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# taz.de -- Ärztin Kristina Hänel bei „Anne Will“: Wieviel Information da…
> Bei Anne Will diskutieren vier Frauen und ein Mann über den Paragrafen
> 219a – und natürlich geht es schnell um mehr als um vermeintliche
> „Werbung“.
Bild: Ärztin Hänel (r.) hält wenig von dem 219a-Kompromiss – Ministerin Gi…
Eines hat Anne Will in dieser Woche schon mal richtig gemacht: Von den fünf
Gästen, die am Sonntagabend in der [1][ARD-Talkshow] über
Schwangerschaftsabbrüche und die Information darüber diskutieren, ist die
Mehrzahl weiblich. Nur ein Mann redet mit: Für ihn sei das keine leichte
Situation, gibt der Bundestagsabgeordnete und 26-jährige Shootingstar der
CDU, Philipp Amthor, gleich zu Anfang zu bedenken. Mitleid erregt das in
den kommenden 60 Minuten im Studio kaum – und das liegt nicht unbedingt
daran, dass in anderen Sendungen oft genug das Testosteron überwiegt.
Es geht um [2][Paragraf 219a Strafgesetzbuch], der „Werbung“ für
Schwangerschaftsabbrüche verbietet – und auch bestraft, wenn Ärzt*innen
öffentlich darüber informieren, dass sie diese durchführen. Wegen dieses
Gesetzes wurde die Ärztin Kristina Hänel, ebenfalls zu Gast bei Anne Will,
2017 [3][verurteilt]. Nun will die Bundesregierung eine [4][Ausnahme
einführen]: Ärzt*innen sollen künftig auf ihren Webseiten schreiben dürfen,
dass sie Abbrüche vornehmen. Für alle weiteren Informationen – die Methoden
oder die Risiken zum Beispiel – müssen sie auf staatliche Seiten verlinken.
Ein Kompromiss, der „nur der Koalition hilft“, erklärt Teresa Bücker,
Chefredakteurin des Onlinemagazins Edition F. Denn während die SPD den
Paragrafen gerne ganz abgeschafft hätte, wollte die Union ihn am liebsten
gar nicht anfassen. „Warum tragen Sie das mit?“, fragt die Moderatorin
Giffey, und später: „Warum so umständlich?“ „Wir sind nun mal in einer
Koalition“, sagt die Ministerin ein ums andere mal. Giffey bemüht sich
redlich, den Kompromiss zu verteidigen. Es sei ja jetzt ganz klar geregelt,
dass Ärzt*innen auf die Informationen verweisen dürften. „Mit einem Klick“
komme man da von der Seite der Ärztin oder des Arztes hin. Und beim
Hilfetelefon könne man auch anrufen, rund um die Uhr, sieben Tage die
Woche.
„Ich dürfte dann aber nicht bei Anne Will sitzen oder einen Artikel in
einer Fachzeitschrift schreiben“, argumentiert die Ärztin Kristina Hänel.
Wenn sie mehr sage oder schreibe als die bloße Auskunft, dass sie
Schwangerschaftsabbrüche durchführe, gehe es wieder los mit der
Rechtsunsicherheit. Ihr gehe es zuallererst darum, dass den Frauen geholfen
werde und sie ihrer ärztlichen Pflicht nachkommen könne, ihre Patientinnen
zu informieren.
## Jens Spahn und die „seelischen Folgen“ von Abbrüchen
Der Staat müsse sicherstellen, dass es ein ausreichendes Angebot an
ärztlichen Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch gebe, erklärt Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ehemalige Justizministerin. In der
aktuellen gesellschaftlichen Stimmungslage, mit Einschüchterung vor
Arztpraxen und Kliniken und Stigmatisierung, sei das nicht gewährleistet.
Um 40 Prozent, heißt es in einem Einspieler, sei die Zahl von Ärzt*innen,
die Abtreibungen durchführen, seit 2003 [5][gesunken] – auf rund 1.200
deutschlandweit. Diese Versorgungslücken müsse man schließen, sagt Giffey –
und will damit schnell wieder ablenken von einem Thema, das ihr sichtlich
unangenehm ist: [6][Eine Studie zu den „seelischen Folgen“] von
Schwangerschaftsabbrüchen, die das CDU-geführte
Bundesgesundheitsministerium durchführen lassen will.
Aus fachpolitischer Sicht halte sie von solchen Studien nichts, sagt
Giffey. Es gebe Studien, die zeigten, dass man einen „solchen
Kausalzusammenhang nicht ziehen kann“. Die Frauen zitieren verschiedene
bereits existierende Studien; 95 Prozent der Frauen sind drei Jahre nach
dem Abbruch zufrieden mit ihrer Entscheidung. Psychische Probleme entstehen
oft vor allem aus der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Die Antwort
Amthors auf die Frage, was er von einer Studie wie der geplanten halte:
„Ich kenne ja die Ergebnisse noch gar nicht.“
## Plastik-Föten fürs Volk
Niemand wolle Frauen diskriminieren, sagt der CDUler, „sondern wir wollen
auch für das ungeborene Leben einstehen“. Der „bekennende
Abtreibungsgegner“, wie Will ihn vorstellt, engagiert sich im Verein
„Durchblick“, der unter anderem Plastik-Föten verteilt, um Stimmung gegen
Schwangerschaftsabbrüche zu machen. Amthor selbst war Teil einer Kampagne
zum Erhalt des Paragrafen 219a. Motto: „Fürs Leben, nicht fürs Töten
werben“. Er sei natürlich für das Selbstbestimmungsrecht der Frau – im
Rahmen der gesetzlichen Regelung. In Deutschland sind Abtreibungen
rechtswidrig, unter bestimmten Bedingungen aber straffrei. Es zieht sich
durch den Abend, was sich seit Monaten durch die gesamte Debatte zum
Paragrafen 219a zieht: Es geht sofort ums große Ganze, nicht nur um den
Unterschied zwischen Information und Werbung, sondern, Zitat Amthor, „die
Frage, wann das menschliche Leben beginnt“.
Unions-Abgeordnete, erklärt Teresa Bücker, warnten überspitzt vor großen
Werbeplakaten. Das wie auf der Kompromissvorschlag der Regierung zeuge von
Misstrauen gegenüber Ärzt*innen ebenso wie gegenüber Frauen. „Herr Amthor,
wenn Sie schwanger wären, würde ich Ihnen zutrauen, diese Entscheidung ganz
alleine zu treffen“, sagt Bücker. Der wiederum warnt davor, den „eigentlich
ziemlich guten Konsens“ zum Schwangerschaftsabbruch – rechtswidrig, aber
straffrei – wieder aufzuschnüren. Was das mit der Information auf der
Webseite einer Ärztin zu tun hat, erklärt er nicht.
4 Feb 2019
## LINKS
[1] https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL25kci5kZS9lNjYwNDJjOC05MTBh…
[2] /Schwerpunkt-Paragraf-219a/!t5480560
[3] /Werbung-fuer-Schwangerschaftsabbruch/!5542601
[4] /Kompromiss-zu-Paragraf-219a/!5567165
[5] /Diskussion-um-Paragraf-218/!5565165
[6] /Nach-Reformvorschlag-fuer-Paragraf-219a/!5566994
## AUTOREN
Dinah Riese
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