | |
vernichtender Kritik – etwa von einem Mathelehrer, der die Rechnung der taz | |
erst in Grund und Boden verdammte, bevor er nach einer erneuten Erläuterung | |
zerknirscht um Entschuldigung bat. Und dazu jede Menge Diskussionen in den | |
sozialen Medien. | |
Immer wieder kamen dabei Fragen zum genauen Rechenweg auf. Er findet sich | |
nun hier: für die [2][Berechnungen zum Stickoxid] und hier für die | |
[3][Werte zum Feinstaub.] | |
Hier darum nur noch einmal die Ergebnisse in Kurzform. Ein Kernargument von | |
Köhler ist der Vergleich der Schadstoffmenge, die über die Außenluft | |
aufgenommen wird, mit den Schadstoffen, die beim Rauchen aufgenommen | |
werden. Epidemiologen halten dies Vorgehen unabhängig vom Ergebnis und | |
damit von Rechenfehlern für unseriös, weil kurzfristige Spitzenbelastungen | |
ganz anders wirken können als niedrige Dauerbelastungen. Aber zudem stimmen | |
eben auch die Werte nicht, mit denen Köhler arbeitet. | |
## Beim NO2 liegt Köhler komplett daneben | |
In der berühmt gewordenen Stellungnahme heißt es, ein Mensch, der eine | |
Schachtel am Tag rauche, erreiche „in weniger als zwei Monaten die | |
Feinstaubdosis, die sonst ein 80-jähriger Nichtraucher im Leben einatmen | |
würde“. Und weiter: „Beim NOx sind die Unterschiede ähnlich, wenn auch | |
etwas geringer.“ Statt NOx muss es hier, wie Köhler einräumt, NO2 heißen, | |
denn nur dafür gibt es überhaupt einen Grenzwert, mit dem der Vergleich | |
möglich ist. | |
Beim NO2 – also jenem Gas, das für die geplanten oder schon umgesetzten | |
Diesel-Fahrverbote verantwortlich ist – liegt Köhler mit seiner Rechnung | |
aber komplett daneben. Die Menge, die man in 80 Jahren über die Außenluft | |
im Grenzwertbereich einatmet, nimmt ein Raucher, der eine Schachtel am Tag | |
raucht, nicht in rund 2 Monaten zu sich, wie es in der Stellungnahme heißt | |
– sondern in 6,4 bis 32 Jahren. (Die Spanne ergibt sich daraus, dass im | |
Zigarettenrauch der NO2-Anteil am NOx bei 10 bis 50 Prozent liegt.) | |
Die Größenordnung verändert sich also komplett. Und Köhlers intendierte | |
Aussage, dass NO2 aus der Außenluft gegenüber der durchs Rauchen | |
aufgenommenen Menge zu vernachlässigen sei, wird damit ins Gegenteil | |
verkehrt. | |
Doch davon will Köhler nichts wissen. Der taz teilte er nach | |
Veröffentlichung des Artikels lediglich mit, er finde diesen „ziemlich | |
einseitig“. In einem Interview mit der Westfalenpost sagt er über die | |
falschen Zahlen zum NO2: „Mit denen operiere ich schon seit Jahren nicht | |
mehr.“ Eine trickreiche Nebelkerze: Tatsächlich nennt er in der | |
Stellungnahme keine konkrete Zahl für NO2, stellt durch die Aussage, die | |
Unterschiede seien dort ähnlich wie beim Feinstaub, natürlich trotzdem | |
einen klaren Vergleich an, der auf der falschen Rechnung beruht. | |
Anders ist die Situation beim Feinstaub: Dazu schreibt Köhler in der | |
Stellungnahme, die Konzentration im Zigarettenrauch erreiche „100–500 g/m3�… | |
– also ein halbes Kilo Staub in einem Kubikmeter Rauch –, was im | |
Widerspruch zur direkt folgenden Aussage steht, dieser Wert sei 1 Million | |
Mal größer als der Grenzwert (der für Feinstaub bei 50 µg/m3 liegt). Der | |
Absolutwert sei falsch, räumte Köhler ein. | |
