# taz.de -- Kommentar Lungenarzt-Rechenfehler: Keine Bühne für Scharlatane | |
> Eine Einzelmeinung ohne Expertise, die zudem Rechenfehler enthält: | |
> Lungenarzt Köhler so viel Raum zu geben, war ein Fehler. | |
Bild: Die richtige Bühne für einen Lungenarzt: der Stuhl im Arztzimmer | |
Die Stellungnahme der 107 LungenärztInnen, die im Januar so viel Aufsehen | |
erregt hat, ist ein Musterbeispiel dafür, was schiefläuft im Spiel zwischen | |
Medien, Wissenschaft und Politik. Problematisch ist dabei nicht so sehr, | |
dass bis heute niemandem [1][die Rechenfehler] aufgefallen sind, die das | |
Dokument enthält. Wenn das keiner der 107 ÄrztInnen gemerkt hat, die das | |
Dokument unterzeichnet haben, kann man das auch von JournalistInnen nicht | |
ohne Weiteres erwarten. | |
Die falschen Zahlen und Rechnungen verstärken nur die Zweifel an der | |
[2][Kompetenz des Hauptautors Dr. Dieter Köhler], die ohnehin | |
offensichtlich waren. Der pensionierte Lungenfacharzt hat nie | |
wissenschaftlich zum Thema Stickoxid publiziert und ignoriert den aktuellen | |
Stand der Forschung. Darauf haben WissenschaftlerInnen, die tatsächlich zu | |
diesem Thema arbeiten, von Anfang an hingewiesen. | |
Trotzdem hat Köhler eine große Bühne bekommen, dominierte Titelseiten und | |
Talkshows gleichermaßen. In Bild und Welt durfte er seine Thesen anfangs | |
ohne jede Einordnung oder Zweitmeinung äußern, was eindeutig nach einer | |
gezielten Kampagne aussieht. Andere Medien arbeiteten sorgfältiger und | |
kontrastierten Köhlers Darstellung mit der Fachwelt – doch auch hier musste | |
bei vielen LeserInnen oder ZuschauerInnen die Meinung entstehen, dass sich | |
die „ExpertInnen“ nicht einig sind und unterschiedliche Einschätzungen | |
gleichberechtigt gegeneinander stehen. | |
In Wahrheit steht die Meinung eines einzelnen Arztes, der selbst nicht | |
forscht, aber allen WissenschaftlerInnen, die Stickoxid und Feinstaub für | |
gefährlich halten, Datenmanipulation vorwirft, [3][gegen die gesammelte | |
Meinung der weltweiten Gesundheitsforscher]. Verstärkt wurde das Problem, | |
das viele Medien nicht korrekt dargestellt haben, dadurch, dass es in der | |
Öffentlichkeit wie in der Politik viele Akteure gibt, die die Grenzwerte | |
nur zu gern infrage stellen möchten und denen dazu jeder noch so dubiose | |
Kronzeuge recht ist. | |
Dass sich Politiker wie CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, dessen | |
Pressesprecher übrigens vorher bei der Bild gearbeitet hat, auf angebliche | |
Fakten stürzen, die ihnen politisch ins Programm passen, können Medien | |
natürlich nicht verhindern. | |
Ebenso wenig die Tatsache, dass sich durch Köhler viele Menschen in ihrer | |
Meinung bestärkt sehen, dass die geltenden Grenzwerte eine einzige große | |
Verschwörung finsterer Mächte sind. Aber JournalistInnen sollten in Zukunft | |
durch sorgfältige Gegenrecherche zumindest stärker dazu beitragen, dass | |
Scharlatane nicht mehr Aufmerksamkeit bekommen, als angemessen ist. | |
14 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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