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# taz.de -- Nord-Flächenländer lassen schießen: Toter Wolf, guter Wolf
> Schleswig-Holstein erlaubt die Jagd auf einen „Problemwolf“, der
> Schutzzäune überwindet. Auch Niedersachsen setzt wieder auf „letale
> Entnahme“.
Bild: Das Ende eines Problemwolfs: der abgeschossene „Kurti“ im Landesmuseu…
HAMBURG taz | Ein grüner Minister verhängt das Todesurteil gegen einen
Wolf. Der als „verhaltensauffällig“ geltende Wolf GW924m im Kreis Pinneberg
im Südwesten Schleswig-Holsteins darf „letal entnommen“ werden, wie es im
Bürokratendeutsch heißt. Der allein lebende Rüde wird für eine ganze Reihe
von Angriffen auf Nutztiere verantwortlich gemacht, darunter mindestens
sechs Schafsrisse hinter Wolfsschutzzäunen. In so einem Fall sei der
„ausnahmsweise Abschuss dieses Wolfes erlaubt“, sagte der grüne Umwelt- und
Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht am Donnerstag in Kiel.
Diese Ausnahmegenehmigung ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz möglich,
obwohl Wölfe unter strengem Artenschutz stehen. Bei GW924m seien
„angesichts der umfassenden Präventionsmaßnahmen und der drohenden
erheblichen wirtschaftlichen Schäden Umstände gegeben, die einen
ausnahmsweisen Abschuss erlauben“, so Albrecht.
Der von einem Rudel in Dänemark abstammende junge Rüde hat nachweislich
seit 28. November 2018 in mindestens sechs Fällen Schafe auf Wiesen
gerissen, die von angeblich wolfssicheren Zäunen geschützt waren. Diese vom
Land bezuschussten Elektrozäune, 108 Zentimeter hoch und 3.000 bis 4.000
Volt leitend, galten bislang als garantierte Abschreckung für Wölfe. Das
hat der seit Juni 2018 im Kreis Pinneberg lebende Wolf, der auch in zwei
weiteren Fällen verdächtig ist, nun widerlegt.
Sollte der Single eine Partnerin finden und mit ihr ein Rudel gründen,
„besteht die Gefahr, dass er sein Verhalten an Nachkommen weitergibt“, sagt
Albrecht. „Das wäre letztlich auch ein Problem für die Akzeptanz des Wolfes
und den Artenschutz.“
## Einer muss für alle dran glauben
Der Naturschutzbund in Schleswig-Holstein trägt das Vorgehen mit. Wölfe
seien intelligent und lernfähig, sagt Nabu-Landesgeschäftsführer Ingo
Ludwichowski. „Wenn ein ganzes Rudel lernt, wie es solche Zäune überwinden
kann, dann haben wir echte Probleme auf dem Land“, glaubt er. Ohne eine
breite Akzeptanz in der Bevölkerung für die normalerweise eher scheuen
Räuber sei die Existenz der vor mehr als 200 Jahren ausgerotteten, nun aber
langsam wieder einwandernden Wölfe aber kaum zu sichern.
Um das einzelne Tier tue es ihm natürlich leid, sagt Ludwichowski. „Aber
für den Wolf als Art ist es besser, wenn einzelne Tiere nach strenger
Prüfung der Umstände entnommen werden, als dass sonst eine Stimmung
aufkommt, alle Wölfe zu töten oder aus Schleswig-Holstein zu vertreiben.“
Dem sanfteren Mittel der Vergrämung steht Ludwichowski skeptisch
gegenüber. „Gute Idee“, sagt er, aber sie funktioniere nicht so einfach.
Eine Abschreckung mit Knalleffekten oder ähnlichem „muss direkt beim Zaun
erfolgen, sonst bleibt der Lerneffekt aus“. Schon wenige Meter vom Zaun
entfernt könnten Wölfe keinen Zusammenhang mehr herstellen. Das mache die
Sache so kompliziert.
Den Abschuss genehmigt hat am Donnerstag letztlich das dem
Umweltministerium nachgeordnete Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und
ländliche Räume (LLUR). Die Erlaubnis ist räumlich eingegrenzt und zunächst
auf vier Wochen befristet. „Es ist aber kein Selbstläufer, dass es auch zur
Entnahme kommt“, sagte Umweltminister Albrecht.
Diese erfolge „nicht auf Knopfdruck“, umschrieb er den Umstand, dass
beauftragte Jäger dem bösen Wolf von Pinneberg erst mal auf die Schliche
kommen müssen. Gesichtet wurde er noch nie, die Nachweise erfolgten
lediglich über DNA-Analysen.
Umweltminister Albrecht rechnet jetzt mit Klagen gegen die Genehmigung,
bislang sei davon im Haus aber nichts bekannt. Es gebe „unzählige
Rechtsauffassungen“ zu dem Thema, sagte Albrecht.
## „Rechtzeitig Tötung geboten“
Auch Niedersachsen gibt zum zweiten Mal einen Wolf zum Abschuss frei. Nach
zahlreichen Rissen von Rindern und Ponys soll der Leitrüde des Wolfsrudels
von Rodewald im Landkreis Nienburg abgeschossen werden. Damit sollen
weitere wirtschaftliche Schäden bei Tierhaltern verhindert werden. Der
überwiegende Teil von Dutzenden Nutztierrissen in der Region könne dem
Leitrüden zugeordnet werden, der auch Elektrozäune überwinde, erklärte das
Umweltministerium.
„Diese Entscheidung habe ich mit großer Sorgfalt abgewogen und getroffen“,
sagte Umweltminister Olaf Lies (SPD) der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.
„Eine Abwägung der Alternativen hat gezeigt, dass eine rechtzeitige Tötung
des Rüden geboten ist.“
31 Jan 2019
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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Artgerechte Tierhaltung
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