Korrekt sei ein Zehntel, also 10 bis 50 Gramm pro Kubikmeter. (Hier gab es | |
in der Printausgabe von Donnerstag und kurzzeitig auch in der Onlineversion | |
des Textes einen Schreibfehler: Statt „Gramm“ stand dort im vorletzten | |
Absatz zweimal „Mikrogramm“. Die Rechnung wurde dadurch aber nicht | |
beeinflusst – es bleibt klar, dass sich Köhler um einen Faktor von 10 | |
korrigiert. Wir bitten trotzdem um Entschuldigung für mögliche Verwirrung.) | |
## Seine Argumentation war auch ohne Fehler unseriös | |
Im Ergebnis ist die Größenordnung für Köhlers Feinstaubvergleich trotz des | |
falschen Ausgangswerts richtig, wohl weil Köhler mit dem richtigen Faktor | |
von 1 Million weitergerechnet hat. Köhler schreibt, um die gleiche Menge | |
Feinstaub aufzunehmen wie in 80 Jahren aus der Außenluft, müsse man knapp | |
zwei Monate lang eine Schachtel am Tag rauchen. | |
Ganz richtig ist aber auch dieser Wert nicht, denn Köhler leitet die | |
Feinstaubmenge pro Zigarette aus dem sogenannten Kondensatwert ab – einem | |
Wert, den Raucher kennen dürften, weil er früher auf jeder | |
Zigarettenschachtel stand. Köhlers Rechnung entspricht einem Kondensatwert | |
von 12,5 Milligramm pro Zigarette. Erlaubt sind aber seit 2004 nur noch | |
maximal 10 Milligramm. Wenn man mit diesem Maximalwert rechnet (der nicht | |
dem Durchschnittswert entsprechen dürfte), verlängert sich der Zeitraum in | |
Köhlers Feinstaubvergleich dadurch von 1,9 auf 2,4 Monate. | |
Köhler selbst, der eingeräumt hat, den seit 15 Jahren geltenden EU-Wert | |
nicht zu kennen, nennt im Interview mit der Westfalenpost sogar nur einen | |
korrigierten Wert von 2,1 Monaten. Eine Rückfrage, wie dieser zustande | |
komme, ließ er unbeantwortet. | |
Nicht nur für Köhler ist der Fehler „lächerlich gering“, wie er der | |
Westfalenpost sagte. Auch die Bild-Zeitung, die als Erstes groß und ohne | |
jede kritische Einordnung über das Papier der Lungenärzte berichtet hatte, | |
steht weiter zu Köhler. Zwar berichtete auch Bild am Freitag über seine | |
Fehler. Auf die Frage: „Bricht wegen seines Rechenfehlers jetzt die ganze | |
Argumentation der Ärzte zusammen?“, antwortet die Zeitung aber klar mit | |
„NEIN!“. | |
Und damit haben die KollegInnen ja sogar recht. Die Rechenfehler geben nur | |
einen Hinweis darauf, [4][wie Köhler arbeitet]. Die Argumentation der Ärzte | |
war, wie gesagt, nach Ansicht der breiten Mehrheit der EpidemiologInnen | |
auch ohne die Fehler schon unseriös. | |
Update: Im viertletzten Absatz dieses Textes gab es zunächst einen | |
Schreibfehler. Statt „12,5 Milligramm“ und „10 Milligramm“ stand dort �… | |
Gramm“ und „10 Gramm“. Es handelte sich um einen reinen Übertragungsfehl… | |
von der Rechnung in den Artikel; in der im Text verlinkten Berechnung waren | |
die Einheiten korrekt, und auch am Ergebnis ändert sich nichts. Wir bitten | |
um Entschuldigung für das Versehen. | |
15 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Falsche-Angaben-zu-Stickoxid/!5572843 | |
[2] /static/pdf/koehler_rechnung_stickoxid.pdf | |
[3] /koehler-feinstaub | |
[4] /Kommentar-Lungenarzt-Rechenfehler/!5570138 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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